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„Hart aber fair“ zu CoronaAltenpflegerin kritisiert private Pflegeheime

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„Hart aber fair“-Moderator Frank Plasberg warf gleich zu Beginn die entscheidende Frage auf.

Köln – Eine Besonderheit des Coronavirus besteht bekanntermaßen darin, dass es vor allem alten und kranken Menschen gefährlich wird. Seniorenheime sollten deswegen unter besonderem Schutz stehen, doch trotz strikter Kontaktsperren kam es auch in Deutschland bereits zu mehreren Coronaausbrüchen in Alten- und Pflegeheimen. Im schlimmsten Fall könnten diese zu Todesfallen werden. Frank Plasberg suchte mit Experten und Betroffenen nach Lösungen für das Problem.

Wer durfte mitreden?

Karl-Josef Laumann: Der Minister für Gesundheit, Arbeit und Soziales in Nordrhein-Westfalen musste vor allem erklären, warum es im milliardenschweren deutschen Gesundheitssystem an Pfennigartikeln wie Mundschutz und Desinfektionsmitteln fehlt. Seine einleuchtende Begründung: "Die Pflegeeinrichtungen verbrauchen derzeit in sieben Wochen so viel wie zuvor wie in zwei Jahren." Zudem sei der Markt an Schutzbekleidung weltweit zusammengebrochen, und im eigenen Land könne man nicht rasch genug gegensteuern, weil die Produktion in Billiglohnländer abgewandert sei. Derzeit sei man damit beschäftigt, "den Mangel zu verteilen", aber in Teilbereichen laufe die Produktion made in Germany allmählich an. So soll es Desinfektionsmittel bald zu vernünftigen Preisen in der Apotheke geben. Außerdem betonte Laumann, dass das Kontaktverbot für die Sterbebegleitung nicht gelte, nahe Angehörige also die Sterbenden besuchen könnten. Aus eigener Erfahrung steuerte er die Erkenntnis bei, dass die Qualität einer Einrichtung keinen Einfluss darauf habe, ob dort Corona ausbreche oder nicht.

Bernd Meurer: Der Präsident des Bundesverbands privater Pflegeheime betreibt selbst drei Pflegeheime und brachte die aktuelle Versorgung mit Schutzkleidung auf eine prägnante Formel: "Mehr oder weniger gibt es überall nichts." Ohne dieses Material kommen wir ganz schnell an Grenzen, betonte er, die bestehenden Pandemiepläne seien nicht "für diese Mengen" ausgelegt. Von Arbeitsüberlastung in Pflegeheimen wollte er gleichwohl nichts wissen, Anrufe von Angehörigen würden definitiv nicht stören. Meurer rechnete vor, dass jeden Morgen 20 bis 30 Mitarbeiter in die Seniorenheime kommen, die alle soziale Kontakte hätten und mahnte pragmatische Lösungen an. "Mir nützen keine Grundgesetzdiskussionen."

Gerd Fätkenheuer: Der Ärztliche Leiter der Klinischen Infektologie an der Uniklinik Köln begann den Abend mit dem wenig tröstlichen Hinweis, die Wirksamkeit von Schutzmasken sei "nicht sehr gut belegt" und ihr Nutzen "wahrscheinlich sehr beschränkt". Aber sie seien immerhin besser als nichts. Er berichtete, wie schwierig es für seine Frau sei, ihre pflegebedürftige Mutter nicht mehr besuchen zu können, aus der klinischen Praxis brachte er die Erkenntnis mit, dass "vermehrtes Testen" einem Allheilmittel derzeit noch am nächsten kommt. Von speziellen Verhaltensregeln für Risikogruppen hält Fätkenheuer nichts: "Regeln müssen für alle gelten."

Silke Behrendt-Stannies: "Die Gefühle fahren Achterbahn", fasste die Altenpflegerin aus Bochum-Wattenscheid ihren Arbeitsalltag zusammen, es sei unheimlich schwierig, bei der Pflege infizierter Menschen die eigene Gesundheit mit der Gesundheit der anderen abzuwägen. "Die Mitarbeiter nehmen die Angst mit nach Hause." Auf Schutzmaterialien müsse man stets ein Auge haben, denn das sei "wie Bargeld herumliegen lassen". Sie betonte, dass man nicht alle Altenheimbewohner wegsperren könne, bis ein Impfstoff gefunden ist: "Wir können nicht auf Dauer Familien trennen." Mit Grundsatzkritik am deutschen Gesundheitssystem hielt sie sich bis zum Schluss zurück. Dann wurde sie jedoch deutlich: "Die Renditeerwartung bei privaten Pflegeheimen sind fatal und jetzt sogar tödlich."

Johannes Pantel: Der Frankfurter Gerontopsychiater und Professor für Altenmedizin trat als Anwalt der älteren Menschen auf und machte sowohl gegen Gesundheitsminister Spahn wie auch gegen manch unbedachte Zuschauermeinung Front. Vorschläge, man solle alle Menschen über 65 Jahre isolieren und die Jüngeren "frei laufen lassen", nannte er absurd, schließlich könne und dürfe man die Älteren nicht in einen Topf werfen. Auch das Argument, die Jüngeren seien in Vorleistung getreten und nun die Älteren am Zug, fand vor ihm keine Gnade: "Wir alle sind in Vorleistung getreten." Für Pantel wäre es "fatal", die Generationen gegeneinander auszuspielen. Was wir jetzt vor allem bräuchten, sei eine "Exitstrategie für den Pflegebereich".

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Was machte Plasberg?

Der Moderator ging die Sendung dem Thema angemessen piano an und war sichtlich in Sorge, reißerisch wirken zu können. Auch der Ansatz der Sendung war bescheiden: "Wir haben keine Lösungen", resümierte er die eigene Leistung, es sei lediglich darum gegangen, einen Merkzettel zu erstellen. Etwas verblüfft hörte man Plasbergs Zwiegespräch mit seiner Social-Media-Beauftragten an. "Machen wir den Sack zu", ermunterte er sie, zum Schluss zu kommen.

Wie hoch war der Erregungsfaktor?

In anderen Zeiten wäre es zum Thema Gesundheit und Altenpflege sicherlich hoch hergegangen, doch das hätte mitten in der Coronakrise wohl pietätlos gewirkt. Selbst die Gewerkschafterin Silke Behrendt-Stannies sagte: "Es nutzt uns nichts, über die Versäumnisse der Vergangenheit zu lamentieren." Auf der Schlussgeraden versuchte Plasberg, eine Diskussion über den angeblich schwelenden Generationenkonflikt anzufachen, doch ein weiser älterer Mann beendete diese mit dem Hinweis, Unvernunft sei keine Altersfrage.

Was haben wir gelernt?

In der Not darf man in Deutschland schon mal Desinfektionsmittel aus Industriealkohol brauen. Auch junge Menschen sind sterblich. Und dies wird nicht die letzte Sendung zur Coronakrise gewesen sein.