Corona-KriseBittere Zeiten für Wachtberger Kulturszene
Wachtberg-Adendorf – Rudi Knorrs Appell ist deutlich: „Liebe Gäste, es sind bittere Zeiten für die ganze Kulturbranche und somit auch für uns. Wir haben seit unserer Wiedereröffnung ein tolles Hygienekonzept, aufgerüstet um ein ganz neues Abluftsystem in unserem Bühnensaal. Wir möchten Ihnen das sichere Gefühl geben, gut aufgehoben zu sein bei uns. (...) Aber was nützt unser tägliches Bestreben und das beste Hygienekonzept, wenn kaum jemand Tickets kauft?“ Immerhin 380 Mal wurde dieser Beitrag vor einigen Tagen auf Facebook geteilt, „und am darauf folgenden Wochenende war das ,Drehwerk’ auch erfreulich gut besucht“, sagt der Chef des Adendorfer Kulturbetriebes. „Aber das ist immer nur eine Momentaufnahme.“ Eigentlich herrsche im September Aufbruchstimmung in der Kulturbranche, aber jetzt sei genau das Gegenteil der Fall. Knorr: „Es ist erschreckend.“
Corona zwingt viele Kulturschaffende in die Knie. Zurzeit erwirtschafte das Drehwerk weniger Umsatz als noch im August, und das war ein Monat mit Kurzwochen, in denen der Kulturbetrieb nur von Mittwoch bis Sonntag geöffnet war. „Wir dachten, es geht jetzt aufwärts“, sagt Rudi Knorr, „aber es ist deprimierend“. Für seine fünf Mitarbeiter hat er Kurzarbeit angemeldet, dabei sei der personelle Aufwand jetzt viel höher als zu Nicht-Corona-Zeiten. Wenn ein Gast auch nur ein Glas Wein bestellt, müssen alle Hygienestandards eingehalten werden, das reicht vom Kontaktbogen bis zum desinfizierten Kugelschreiber. „Für kleine Bühnenveranstaltungen, die vorher eine Person allein gewuppt hat, brauchen wir jetzt zwei“, beschreibt es der Chef.
„Unser Hygienekonzept ist vorbildlich“, betont Knorr. Das gilt natürlich auch für das kleine Programmkino. Auf den roten Samtpolstern können zurzeit 16 Cineasten Platz nehmen. Knorr mangele es nicht wie einigen anderen Kinos an zugkräftigen Filmen, sagt er, aber die 16 Zuschauer müssen erstmal kommen. Was gut läuft sind Filmreihen wie das Filmspecial „Die Geschichte von …“ mit Biopics bekannter Persönlichkeiten am Sonntag plus Mittagessen, oder
„Kino Ultimo – Der Tag der verpassten Filme“. Besonders ältere Kinogänger fühlen sich von „FKK – Film, Kaffee, Kuchen“ dienstags angesprochen, sagt Knorr. Aber er können auch verstehen, dass die Risikogruppe ängstlich sei. Auch wenn der Blockbuster nicht so recht ins Arthouse-Programm passt, so zeigt Knorr doch jetzt auch Christopher Nolans Spionageepos „Tenet“, der, sehnlichst erwartet, dazu beitragen soll, das Kino über die Krise zu retten. Das Prekäre ist, das Rudi Knorr gleich mit zwei Firmen von der Pandemiekrise getroffen wurde. Denn auch in seiner Agentur für Kinowerbung ging die Auftragslage seit März von 100 aus Null.
Brief an Kanzlerin Merkel
Das Rheinbacher Autokino, das Rudi Knorr im Sommer zusammen mit dem Rheinbacher Veranstaltungstechniker Oliver Wolf und der Münsteraner Firma „moving movies“ ins Leben gerufen hatte, „hat es ein bisschen rausgerissen“, so Knorr. Für jeden im Trio sei „etwas hängen geblieben“, es habe dazu beigetragen, zwei bis drei seiner Leute aus der Kurzarbeit zu holen. Für den kommenden Sommer werde an eine Neuauflage gedacht, dann aber wohl auf einem Gelände in Wachtberg.
