Bad MünstereifelMenschen in Holzem sind entsetzt nach Messerattacke auf Frau und Kinder

Lesezeit 6 Minuten
Ein Polizist steht vor der Eingangstür zu einem Mehrfamilienhaus. Zwei THW-Kräfte schauen ihm zu.

Die Polizisten nehmen ihre Arbeit an dem Haus in Bad Münstereifel-Holzem auf. Das Gebäude betreten auch sie zunächst nur unter Atemschutz.

Ein Familienvater steht im Verdacht, seine Frau und zwei Kinder mit einem Messer schwer verletzt und Feuer in der Wohnung gelegt zu haben.

Fassungslosigkeit herrscht in Holzem. Immer wieder schütteln die Menschen ungläubig den Kopf. Sie sind entsetzt über das, was ein 34 Jahre alter Familienvater am frühen Mittwochmorgen in einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus an einer ruhigen Wohnstraße im Bad Münstereifeler Höhengebiet getan haben soll.

Nach ersten Erkenntnissen der Polizei soll der Mann mit einem Messer auf seine 33-jährige Ehefrau und zwei von drei Kindern, ein Junge und zwei Mädchen im Alter von 10, 13 und 15 Jahren, eingestochen und ihnen schwerste Verletzungen zugefügt haben. Anschließend, so die Polizei, habe der Mann gegen 3.30 Uhr in der gemeinsamen Wohnung Feuer gelegt.

Fünf Wohnungen in Bad Münstereifel-Holzem sind unbewohnbar

Kurze Zeit später steht die Wohnung in Vollbrand, die anderen vier Wohnungen in dem Haus werden durch die massive Rauchentwicklung schwer beschädigt. Das dritte Kind hat laut Polizei eine Rauchgasvergiftung erlitten. Auch drei weitere erwachsene Bewohner des Hauses werden mit Verdacht auf Rauchgasvergiftungen ins Krankenhaus gebracht. Sie können die Klinik nach Angaben des Bonner Polizei-Sprechers Robert Scholten nach ambulanten Behandlungen verlassen.

Es ist nicht nur für Feuerwehr und Rettungsdienst ein Großeinsatz, sondern auch für die Polizei. Der Mann ist noch vor dem Eintreffen der Beamten aus Holzem geflüchtet. Im Rahmen einer sofort eingeleiteten Fahndung wird der Tatverdächtige gegen 8 Uhr auf einem Rastplatz bei Alzey an der Autobahn 61 entdeckt und festgenommen. Laut Scholten hat er bei seiner Festnahme keinen Widerstand geleistet. „Es war uns wichtig, die Gefahrenlage so schnell wie möglich zu beenden“, sagt Scholten.

Großeinsatz für Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei

Die Rettungsleitstelle des Kreises stuft den Einsatz als MANV-Lage (Massenanfall von Verletzten) ein und beordert neben acht Rettungswagen einen Leitenden Notarzt, zwei weitere Notärzte sowie einen Organisatorischen Leiter Rettungsdienst zur Einsatzstelle. Zwei Löschzüge der Bad Münstereifeler Feuerwehr werden alarmiert.

Unter der Leitung von Thorsten Bauerfeind sind 75 Feuerwehrleute aus Effelsberg, Houverath, Mutscheid, Rupperath, Mahlberg und Schönau im Einsatz, zudem die Besatzung der Drehleiter aus Bad Münstereifel und des Atemschutz-Containers aus dem Brandschutzzentrum Schleiden. Auch Kräfte im nahen Kirchsahr in Rheinland-Pfalz werden alarmiert, da viele Atemschutzgeräteträger benötigt werden. Sie können jedoch wieder abdrehen.

Das brennende Haus wird von zwei Strahlern angeleuchtet. Rauch ist in der Luft. Feuerwehrleute löschen den Brand.

Um 3.30 Uhr werden die Einsatzkräfte zu dem brennenden Haus in Bad Münstereifel-Holzem alarmiert.

Feuerwehrleute stehen vor dem Haus, in dem es gebrannt hat. Zwei Einsatzkräfte sind im Korb der Drehleiter und schauen auf das zerstörte Dach.

Vom rückwärtigen Balkon aus hat sich der Brand auf das Dach ausgebreitet. Das Mehrfamilienhaus ist nicht bewohnbar.

Schon bei der Alarmierung ist für die Feuerwehrleute ersichtlich, dass es sich um einen schwierigen Einsatz handeln dürfte. Neben dem Hinweis auf den Gebäudebrand und darauf, dass Menschenleben in Gefahr sind, ist bereits der Hinweis auf einen Messerangriff enthalten und dass der Eigenschutz zu beachten ist. Als die ersten Feuerwehrleute eintreffen, bietet sich ihnen ein dramatisches Bild. Ein Balkon auf der hinteren Seite des Hauses steht in Vollbrand, aus den Fenstern daneben quillt dichter, schwarzer Rauch. Eine Frau ist in der Fensteröffnung auszumachen, sie blutet stark. Eine weitere liegt bewusstlos unter dem Fenster auf dem Boden.

Acht Personen, so Bauerfeind, retten die Feuerwehrleute insgesamt aus dem Gebäude. Teils werden sie über Leitern in Sicherheit gebracht. Zudem retten die Feuerwehrleute laut Bauerfeind einen Hund und fünf Katzen aus der brennenden Wohnung. Vom brennenden Balkon aus breiten sich die Flammen auf das Dach aus. Der dichte schwarze Rauch zieht auch in die anderen Wohnungen und macht sie unbewohnbar.

