Bonn/Bad Godesberg – Der Hauptangeklagte wippt nervös hin und her, aber dem Blitzlichtgewitter der Fotografen weicht sein Blick nicht aus.
Ebenso wenig wie dem der Mutter des Opfers, die ihm als Nebenklägerin gegenübersitzt. Ihren Sohn Niklas soll der 21-Jährige in einer Nacht im Mai auf einer Straße im Bonner Stadtteil Bad Godesberg verprügelt haben.
Laut Anklage versetzte er dem 17-Jährigen einen Faustschlag gegen die Schläfe, so dass Niklas zu Boden ging. Dann habe er ihm gegen den Kopf getreten. Der Schüler starb ein paar Tage später.
Der erste Verhandlungstag ist nach 20 Minuten vorbei. Rasch verliest Staatsanwalt Florian Geßler die Anklage. Dann haben der Beschuldigte und ein Mitangeklagter, der in der Tatnacht dabei gewesen sein soll, Gelegenheit, sich zu äußern.
„Mein Mandant bestreitet die Tatbeteiligung“
„Mein Mandant bestreitet die Tatbeteiligung“, sagt Martin Kretschmer, der den Hauptangeklagten verteidigt. „Er war nicht am Tatort.“
Der 21-Jährige sei mit seiner Freundin in einem Park gewesen, in dem er regelmäßig mit Bekannten gesessen habe, mit Alkohol und Marihuana. In der fraglichen Nacht habe er den Park nur kurz für einen Gang zur Tankstelle verlassen.
Ein Zeuge, der den 21-Jährigen als Täter wiedererkannt haben will, müsse sich irren, sagt Kretschmer. Und eine Jacke mit Blutspuren von Niklas, die bei seinem Mandanten gefunden wurde, gehöre ihm nicht und sei erst nach der Tat in seinen Besitz gelangt.
Nickend bestätigt der 21-Jährige - mit hochgebundenem Zopf und in hellblauem Hemd - die Angaben seines Verteidigers.
Angeklagt ist der junge Mann nicht wegen Totschlags, sondern wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Die Staatsanwaltschaft sieht keinen Tötungsvorsatz.
Ein rechtsmedizinisches Gutachten hatte ergeben, dass Niklas' Gefäße im Gehirn vorgeschädigt waren, so dass schon ein nicht allzu wuchtiger Schlag gegen seinen Kopf ausreichte, um seinen Tod herbeizuführen. Der Tritt spielte demnach wohl keine Rolle mehr.
Dem gleichaltrigen Mitangeklagten, der an der Schlägerei beteiligt gewesen sein soll, wird Körperverletzung vorgeworfen.
Er soll einer Begleiterin von Niklas seine Faust gegen den Kopf gehauen haben. Am ersten Prozesstag gibt er zu, Monate später einen mutmaßlichen Zeugen geschlagen zu haben, weil der ihn provoziert habe. Zu allem anderen sagt er nichts. Sein Anwalt verliest: „Ich werde von jetzt an in der Hauptverhandlung schweigen.“
Prügelattacke am Bahnhof Bad Godesberg
Die Ermittler gehen davon aus, dass in jener Nacht am Bahnhof zwei Gruppen aufeinandertrafen - auf der einen Seite Niklas und seine Freunde, die auf dem Heimweg von einem Konzert waren. Auf der anderen Seite eine Gruppe junger Männer, darunter die Angeklagten.
Der Bad Breisiger Anwalt Dirk Simon begleitet Niklas' Mutter bei dem Prozess. Der Schüler lebte zuletzt in der Stadt in Rheinland-Pfalz. Niklas wurde allerdings in Bonn geboren. Dort wurde er auch begraben.
Man sei nicht mit der Erwartung ins Gericht gekommen, ein Geständnis zu hören, sagt Simon. Für die Mutter gehe es darum, Gewissheit über das Geschehen zu bekommen. Wichtig sei, die Wahrheit zu hören, von Zeugen oder den Angeklagten.
„Wenn sie es waren und Mumm in den Knochen haben, dann sollen sie den Mund aufmachen und es auch sagen, dann sollen sie dazu stehen“, sagt Simon.
Die Prügelattacke hatte weit über Bonn hinaus Aufsehen erregt. Niklas blieb kein namenloses Opfer. Noch heute stehen am Tatort Kerzen, Bilder und ein Kreuz mit seinem Namen.
Der Bad Godesberger Pfarrer Wolfgang Picken hat das Kreuz aufstellen lassen. Er ist auch zum Prozess gekommen. Picken versucht sich an einer Antwort, warum der Fall so viele Menschen bewegt. Bad Godesberg sei wie ein Brennglas der Gesellschaft, sagt der Pfarrer.
Im einstigen Nobelviertel der alten Bundesrepublik gebe es heute große soziale und kulturelle Unterschiede. „Eigentlich steht es stellvertretend für die Situation im Land.“ (dpa)
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