ReformBei den Grundsteuern wird es im Kreis Euskirchen Gewinner und Verlierer geben

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Ein Grundsteuerbescheid für 2024 wird vor einem Privatgrundstück hochgehalten.

Die Folgen der Reform: Für fast alle wird es 2025 Veränderungen im Vergleich zum Grundsteuerbetrag 2024 geben. Das trifft sowohl Eigenheimbesitzer als auch Mieter. Und für die Politikerinnen und Politiker im Kreis Euskirchen könnte das Thema brisant werden.

Eigentümer und Mieter müssen mit neuen Steuerbeträgen rechnen – und die Politiker im Kreis Euskirchen mit brisanten Debatten.

Das große Rechnen kann beginnen. Am 1. Januar 2025 soll das neue Modell der Grundsteuer für Grundstücke in Kraft treten. Das bisherige war dem Bundesverfassungsgericht nicht gerecht genug. Vieles ist noch unklar. Sicher ist jedoch: Betroffen sind fast alle – die Besitzer, die im Eigenheim leben, und die Mieter, die den Steuerbetrag auf der Nebenkostenabrechnung finden werden.

Und noch eins ist klar: Es wird Gewinner und Verlierer geben. Es kommt unter anderem auf das Alter der Immobilie, den Zustand und – mehr als bisher – auf die Lage (Bodenrichtwert) an.

Politiker im Kreis Euskirchen müssen kräftig an den Hebesätzen schrauben

Die Besitzer oder Mieter von älteren Gebäuden würden tendenziell mehr bezahlen müssen, die von neuen Gebäuden weniger, erklären die Kämmerer Ralf Claßen (Mechernich) und Marcel Wolter (Schleiden). In dem neuen Modell spielt nämlich der Bodenrichtwert eine weitaus größere Rolle als der Wert des Gebäudes. Und der Wert von Grund und Boden ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Das wiederum trifft, überspitzt formuliert, der Oma ihr klein Häuschen genauso wie die neue Millionen-Villa nebenan.

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Ich hätte mir mal eine Steuergesetzgebung gewünscht, die klar und nachvollziehbar wäre.
Ingo Pfennings (CDU), Bürgermeister der Stadt Schleiden

Jeder und jede kann selbst berechnen, was er oder sie zahlen muss. Die große Unbekannte ist aber noch der Hebesatz, den die Räte in den Städten und Gemeinden festlegen müssen.

Das NRW-Finanzministerium hat aber schon mal für jede Kommune ausgerechnet, welche Hebesätze sie erheben müsste, um am Ende nicht weniger Geld in der Kasse zu haben, um etwa Kitas, Schulen oder Straßen zu pflegen und was noch so alles anfällt in einer Kommune.

Die Zahlen für eine differenzierte Erhebung, für Wohn- einerseits und Gewerbegrundstücke andererseits, hat Düsseldorf auch geliefert. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Kreis Euskirchen haben das zwar kürzlich abgelehnt, doch sie entscheiden nicht darüber.

Klaus Voussem macht sich für differenzierte Steuersätze stark

Das obliegt den Räten – und deren Mitglieder dürften es sich mit Blick aufs Wahljahr 2025 genau überlegen, ob sie die Wohngrundstücksbesitzer zu Gunsten der Gewerbeflächen-Besitzer mehr als nötig belasten wollen. Das wäre nämlich die Folge des vom damaligen Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) entwickelten Modells, wie der CDU-Landtagsabgeordnete Klaus Voussem (CDU) betont.

Er spricht sich klar für das differenzierte Modell aus. „Differenzierte Hebesätze nutzen, Hausbesitzer und Mieter entlasten!“, lautet seine Devise. Kaum vorstellbar, dass Voussem als CDU-Fraktionschef im Euskirchener Stadtrat mit seinen Parteikollegen davon abweicht, nur weil „sein“ (parteiloser) Bürgermeister sich mit seinen Kollegen gegen unterschiedliche Sätze ausgesprochen hat.

Spannend dürfte es auch in Mechernich werden: Dort, so die Berechnung, wäre der Hebesatz für Wohngrundstücke bei differenziertem Vorgehen (584 Prozent) sogar niedriger als der aktuelle (595). Würde für Wohn- und Gewerbegrundstücke ab 2025 ein und derselbe Hebesatz gelten, läge der laut Finanzverwaltung bei 641 Prozent. Und es ist halt ein Unterschied, ob ein Besitzer seinen individuellen Grundmessbetrag mit 5,84 oder mit 6,41 multiplizieren muss, um seine Jahres-Grundsteuer B zu ermitteln.

Am Ende entscheiden die Ratsmitglieder in den Kommunen

Das heißt zwar nicht zwingend, dass die Eigentümer oder Mieter künftig weniger zahlen müssen als jetzt. Es kann ja sein, dass der andere Faktor, der individuelle Grundsteuermessbetrag, gestiegen ist. Aber bei einem höherem Hebesatz würde der Betrag dann noch stärker steigen. „Wir werden die Sachlage ermitteln und der Politik einen Vorschlag machen“, sagt Mechernichs Kämmerer Claßen. Es sei ja auch noch nicht klar, ob eine differenzierte Hebesatzerhebung überhaupt verfassungsgemäß sei.

