Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Premiere im Theater BonnElfriede Jelineks „Am Königsweg“ gerät zu einem ermüdenden Erlebnis

Lesezeit 4 Minuten
Theater Bonn - Schauspiel
AM KÖNIGSWEG / ENDSIEG
von Elfriede Jelinek
Regie: Katrin Plötner
Premiere am 24.01.2025
Schauspielhaus Bonn/Bad Godesberg

Das siebenköpfige Ensemble ackert sich tapfer durch die Textberge.

Katrin Plötners Inszenierung von Elfriede Jelineks „Am Königsweg/Endsieg“ am Theater Bonn bleibt auf emotionaler Distanz - und ermüdet.

Am Anfang ist das Publikum blind. Grelle Scheinwerfer blenden, die Bühne bleibt im Zwielicht, nur schemenhaft sind die Gestalten dort zu erkennen. Ganz vorne am Rand steht eine Frau im Pelzmantel, hinter ihr schwenkt jemand eine schwarze Fahne. Hin und her, hin und her. Der Stoff flattert durch die Luft, klingt wie das Wogen von Wellen, beruhigend und gleichmäßig.

Doch von Beruhigung kann hier eigentlich keine Rede sein. Die Figuren warnen vor Hass, Misstrauen und Gewalt. Der Feuerschein eines Streichholzes glimmt auf, fast wie ein letztes Zeichen der Hoffnung. Aber auch dieses Licht kann die Dunkelheit kaum durchdringen. Ist diese Gesellschaft endgültig verloren?

Ein starker Start und das Verpuffen

Es ist eine wahnsinnig eindrückliche Szene, mit der „Am Königsweg/Endsieg“ im Bonner Schauspielhaus beginnt. Regisseurin Katrin Plötner hat die beiden Texte von Elfriede Jelinek kombiniert auf die Bühne gebracht. Zwei Stunden lang geht es um (selbstgekrönte) Könige wie Donald Trump, um die Aushöhlung der Demokratie, um den Rechtsruck und schließlich die Ohnmacht derjenigen, die sich eigentlich gegen menschenfeindliche und populistische Kräfte stellen wollen.

Sieben Königinnen und Könige stolzieren an diesem Abend über die Bühne. Sie tragen ihre Kronen mit Stolz, verlieren diese aber ebenso schnell wieder. Sie sind Unterdrücker und Unterdrückte, tragen Bademäntel und Schlappen, sprechen bezeichnende Sätze wie: „Der König sagt, es ist jeder etwas wert. Er muss nur noch nachdenken, wie viel und wo und für wen.“ Welt und Bühnenbild stehen (symbolisch) in Flammen.

Es stecken enorm wichtige Wahrheiten in dieser Inszenierung. Zugleich muss man jedoch feststellen: So eindrucksvoll wie das Stück beginnt, bleibt es leider nicht. Schnell tappt es in die Falle, die Jelineks Vorlagen unweigerlich mit sich bringt: Jegliche Handlung fehlt, der Text springt assoziativ, verweigert einen klaren roten Faden.

Theater Bonn: Monologisieren statt begeistern

Und so monologisiert auch das Ensemble vor sich hin, den Blick stetig in den Zuschauerraum gerichtet. Bereits nach der ersten halben Stunde ermüdet diese dauerhafte Textbeschallung. Wichtige Botschaften prasseln in Fetzen und Splittern auf das Publikum ein, lassen keinerlei Zeit zum Innehalten, sondern verpuffen in einer regelrechten Sprachwüste. Die zwei Stunden im Schauspielhaus vermengen sich zu einem einzigen Wust, selbst die bemerkenswert virtuosen Wortspiele bleiben dadurch kaum in Erinnerung.

Tapfer spielt sich das Ensemble (Sophie Basse, Ursula Grossenbacher, Lydia Stäubli, Christian Czeremnych, Wilhelm Eilers, Christoph Gummert und Timo Kählert) durch diesen Abend. Hochachtung haben sie verdient für das gewaltige Textgebilde, das sie auswendig gelernt haben, für ihr Timing und die präzise Choreografie (Hannes-Michael Bronczkowski), die sie auf der Bühne präsentieren.

Sie tänzeln und trippeln, brüllen und kreischen, kriechen und taumeln umher, holen sich dabei sogar blutige Knie. Mal kauern sie am Boden, mal thronen sie majestätisch über einem Gebirge (Bühne: Bettina Pommer), mal rappen sie zu elektronischen Beats (Musik: Johannes Hofmann): „Wir wollen den Wandel, Wandel, so geht es nicht mehr weiter.“

Wenig Neues auf der Bühne

Der skizzierte politische Kollaps kann allerdings kaum erschrecken. Jelinek schrieb „Am Königsweg“ im November 2016, als Donald Trump erstmals zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde. Acht Jahre sind seither vergangen, der Status quo ist uns längst bekannt.

Dass Trump die Wahl im vergangenen Jahr erneut gewonnen hat, zeichnete sich weit im Voraus ab. Der Erkenntnisgewinn im Schauspielhaus ist entsprechend gering. Stattdessen bleibt die Inszenierung auf emotionaler Distanz.

Zumindest in der ersten Hälfte erklingt ausgelassenes Gelächter nur, als Christian Czeremnych improvisiert und einem niesenden Zuschauer „Gesundheit“ wünscht. Dabei haben Jelinek und das Theater Bonn eigentlich eine ganz besondere Beziehung zueinander.

In den 1980er Jahren fanden in den Kammerspielen und der Halle Beuel mehrere Uraufführungen ihrer Werke statt, darunter etwa „Clara S.“, „Krankheit“ und „Burgtheater“. Diese Stücke provozierten enorm, sorgten für Debatten, wenn nicht gar Skandale rund um die Autorin.

Davon ließ sich der damalige Schauspiel-Intendant, Peter Eschberg, nur wenig beeindrucken. Ein Blick ins Archiv zeigt, dass er im Sommer 1986 in einem Interview äußerte: „Wir sind sehr stolz darauf, dass es uns gelungen ist, Elfriede Jelinek in Deutschland so populär und anerkannt zu machen.“

Knapp vierzig Jahre später dürfte die aktuelle Jelinek-Inszenierung nun nicht gerade einen Skandal auslösen. Jubelrufe gab es beim äußerst zurückhaltenden Schlussapplaus aber auch nicht.

„Am Königsweg/Endsieg“ bettet sich ein in die schweren, anklagenden Stoffe, die derzeit am Theater Bonn dominieren. „Sie haben einen Dämon bekommen“, heißt es da ganz am Ende. „Er ist wieder da. Er war nie weg.“ Wollten wir das eigentlich? Natürlich nicht. Aber das wussten wir auch schon vorher.

125 Minuten (keine Pause). Wieder am 2.2., 18 Uhr, 8., 15. und 20.2., jeweils 19.30 Uhr, weitere Termine im März.