Das „Godesburger“ in Bonn-Bad Godesberg ist ein inklusives Restaurant. Hier arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung zusammen. Wir blicken hinter die Kulissen.
Gastro in BonnDas „Godesburger“ ist Deutschlands erstes inklusives Burger-Restaurant
Ein Dienstagabend im Restaurant „Godesburger“: Gerade hat sich eine Gruppe von 20 Leuten zu einer Weihnachtsfeier an einem langen Tisch niedergelassen, zwei Kellner verteilen Speisekarten, nehmen erste Bestellungen auf: „Wasser mit oder ohne Sprudel? Eine Cola, jawohl, ein Weizen.“ Währenddessen treten weitere Gäste durch die Tür: „Wir hatten vorbestellt, für zwei Personen“. Der Mann am Tresen schaut in eine Liste und führt die Neuankömmlinge zu ihren Plätzen.
Hinter der Theke öffnet sich die Küche. Dort herrscht Betriebsamkeit, aber keine Hektik. In einer Warmhalteschale liegen handgemachte Pommes, die immer wieder nachgefüllt werden, auf der anderen Seite des Gangs schöpft ein Koch Soße über eine kleine Porzellanschüssel mit buntem Salatmix, vor sich hat er einen rechteckigen Teller mit zwei Hälften eines Hamburgers stehen, beide schon bestrichen mit dem Grundbelag. Der Mann in grauem Arbeitshemd blickt kurz auf den neben ihn liegenden Bestellbon, dann weiß er, was er noch tun muss, um die Mahlzeit für Tisch zwölf fertigzustellen. Am Ende der „Arbeitsstraße“ brät Restaurantleiter Pascal Wüste auf einem Grill die Pattys, deren Fleisch aus artgerechter Rinderhaltung von Betrieben im Rhein-Sieg-Kreis stammt – „garantiert ohne Gen-Futter hergestellt“, verspricht die Speisekarte.
Nachhaltigkeit wird großgeschrieben in diesem besonderen Restaurant am Moltkeplatz in Bonn-Bad Godesberg; das ist es seinem Ruf als „Deutschlands 1. Inklusiver Burger“ schuldig. Es wurde vor zehn Jahren, im September 2014, eröffnet vom Verein Gemeindepsychiatrie Bonn/Rhein-Sieg (GVP) und ist Teil ihres Unternehmensverbunds. Er hat für das Lokal die Räume des früheren Textilhauses Schneider umgestaltet; an das Modegeschäft erinnern noch der Firmenname an der Fassade und das Schaufenster, das nun den Blick freigibt in das inklusive Restaurant.
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Es wird betrieben von Menschen mit und ohne Behinderung. Vier der zehn Mitarbeiter haben eine anerkannte Schwerbehinderung, sind aber so fit und selbstständig, dass sie nicht auf eine Betreuung in einer der Werkstätten des GVP angewiesen sind. In diesen niederschwelligen Einrichtungen bietet der Verein psychisch erkrankten Menschen berufliche Bildung und Teilhabe am Arbeitsleben an, etwa in der Lagerlogistik.
Godesburger: Gearbeitet wird in Sechs-Stunden-Schichten
Peter Kox, der Vorsitzende des Bonner Sozialausschusses, nannte den „Godesburger“ bei der Eröffnung „ein Leuchtturmprojekt auf dem Weg zur inklusiven Stadt“. Der Landschaftsverband Rheinland fördert es jährlich mit 30.000 Euro, 100.000 Euro gab es vom Land, und auch die Aktion Mensch war angetan von dem einmaligen Konzept und steuerte 250.000 Euro bei. Die Zuschüsse, erklärt Jan-Philipp Buchheister, beim GVP Leiter des Geschäftsfelds Arbeit, setze der Verein unter anderem ein für die sozialpädagogische Betreuung der behinderten Restaurantfachleute. Sie arbeiten in Sechs-Stunden-Schichten: „Wenn jemand nicht mithalten kann und nach drei Stunden abbrechen muss, versuchen wir, das mit einzubauen“, sagt Buchheister. Einmal pro Woche ist der soziale Dienst des GVP im „Godesburger“; zudem hat er im gleichen Haus eine Kontakt- und Beratungsstelle eingerichtet, die nach der Hausnummer des Gebäudes am Moltkeplatz „M 2“ heißt. Das Lokal nutzt bei Bedarf deren Räume mit.
Der Gastronomiebetrieb, sagt Buchheister, muss sich selbst tragen, das heißt: Am Monatsende sollte eine schwarze Null auf der Kostenrechnung stehen. Das geht nur, wenn alle zusammenarbeiten. Die Belegschaft muss also stressresistent sein, zumal wenn in Stoßzeiten kurz vor 20 Uhr noch ein Schwung Gäste reinschneit, der vor dem Film im benachbarten Kinopolis noch schnell eine Wegzehrung verlangt. Für den Druckabbau ist Pascal Wüste zuständig, der seit dem Juni das Restaurant leitet. Der Küchenmeister wusste bei der Bewerbung, worauf er sich einlässt: Das „Godesburger“ sei eine Gastwirtschaft, in der „das Menschliche im Vordergrund“ stehe. Der „cholerische Wahnsinn“, wie er in anderen Küchen vorkomme, wo schon mal Teller fliegen, wenn es nicht so läuft, wie der Boss es will, sei hier fehl am Platz. Der 36-Jährige hat sich das nötige Rüstzeug beschafft, um als Ruhepol wirken zu können: Während der Corona-Pandemie, als viele Häuser dichtgemacht haben, nutzte er die Zeit für eine zusätzliche pädagogische Ausbildung. Das zahlt sich jetzt aus.
Godesburger in Bonn: Neue Speisen im Angebot
Wüste hat mit seinem Team eine neue Speisekarte zusammengestellt, die seit November gilt. Im Angebot gibt es täglich wechselnde Burger mit Rindspattys, gezupftem Hähnchenfleisch oder mit flambiertem Rauchlachs. Dazu auf Wunsch Ziegenkäse, Waldpilze, Spiegelei, karamellisierte Zwiebeln. Die Soßen sind hausgemacht, die Brötchen (Buns) werden gegen Aufpreis glutenfrei gereicht. Auch die Salatauswahl kann sich sehen lassen.
Damit der Küchenbrigade keine Fehler passieren, hängen an den Wänden DIN-A4-Folien mit Zutatenlisten für alle Gerichte: Auf das untere Bun Kräuterdip, dann Rauchlachs, Krautsalat, grüner Salat mit Tomate, Mayo und das schließlich obere Bun. Fertig ist ein Burger mit dem Namen „Godesmeer“.
Infos zum Restaurant „Godesburger“
Restaurant „Godesburger“: in Bonn-Bad Godesberg, Moltkeplatz 2; Öffnungszeiten: dienstags bis donnerstags 11 bis 21 Uhr, freitags und samstags 11 bis 22 Uhr, sonntags und an Feiertagen geschlossen, montags Ruhetag – innen 20, draußen 46 Plätze.