Frau und Kinder sind außer Lebensgefahr

Nach dem Abschluss der Löscharbeiten nehmen zunächst die Experten des THW Euskirchen das Gebäude in Augenschein. Nach Angaben von Statiker Jens Bädorf ist das Haus weiterhin standsicher. Als die Einsatzkräfte die Wohnung betreten, finden sie ein Kaninchen. Wie das den Brand überlebt hat, ist Bauerfeind ein Rätsel. Ein weiteres Tier, vermutlich eine Katze, wird tot in der Wohnung gefunden.

Aufgrund der Gesamtumstände übernimmt eine Bonner Mordkommission unter Leitung von Dietmar Kaiser in enger Abstimmung mit der Bonner Staatsanwältin Claudia Stangier die Ermittlungen. Laut Scholten sind unter anderem die Brandermittler vor Ort sowie der Erkennungsdienst und die Spurensicherung. Auch eine Drohne lassen die Polizisten steigen.

Einsatzkräfte von Feuerwehr, THW und Polizei besprechen das weitere Vorgehen an dem Haus in Bad Münstereifel-Holzem.

Experten des THW beurteilen die Standfestigkeit des Hauses.

Ein Feuerwehrmann trägt ein Kaninchen auf dem Arm, das aus einer brennenden Wohnung gerettet wurde. Im Hintergrund ist die Aufschrift „Feuerwehr“ auf dem Leiterpark einer Drehleiter zu sehen.

Ein Kaninchen wird aus der Brandwohnung gerettet.

Groß ist die Erleichterung, als im Laufe des Morgens die Nachricht die Runde macht, die Scholten wenig später bestätigt: Die Frau und die beiden Kinder sind außer Lebensgefahr.

Völlig unklar und Gegenstand der Ermittlungen ist indes das Motiv. Wie Scholten berichtet, haben die ersten Ermittlungen ergeben, dass das Vorleben des Mannes „unauffällig“ sei. Das ist auch der Eindruck, den die Holzemer bislang von dem Mann hatten – man kennt sich in dem kleinen Ort, der mit den etwa 100 Bewohnern der Altenpflegeeinrichtung rund 300 Einwohner hat. Eher still sei der 34-Jährige, in sich gekehrt, nett. Unauffällig eben. Das ist an der Einsatzstelle immer wieder zu hören.

Nachbarn werden durch laute Schreie aus der Wohnung geweckt

In der Nacht ist das offenbar anders: Nachbarn in den angrenzenden Häusern werden durch laute Schreie aus der Wohnung geweckt. Sie informieren Polizei und Rettungskräfte. Einige sind als Ersthelfer aktiv. Sie und andere Betroffene werden später durch den Kriseninterventionsdienst des DRK betreut.

Was zu so einem Blackout führt, kann man nur vermuten. Man kann es wahrscheinlich nicht verstehen.
Michael Lamsfuß, Vermieter

„Was zu so einem Blackout führt, kann man nur vermuten. Man kann es wahrscheinlich nicht verstehen“, sagt Michael Lamsfuß. Der 63-Jährige ist Bevollmächtigter der Erbengemeinschaft, der das Haus gehört. Die Ehefrau kenne er, seit sie ein Kind ist, auch den Mann kenne er schon lange. Schockiert sei er über das Geschehene, aber gefasst. Ob das Haus zu retten ist, ist unklar. Das ist nicht seine vorrangige Sorge. Lamsfuß ist es wichtig, ansprechbar zu sein: für die Einsatzkräfte, für die Polizei, für die Mieter. Falls jemand Notunterkünfte benötigt. Doch nach seinen ersten Informationen kommen die meisten wohl bei Freunden oder Verwandten unter.

34-Jähriger soll am Donnerstag erstmals vernommen werden

Die mögliche Unterbringung der Betroffenen ist ein Grund, aus dem sich Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian in den frühen Morgenstunden auf den Weg nach Holzem macht. Auch sie ist sichtlich betroffen vom Geschehen in dem kleinen Ort. Nun möchte sie in erster Linie für die Menschen da sein, für die Anwohner, für die Einsatzkräfte.

Unklar ist an diesem Mittwoch auch, wie der Brand gelegt wurde. Zeugen berichten, vor dem Ausbruch des Feuers einen Knall gehört zu haben. Es ist von einer Explosion die Rede. Was sie gehört haben könnten, ist ebenfalls Gegenstand der Ermittlungen. Laut Polizei-Sprecher Scholten finden die ersten Vernehmungen des 34-Jährigen voraussichtlich am Donnerstag statt. Ebenso wird der Mann dann vermutlich einem Haftrichter vorgeführt, der über eine Untersuchungshaft entscheidet. Derzeit ist der Tatverdächtige im Polizeigewahrsam in Bonn.

Für die Familien, die durch den Brand alles verloren haben, werden in den Sozialen Netzwerken Hilfsaufrufe gestartet: Binnen weniger Stunden erklären sich Dutzende bereit, sie zu unterstützen – sei es mit Kleidung, mit Pampers, Kuscheltieren oder mit Futter.

Nachtmodus
Rundschau abonnieren