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Lang und langweiligShakespeares Komödie „Was Ihr wollt“ als Computerspiel am Schauspiel Köln

Lesezeit 4 Minuten
Was ihr wollt
von William Shakespeare
Regie: Charlotte Sprenger
 
Inszenierung: Charlotte Sprenger
Bühne: Max Schwidlinski
Kostüm: Josa Marx
Musik: Philipp Pleßmann
Kamera: Max Schlehuber
Licht: Michael Frank
Dramaturgie: Julia Fischer
 
Foto: Birgit Hupfeld

Was ihr wollt mit (v.l.) Sabine Waibel, Ronald Kukulies und Lisa-Katrina Mayer.

Laue Premiere im Depot: Charlotte Sprenger inszeniert Shakespeares großartige Verwechslungskomödie „Was Ihr wollt“ als überfrachtetes Computerspiel.

Ein Shakespeare-Stück in Videospiel-Ästhetik – das klingt auf dem Papier nach einer guten Idee. Und mit der Verwechslungskomödie „Was Ihr wollt“ hat Regisseurin Charlotte Sprenger für ihre Inszenierung im Depot 1 eine klasse Vorlage.

Viola und ihr Zwillingsbruder Sebastian erleiden Schiffbruch – und sie glaubt, er sei ertrunken. An Land verkleidet sie sich als Mann, tritt in den Dienst des Herzogs Orsino. Der liebt Olivia, was diese nicht erwidert: Nach dem Tod ihres Bruders hat sie erst einmal der Liebe entsagt.

Viele unerwiderte Gefühle

Dennoch schickt Orsino seinen neuen Diener als Liebesboten – was dazu führt, dass Olivia sich in den vermeintlichen jungen Mann verliebt, währenddessen aber Viola Gefühle für ihren Chef entwickelt.

Und um es noch etwas komplizierter zu machen, platziert Shakespeare eine Riege komischer Figuren in den verwirrenden Liebesreigen: Olivias Onkel Toby will, dass seine Nichte seinen Kumpel Andrew heiratet. Und Olivias Haushofmeister Malvolio macht sich auch noch Hoffnungen auf die schöne Herrin.

Weniger Komödie, mehr Drama

Es geht um Lug und Trug, um Verwechslung und Verwandlung, ein Spiel mit Geschlechtsidentitäten, das letztlich gut ausgeht.

Charlotte Sprenger und ihre Dramaturgin Julia Fischer bürsten das kräftig gegen den Strich, treiben den Stoff weg von der Komödie, hin zum bitterbösen Drama.

Beobachter in der Spielothek

Angesiedelt in einer nicht weiter benannten Zukunft, taucht Billy (Johannes Bennecke) in das Computerspiel „Twelfth Night“ ein, als Avatar wählt er Olivia (Kristin Steffen). Und so beobachtet der Gamer deren Entwicklungen mit Orsino (Sinan Güleç) und Olivia (Kara Schröder), ohne aber selber aktiv werden zu können.

Auch die Händel zwischen Toby (Lisa-Katrina Mayer), Andrew (Ronald Kukulies), Malvolio (Sabine Waibel) und der Magd Maria (Andreas Leupold) laufen vor seiner VR-Brille ab – obwohl sein Avatar in diesen Szenen nicht auftaucht.

Realität und Fiktion vermischen sich

Irgendwann vermischen sich Realität und Spiel, wenn der Narr aus dem Stück (David Rothe) auch Angestellter in der futuristischen Spielothek ist und ein anderer Kunde (Kei Muramoto) als Drache in der virtuellen Realität für Angst und Schrecken sorgt.

Und in seinen Träumen sieht Billy Morpheus (Philipp Plessmann), der eigentlich als strippenziehender Erzähler das Spiel zu steuern scheint. Aber ein schlüssiges Warum, Weshalb, Wieso bleiben Sprenger und Fischer dem Publikum schuldig.

Neue Geschlechter und Identitäten

Auch die neuen Identitäten und Geschlechter der Figuren machen nur selten Sinn: Toby ist statt Olivias Onkel nun deren Schwester. Aus der patent-durchtriebenen Maria wird ein Ritter der eher traurigen Gestalt. Und da sich Viola nicht mehr als Mann verkleidet, verliebt sich Olivia einfach nur in eine Frau. Bei Shakespeare ist das erheblich raffinierter angelegt, wenn sich Olivia zu einem Mann hingezogen fühlt, der in Wahrheit eine Frau ist.

Relativ schnell passiert bei dieser Premiere das Schlimmste, was an einem Theaterabend passieren kann: Es wird langweilig. Da erzeugen selbst die sinnlich-fantasievollen Kostüme von Josa Marx nicht genug Ablenkung von den Kopfgeburten am Regiepult.

David Rothes ungeheure Präzision

Selbst die engagierte Darsteller-Riege agiert bisweilen etwas matt, als bewege sich die Datenübertragung dem Ende der Flatrate entgegen. Natürlich gibt es immer wieder Höhepunkte. Etwa von David Rothe, dessen fulminanten Auftritte als Narr von einer ungeheuren Präzision geprägt sind.

Oder von Lisa-Katrina Mayer, die Toby als „Denver“-biestige Joan Collins angelegt – und in einem ergreifenden Monolog ihrer Schwester vorwirft, dass diese die Trauer um den toten Bruder für sich allein beansprucht.

Neue Tiefe zweier Figuren

Sabine Waibels Malvolio verheddert sich wundervollerweise im Gestrüpp seiner Gefühle und Ambitionen genauso wie in den sechs Armen des Raupen-Kostüms. Wenn er zu Unrecht eingesperrt wird, lässt Waibel eine unendliche Verzweiflung aus ihm herausbrechen.

Gerade diesen beiden Figuren verleiht die Fassung von Sprenger und Fischer eine neue, überraschende Tiefe.

Herzlicher, aber knapper Applaus

Doch selbst bei den Kabinettstückchen würde man sich hier und da wünschen, die Regisseurin hätte bei den Proben etwas früher „Cut“ gerufen. Zu oft verdümpeln starke Wellen zu lauem Plätschern in einer Inszenierung, die vor allem eines nicht ist: spannendes, anregendes Theater.

Und so fällt auch der Applaus des Premierenpublikums zwar herzlich, aber recht knapp aus.

Knapp drei Stunden (inkl. Pause). Für die Vorstellungen am 1., 4., 14. und 26.2., jeweils 19.30 Uhr, gibt es noch Karten. Zur Aufführung am 14.2. wird eine Tastführung angeboten.