Die Stadtverwaltung Schleiden braucht mehr Personal, um die Aufgaben zu erfüllen. Bürgermeister Ingo Pfennings will Lösungsansätze präsentieren.
Pöbeleien und ÜberstundenSchleidener Bürgermeister klagt über unhaltbare Zustände
Chronische Unterbesetzung, unbezahlte Überstunden und zunehmend verbale Attacken von Bürgern: Bürgermeister Ingo Pfennings zeichnete am Donnerstag im Stadtrat ein düsteres Bild von den Arbeitsbedingungen in der Schleidener Stadtverwaltung. „Um weiterhin einen qualitativ hochwertigen Service für die Bürger zu gewährleisten und den Wiederaufbau weiter erfolgreich vorantreiben zu können, ist es unerlässlich, dass die Personalressourcen aufgestockt werden“, betonte Pfennings, der in der nächsten Sitzung des Stadtrates am 27. Juni Lösungsvorschläge unterbreiten will.
„Die Verwaltung kommt mit den ganzen Aufgaben nicht mehr parat. Die mannigfaltigen Krisen in der Welt werden personaltechnisch auf dem Rücken der Kommunen ausgetragen“, klagte der Bürgermeister in der Sitzung. Es sei eine Situation erreicht, in der die Personaldecke den Aufgaben und den an die Verwaltung gestellten Erwartungen trotz aller getroffenen Maßnahmen und Neueinstellungen nicht mehr gerecht werde. Und sich die Verwaltung nicht als Dienstleistungseinheit weiterentwickeln könne.
Personelle und finanzielle Situation in den Kommunen ist schlecht
Grundsätzlich sei die personelle und finanzielle Situation in den Kommunen in Deutschland schlecht. Das sei bei vielen Erhebungen und Äußerungen der kommunalen Spitzenverbände in den vergangenen Monaten deutlich geworden.
„Während die anderen Kommunen aber in der Regel nur ihr Alltagsgeschäft und die durch Bundes- und Landespolitik hinzukommenden Zusatzaufgaben erledigen, muss die Schleidener Verwaltung zusätzlich einen Wiederaufbau von mehr als 200 Millionen Euro und gut 450 Maßnahmen stemmen“, erklärte Pfennings.
Ausfälle führen zu Verzögerungen in sehr vielen Bauprojekten in Schleiden
Der Wiederaufbau werde zwar hauptsächlich vom Fachbereich Stadtentwicklung, Bauen, Umwelt und Bauhof gestemmt, der mit neuen Mitarbeitern verstärkt worden sei. „Mittlerweile zeigt sich jedoch immer mehr, dass die aktuelle Personaldecke die Vielzahl an gleichzeitigen Projekten auch nicht mit Unterstützung des jetzigen Volumens an Projektsteuerern schaffen wird“, sagte der Bürgermeister.
Zumal aktuell vier technische Mitarbeiter (je zwei für Hoch- und Tiefbau) wegen Langzeiterkrankung oder unbesetzter Stellen fehlten. Auch wenn unter Hochdruck versucht werde, die Positionen kurzfristig neu zu besetzten, führten die Ausfälle derzeit zu Verzögerungen in sehr vielen Bauprojekten.
Aufgrund der engen Personaldecke bauten viele städtische Mitarbeiter regelmäßig Überstunden auf. „Da diese in Abstimmung mit dem Personalrat zum Schutz der Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gedeckelt sind, loggen sich viele Beschäftigte mittlerweile aus und arbeiten ohne Erfassung und somit unentgeltlich weiter. Ein unhaltbarer Zustand, der der großen Arbeitsbereitschaft der Beschäftigten geschuldet ist – und keinesfalls die Regel werden darf“, betonte Pfennings.
„Die Leute sind reihenweise am Limit und darüber hinaus. Ich habe Angst um die Gesundheit der Mitarbeiter“, fügte er hinzu. Ein weiterer Punkt seien die Zeitzuschläge für Rats- oder Ausschusssitzungen, Bürgerbeteiligungsformate, Wahlorganisation und anderen Veranstaltungen.
Mitarbeiter der Verwaltung werden angegangen oder bedroht
„Leider ist es in der jüngsten Zeit vereinzelt auch zu verbalen Attacken gegen Beschäftigte gekommen. Mitarbeiter des Bauhofes wurden bei ihrer Tätigkeit angebrüllt und ohne deren Einverständnis bei ihrer Arbeit fotografiert“, berichtete der Bürgermeister: „Verwaltungsmitarbeiter werden massiv angegangen und wurden zuletzt im Bürgerbüro sogar offen bedroht.“
Zudem gebe es immer wieder E-Mails, in denen Straftaten angekündigt würden. „Im Bürgerbüro hat jetzt ein Mann gefragt, ob er erst mit einem Messer wiederkommen müsse, damit sein Anliegen erfüllt werde. Später hat er sich dann bei dem Mitarbeiter entschuldigt.“
Es werde zunehmend versucht, gegen Führungskräfte des Hauses und vor allem den Verwaltungsvorstand mit Dienstaufsichtsbeschwerden Druck aufzubauen, um den eigenen Willen durchzusetzen. „Ein Bürger der Stadt musste aufgrund massiver Drohungen, die er glücklicherweise vor Zeugen ausgesprochen hatte, von mir zur Eingangstür des Rathauses eskortiert werden. Anschließend hat er dann eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen mich eingereicht, in der die Tatsachen komplett verdreht dargestellt wurden“, erzählte Pfennings.
Digitalisierung der Verwaltung wurde ein Stück weit versäumt
Der Bürgermeister fordert alle Stadtverordneten auf, bei Hetze gegen Beschäftigte der Verwaltung sowohl im Gespräch als auch in den „Sozialen Medien“ einzuschreiten und bei aller nachvollziehbarer Emotionalität um Verständnis für die Mitarbeitenden zu werben.
Jan Griskewitz (FDP) sagte: „Ich habe großes Verständnis für die Situation des Personals. Wir haben ungefähr so viel Personal wie vor der Flut, aber viel mehr Aufgaben.“ Verbale Attacken seien ein Unding.
Es gebe aber auch hausgemachte Probleme, so Griskewitz: „Die Verwaltungsstruktur könnte noch verbessert werden. Bei der Frage nach Home-Office wurde ich kürzlich belächelt.“ Die Digitalisierung der Verwaltung sei ein Stück weit versäumt worden und könne jetzt nicht auf die Schnelle nachgeholt werden.
„Bis zu der Zeit vor Corona war die Verwaltung digital gut aufgestellt“, hielt der Bürgermeister dagegen. Die IT-Abteilung habe sich dann aber zuerst um die Digitalisierung der Schulen kümmern müssen und habe deshalb das Rathaus vernachlässigt. „Mobiles Arbeiten löst aber auch nicht die Probleme, die durch Arbeitsüberlastung entstehen.“