Wie eklatant die Kino-Krise bundesweit ist, hat die Filmbranche jüngst in einem Brief an die Bundeskanzlerin Angela Merkel deutlich gemacht. Die Kinos seien nach der Corona-Zwangspause längst wieder geöffnet, aber die Betreiber kämpfen um ihre Existenz. Die Filmkunst-Theater fordern eine Lockerung der Abstandsregelungen in den Sälen. Ein prominenter Unterstützer ist der Regisseur Tom Tykwer.
22 Freunde des Kabaretts können sich zurzeit vor der kleinen Bühne im ersten Stock versammeln. Allerdings mussten die beiden kommenden Termine mit Philipp Scharrenberg und Amjads Vorpremiere von „Radikal witzig“ bereits auf 2021 verschoben werden. Die Akquise der Kabarettisten und Musiker übernimmt Schwiegertochter Franziska Knorr. Viele Künstler seien froh, jetzt überhaupt auftreten zu können, wenn auch vor kleinem Publikum, sie spielten auch zum Teil Doppelauftritte an einem Abend. Eine seiner Mitarbeiterinnen erledige das Booking, sie arbeite fleißig, sei aber sehr frustriert, wenn sie alles wieder canceln müsse, sagt Knorr. „Das Signal muss sein, wir sind da! Dann kommt auch!“
Karneval und Corona
Ganz anders planen muss in Corona-Zeiten auch die Karnevalsagentur Swist Event mit Sitz in Heimerzheim. Die Künstlervermittlung für den Kölner Karneval sagt: „Spätestens seit der Entscheidung der Landesregierung NRW ist klar: Der Karneval der Session 2020/21 wird wegen der Corona-Pandemie nicht so stattfinden, wie ihn die Karnevalisten bislang kannten. Karneval und Corona müssen in Einklang gebracht werden.“
„Veranstalter müssen unter verschärften Hygienebedingungen und mit weniger Zuschauern kalkulieren. Große, dicht gedrängte Veranstaltungen werden folglich in der kommenden Session nicht möglich sein.“ Corona zwinge die Veranstalter, alternative Veranstaltungen zu planen. „Karneval und Corona führt zu einem Karneval der leisen Töne, des Zuhörens, des Genießens“, schreiben die Agenturchefs.
Dirk Lüssem und Björn Zimmer haben ein Konzeptpapier „Fastelovend in Zeiten von Corona“ erarbeitet. (jr)
Um das laut zu verkünden gibt es bereits den Hashtag „Laugh save“, also sinngemäß Lachen in Sicherheit. Hier posten Rudi Knorr, seine Kollegen vom Bonner „Pantheon“ und dem „Haus der Springmaus“ und Kulturbetriebe ringsherum, die ja alle ähnliche Probleme haben, Neuigkeiten und ihre Programme.
Stammgäste hat das Drehwerk natürlich auch. Und die loben häufig die freundliche, familiäre Atmosphäre im Haus. „Das rührt einen schon an, wenn man sieht, was die Leute hier in uns sehen“, sagt Rudi Knorr.
Und dabei war dieser kleine Kulturpalast nicht von vornherein geplant. 2003 hatten Ille und Rudi Knorr das gesamte Areal der ehemaligen Töpferei Söndgen in Adendorf erworben, 2004 wurden die ehemaligen Werkstatträume im Erdgeschoss zu einem Bürotrakt umgebaut. „Dann haben wir uns gefragt, was machen wir mit dem restlichen Platz“, erinnert sich Rudi Knorr. Zuerst war der Plan, vier Wohnungen einzurichten, aber damals sei der Immobilienmarkt noch nicht so angespannt gewesen wie heute und die Kosten wären immens gewesen. „Aber wir waren kinoaffin und damit war die Idee geboren. 2007 dan wurde das Kulturzentrum eröffnet. Rudi Knorr: „Eigentlich sind wir dazu gekommen wie die Jungfrau zum Kinde.“ Heute könne er sagen, „das ,Drehwerk’ ist ein gutes Aushängeschild für Wachtberg“.