Im Kaller Rathaus, so Kämmerer Markus Stoff, seien die vom Land ermittelten aufkommensneutralen Hebesätze „skeptisch zur Kenntnis genommen“ worden. Stoff hat noch ein anderes Problem: „Aktuell fehlen der Gemeinde Kall noch zirka 12 Prozent der Grundsteuermessbescheide vom Finanzamt. Ohne diese ist eine Prüfung oder eine eigene Ermittlung der aufkommensneutralen Hebesätze nicht möglich.“

Dass der von der Finanzverwaltung für Schleiden errechnete Grundsteuer B-Hebesatz nun vierstellig und im Kreis am höchsten ist, klingt schlimmer, als es ist, wie Kämmerer Wolter erklärt: Dafür seien die Grundmesszahlen niedriger als etwa in Mechernich oder Weilerswist, deren Bodenrichtwerte ja viel höher seien. Bürgermeister Ingo Pfennings (CDU) ist dennoch alles andere als froh: „Ich hätte mir mal eine Steuergesetzgebung gewünscht, die klar und nachvollziehbar wäre.“


Das schlägt der Finanzminister den Kommunen im Kreis Euskirchen vor

Folgende Hebesätze hat das Finanzministerium für die Kommunen im Kreis Euskirchen errechnet, damit sie nicht weniger und nicht mehr einnehmen als in diesem Jahr.

Bad Münstereifel Derzeit gilt bei der Grundsteuer B ein Hebesatz von 695 Prozent. Damit die Stadt künftig auf die gleichen Einnahmen käme, wäre ein Hebesatz von 906 Prozent nötig. Bei differenzierten Hebesätzen bräuchte es für Wohngrundstücke 835 und für Nichtwohnstücke 1227 Prozent.

Blankenheim Bei 650 Prozent liegt der Hebesatz. Um dieselben Steuereinnahmen zu erhalten, wäre ein Satz von 789 Prozent nötig beziehungsweise 695 für Wohn- und 1217 Prozent für betriebliche Flächen geboten.

Dahlem Derzeitiger Hebesatz: 565 Prozent. Laut Berechnung der Finanzverwaltung NRW wären 633 Prozent fällig – auch bei einer differenzierten Hebesatz-Festlegung. Für Nichtwohngrundstücke müssten 630 Prozent beschlossen werden.

In Mechernich dürften die Debatten besonders spannend werden

Euskirchen Aktuell: 496 Prozent. Damit die Stadt weiterhin die gleichen Mittel erhält, müsste der Hebesatz um 101 Punkte auf 597 steigen oder differenziert auf 492 (Wohn) und 913 Prozent (Gewerbe).

Hellenthal Aktuell: 595 Prozent. Um dieselben Einnahmen zu erzielen, müsste der Hebesatz um satte 189 Punkte auf 784 Prozent steigen. Oder differenziert: 692 Prozent für Wohn- und 1131 Prozent für Nichtwohngrundstücke.

Kall Aktuell: 555 Prozent. 2025 müsste der Satz auf 724 steigen, damit die Gemeinde dieselben Einnahmen hat wie in diesen Jahr. Differenziert: 573 für Wohn- und 1327 Prozent für gewerbliche Flächen.

Mechernich Aktuell: 595 Prozent. Um die Aufkommensneutralität herzustellen, wären im kommenden Jahr 641 Prozent nötig. Würde eine differenzierte Grundsteuer erhoben, läge der Hebesatz mit 584 Prozent für Wohngrundstücke leicht niedriger als aktuell. Für betriebliche Flächen rechnet die Finanzverwaltung einen Hebesatz von 879 Prozent vor.

Nettersheim Aktuell: 490 Prozent. Bei 601 Prozent müsste er liegen, um die gleiche Summe einzunehmen. Oder: 575 (Wohn) und 708 Prozent (Gewerbe).

Schleidener Hebesatz könnte vierstellig werden

Schleiden Aktuell: 735 Prozent. Der Hebesatz müsste auf 1008 Prozent steigen, um dieselbe Menge Geld für die Aufgaben der Kommune zusammenzubringen. Differenziert: 869 für Wohn- und 1566 Prozent für Gewerbe-Grundstücke.

Weilerswist Aktuell: 610 Prozent. 2025 müsste der Satz auf 689 steigen oder auf 625 für Wohn- und 944 Prozent auf Gewerbegrundstücke.

Zülpich Aktuell: 690 Prozent. Die Finanzverwaltung schlägt 840 Prozent vor. Differenziert wären Hebesätze von 763 (Wohn) und 1114 (Gewerbe) für die Aufkommensneutralität notwendig.


So wird die Grundsteuer B berechnet

Die Eigentümer haben vom Finanzamt den „Bescheid über den Grundsteuermessbetrag – Hauptveranlagung auf den 1. Januar 2025“ erhalten.

Um die Grundsteuer B zu errechnen, wird der dort enthaltene Grundsteuermessbetrag mit dem Hebesatz der Kommune multipliziert und das Ganze dann noch mal durch 100 geteilt.

Ein Beispiel: Liegt der Grundsteuermessbetrag bei 175 Euro und der Hebesatz der Kommune bei 597 Prozent, lautet die Rechnung: 175 x 5,97 = 1044,75 Euro. Das ist der Grundsteuerbetrag, der in vier Teilen zu zahlen ist (Quartal).

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