Bonn – Jetzt schreibt er auch noch – in diesem Fall allerdings keine Songtexte, sondern 28 literarisch ambitionierte Kapitel für ein erstes Buch. Campino, hauptberuflich Tote Hose aus Düsseldorf, hat in einem renommierten Münchener Verlagshaus ein autobiografisches Werk herausgebracht. Titel: „Hope Street – Wie ich einmal englischer Meister wurde“. Eine Steilvorlage für den hungrigen Medienapparat, der freudig erregt mitzieht: Interviews im bunten Blätterwald, Auftritte in Talkshows, Lesungen in der Elbphilharmonie Hamburg, im Schauspielhaus Zürich und am Burgtheater in Wien.
Und im Bonner GOP-Varieté-Theater. Der Radiosender WDR 2 hat eingeladen und Tickets für die Live-Übertragung verlost. Dienstag, 19.15 Uhr. 220 Fans sitzen voller Erwartung an krisenkonform separierten Tischen, die Moderatorin Sabine Heinrich erklärt tiefenentspannt den Ablauf. 19.30 Uhr.
1988 an den Kammerspielen Bad Godesberg
Campino nimmt pünktlich Platz und kramt zur allgemeinen Überraschung eine Geschichte aus seinem Gedächtnis, die nichts mit dem Buch zu tun hat. Seine Band, die Toten Hosen, hatten 1988 ein paar Monate an den Kammerspielen Bad Godesberg als Musiker und Komparsen im Stück „A Clockwork Orange“ mitgewirkt. „Ist jemand im Saal, der sich daran erinnert?“, fragt Campino. Niemand meldet sich. Immerhin stammen Songs wie „Hier kommt Alex“ und „Die Farbe Grau“ aus der Kooperation mit dem Bonner Theater.
In jener Zeit habe er damit begonnen, ein kleines bisschen Ordnung in seinen privaten und beruflichen Alltag zu bringen, sagt Campino. Das Horten von Belegen aller Art hatte nicht zuletzt fiskalische Gründe, denn mit dem wachsenden Erfolg der Band wurden belastbare Steuererklärungen fällig. Aus den frühen Sammelaktivitäten profitiert drei Jahrzehnte später der Autor Campino. Auf sein Archiv könne er sich jedenfalls verlassen, versichert er.
Großer Fan der „Reds“
Der 58-jährige Düsseldorfer mit bürgerlichem Namen Andreas Frege hegt eine große Leidenschaft für den FC Liverpool, was mit der britischen Herkunft seiner Mutter Jenny zu tun hat. In diversen Kapiteln beschreibt der „literarische Nachwuchskünstler“ (O-Ton Campino) recht offen die familiären Verhältnisse – mit immerhin fünf Geschwistern. Den roten Faden des Buchs indes diktieren die „Reds“. Campino gibt eine Leseprobe: Vor einem Konzerteinsatz irgendwo im Saarland verzweifelt er am Internetzugang zur Liveübertragung des Spiels Liverpool gegen Norwich City.
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Auch die musikalische Ausrichtung des Abends hat – sogar vollumfänglich – mit der britischen Vereinsmannschaft zu tun. Mit Kuddel, dem Hosen-Gitarristen Andreas von Holst, präsentiert Campino auf Zimmerlautstärke reduziertes Liedgut aus der nordenglischen Stadt, darunter „Ferry Cross The Mersey“ und natürlich die unsterbliche Hymne „You’ll Never Walk Alone“. Mit dem Mersey-Material haben die Toten Hosen gerade ein Album eingespielt, das demnächst erscheinen soll.
Der Abend mit den drei Bühnenakteuren erweist sich als sympathischer, unaufgeregter Mix aus Lesung, Musik und Talkrunde, wobei Moderatorin Sabine Heinrich immer wieder gern auf das Thema Tee zu sprechen kommt. Campino macht dafür eine Vollbremsung“ aus gesundheitlichen Gründen verantwortlich.
Jetzt trinkt er auf der Bühne vorzugweise Tee. Die Sortenbezeichnungen sprechen für sich: „Finde deine Mitte“, „Klarer Geist“ und „Lebensfreude“.