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Messerstiche und FeuerProzess: 34-Jähriger schildert, wie er seine Familie beseitigen wollte

Lesezeit 5 Minuten
Ein Feuerwehrmann ist von hinten zu sehen. Er schaut nach einem Brand auf einen Hauseingang, vor dem ein Ermittler der Polizei arbeitet.

Als die Feuerwehr den Brand in dem Fünf-Parteien-Haus löschen wollte, stießen die Einsatzkräfte auf die verletzte Familie und retteten diese. Spezialisten der Polizei sicherten später die Spuren.

Wegen zwölffachen Mordversuchs und schwerer Brandstiftung in Bad Münstereifel-Holzem muss sich ein 34-Jähriger vor Gericht verantworten.

Die Familie des Bäckers aus der Stadt Bad Münstereifel führte ein normales Leben. Bis zu dem Tag, an dem sich das Böse Bahn brach. Und alles, was bisher gut war, zerstörte. Am Ende steht der Vater, ein scheinbarer Biedermann, vor Gericht, angeklagt wegen zwölffachen Mordversuchs und schwerer Brandstiftung. Und die Zuhörer im Saal 14 des Bonner Landgerichts können nicht fassen, welches Drama vor ihnen aufgerollt wird, als der Angeklagte vor Gericht detailliert aussagt.

Am Anfang ist da ein Ehepaar, das mit drei Kindern in einer Wohnung in einem Fünf-Parteien-Haus im Bad Münstereifeler Höhenort Holzem lebt. Der Bäcker (34) fährt jeden Werktag zur Schicht, die mal früh morgens um 2.30 Uhr oder abends um 21 Uhr beginnt. Er kommt nach Hause, schläft sich aus, spielt manchmal Fußball oder geht mit Kumpels aus. Die Frau kümmert sich um den Haushalt, erzieht den Sohn und die beiden Mädchen. Sie haben sich vor 18 Jahren kennengelernt, sind seit 2014 verheiratet, die Kinder sind 15, 13 und 10 Jahre alt. So weit, so alltäglich.

34-Jähriger lernt andere Frau kennen und organisiert sein neues Leben

Dann – so schildert der Angeklagte vor Gericht – beginnen die Eheleute zu streiten. Erst einmal in der Woche, schließlich jeden Tag. Sie sei auf ihn, den Trainer eines Frauenfußballteams, eifersüchtig gewesen. Er ärgert sich über den Geruch der Haustiere, die sie angeschafft hat. Denn sie hält in der Dreizimmerwohnung zwei Hunde, zwei Katzen, zwei Kaninchen, dazu Schlangen, die in einem Terrarium im Wohnzimmer dösen.

Im Jahr 2023 lernt er eine andere Frau kennen. Am 17. November 2023 werden sie intim. Zwei Wochen später beichtet der Bäcker alles seiner Frau. Laut seiner Aussage will sie aber, dass er bleibt.

Er bleibt, organisiert aber schon sein neues Leben mit der Freundin. So mietet er im Februar 2024 eine Wohnung. Kurz nach der Unterschrift auf dem Vertrag wird ihm jedoch gekündigt, weil der Eigentümer die Mitteilung bekommen hatte, dass der Mieter nicht solvent sei und die Kaution nicht zahlen könne. Wer hat den Brief geschrieben? „Meine Frau“, behauptet der Angeklagte.

Ein Bäcker-Seminar wird zur Vorbereitung der Tat genutzt

Und Zuhause? „Das lief so weiter“, sagt er. Er trifft sich bis April/Mai nicht mit der Freundin. Die Beziehung flammt aber bald wieder auf, so dass er für sich eine neue Bleibe sucht und findet. Seine Frau, mit der er trotz der neuen Gefährtin weiter Sex hat, scheint zu ahnen, dass der 34-Jährige noch fremdgeht. Sie fordert laut seiner Aussage Beweisfotos von seinen Aufenthaltsorten. Irgendwann fasst er laut Anklage den Plan, sein Leben grundlegend zu ändern und alle Schwierigkeiten, die mit der Trennung von der Familie verbunden sein könnten, mit einem Schlag zu beseitigen.

Ein Fortbildungsseminar Mitte Juni 2024 in der Akademie für das deutsche Bäckerhandwerk in Weinheim/Bergstraße nutzt er als Gelegenheit für die ihm zur Last gelegte Tat. Der Angeklagte schildert, er habe sich ein Messer und einen Zehn-Liter-Benzinkanister besorgt. Den lässt er auf dem Weg füllen. Am Abend des 19. Juni 2024 verlässt er das Hotel, fährt nach Bad Münstereifel und ist um 2.30 Uhr zurück in seiner Wohnung in Holzem.

34-Jähriger küsst seine Frau und sticht dann neunmal auf sie ein

Seine Frau hatte die 13-jährige Tochter zu sich ins Ehebett geholt. Sie wird wach, als er das Schlafzimmer betritt. Das hinter dem Rücken versteckte Messer – so schildert es der 34-Jährige vor Gericht – deponiert er im Kleiderschrank. Das Kind wird zu seinen im Wohnzimmer schlafenden Geschwistern geschickt, dann legt er sich zu ihr. Eine Stunde später steht er auf, weil er angeblich sein Handy im Auto vergessen hat.

Tatsächlich aber nimmt er das Brotmesser aus dem Schrank, legt sich auf seine Frau, küsst sie – und sticht mit der Waffe zu. Ärzte stellen später neun Stichverletzungen fest, vier davon in der Brust. Durch ihr Schreien wird der 15-jährige Sohn geweckt und stürzt ins Schlafzimmer, um seine Mutter zu schützen. Er will den Vater von ihr wegziehen. Der wehrt den Jungen ab und trifft ihn an den Armen und in der Brust.

Auch seine 13-jährige Schwester wird bei dem Angriff schwer verletzt. Die jüngste Schwester, zehn Jahre alt, hat sich möglicherweise kurzzeitig in der Abstellkammer der Küche versteckt.

Im Bad wäscht er sich das Blut ab und flüchtet aus Bad Münstereifel-Holzem

Der Angeklagte öffnet nun die Badezimmertür, wirft die Messer in die Wanne. Er wäscht sich, kehrt noch einmal ins Schlafzimmer zu seiner Familie zurück und zieht sich saubere Sachen an. Er rennt hinunter zu seinem Auto, greift sich den Benzinkanister, kippt ihn im Flur vor dem Schlafzimmer aus, entzündet ein Streichholz und wirft es auf den Boden. Es brennt sofort.

Der Mann fährt noch in der Nacht zurück nach Weinheim, checkt aus dem Hotel aus, steuert einen Autobahnparkplatz an und stellt sich der Polizei. Inzwischen hat die 13-Jährige den Notarzt gerufen, die Mutter und die Kinder werden schwer verletzt gerettet. Zwei weitere Bewohner erleiden Rauchgasvergiftungen, die anderen sechs Nachbarn bleiben unverletzt.

Der Angeklagte berichtet im Verlauf der mehrstündigen Aussage vor dem Landgericht fast flüsternd von der Horrornacht. Oft stockt er, doch der Vorsitzenden Richterin Anja Johanssen gelingt es durch geschicktes Nachfragen, den Erzählfluss nicht abreißen zu lassen. „Wie geht's dann weiter?“, fragt sie wiederholt, wenn er zögert. So gesteht er nach und nach, dass er seine Frau „beseitigen“, aber den Kindern nichts habe antun wollen. Er habe jedoch in Kauf genommen, dass die Familie verbrennen könne.

Für den Prozess sind sechs weitere Verhandlungstage terminiert.