Interview mit Bonner OB„An dieser Rechtslage muss etwas geändert werden“
Bonn – Nur wenige Kriminalfälle haben im Jahr 2016 so viel Aufsehen erregt wie der Angriff auf den 17 Jahre alten Niklas in Bonn. Der Prozess gegen die mutmaßlichen Täter soll im kommenden Jahr beginnen. Der Tod des Jugendlichen war nicht nur eine Tragödie, er machte auch das Unbehagen deutlich, das viele Menschen empfinden, wenn sie nachts in ihrer Stadt zu Fuß unterwegs sind. Bonn hat versucht, darauf Antworten zu finden. Ein Gespräch mit Oberbürgermeister Ashok-Alexander Sridharan (CDU) - über Niklas, Polizeipräsenz und warum er der Meinung ist, dass Gesetze geändert werden müssen.
Der Tod von Niklas hat in diesem Jahr große Bestürzung ausgelöst - und manchmal auch Wut, dass so etwas passieren konnte. Es gab eine Diskussion über Sicherheit auf den Straßen und über Jugendkriminalität. Hat ihre Stadt daraus Konsequenzen gezogen?
Das war in der Tat das mit Abstand schrecklichste Ereignis des Jahres. Was wir danach sofort umsetzen konnten, war ein Rückschnitt der Grünanlagen - der Büsche und Sträucher. Wir mussten feststellen, dass der Tatort nicht gut einsehbar war. Im Rahmen des „Runden Tisches gegen Gewalt“ haben wir zudem beraten, an welchen Plätzen die Situation ähnlich ist. Wir wollen diese Orte nun umgestalten, damit sich die Menschen sicherer fühlen.
Sind jetzt mehr Polizisten auf den Straßen als vorher?
Ja. Darauf habe ich als Oberbürgermeister natürlich keinen Einfluss, weil Polizeipräsenz Landesaufgabe ist. Aber die Polizeipräsidentin hat diese Forderung von Anfang an unterstützt. Wir selbst haben die Präsenz des Ordnungsdienstes erhöht. Das ist von den Menschen auch wahrgenommen worden. Parallel dazu lassen wir ein Präventionskonzept erarbeiten. Wir müssen die Probleme, die zu solchen Gewaltexzessen führen können, im Keim ersticken. Wir wollen dafür auf die Schulen in Bonn zugehen.
Sie wünschten sich auch mehr Videobeobachtung.
Das ist von der Polizei geprüft worden - das Ergebnis war für uns allerdings etwas unbefriedigend, wenn auch in der Sache nachvollziehbar. Videobeobachtung ist nach dem Polizeigesetz nur an Orten möglich, an denen es einen Kriminalitätsschwerpunkt gibt. Da schaut man unter anderem auf die Kriminalitätsstatistik. Darin sind aber nur Fälle verzeichnet, die auch angezeigt werden. Das deckt sich nicht unbedingt mit den Orten, an denen sich Menschen subjektiv unsicher fühlen, weil Handys oder Geldbörsen abgegriffen werden, ohne dass es immer zur Anzeige kommt.
Das heißt, Sie konnten die Videobeobachtung nicht ausweiten, obwohl Sie gerne wollten?
In Bonn sind die Kriminalitätszahlen laut Statistik - glücklicherweise - nicht so hoch, dass man nach dem Gesetz sagen kann, man bräuchte das. Aber: Ich bin der Meinung, dass die Kommunen selbst darüber entscheiden können müssen, an welchen Plätzen sie Videobeobachtung einsetzen wollen. Aktuell liegt diese Entscheidung bei der Polizei und damit bei einer Landesbehörde. Ich werde nun dem Stadtrat eine Vorlage zuleiten und ihn bitten, mich in die Lage zu versetzen, die Landesregierung anzuschreiben. An dieser Rechtslage muss etwas geändert werden. Auch das ist für mich eine Konsequenz aus dem Fall Niklas. 2017 sind Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen. Vielleicht hilft das, an dieser Stelle zu einer Änderung zu kommen.
Bald kommt es zu dem Prozess gegen die mutmaßlichen Täter. Glauben Sie, dass dieses schreckliche Ereignis damit verarbeitet ist?
Ich glaube, dass für die Familie und die Freunde von Niklas auch der Prozess kein Abschluss sein kann. Wenn man einen geliebten Menschen verliert, wird dieser Schmerz nicht mit einem Gerichtsverfahren beendet. Aber es kann dazu beitragen, dass der Sachverhalt abschließend aufgeklärt wird. Und ich glaube, dass die Strafverfolgung abschreckend wirkt auf Gleichgesinnte.
Zur Person
Ashok-Alexander Sridharan (51) wurde 2015 zum Oberbürgermeister von Bonn gewählt - gegen den Trend seiner CDU, in Großstädten reihenweise OB-Sessel zu verlieren. Der Sohn eines indischen Diplomaten und einer Bonnerin ist in der Stadt am Rhein geboren, hat dort Jura studiert und dann früh Verwaltungserfahrung gesammelt. (dpa)