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Glessener fühlen sich im Stich gelassen

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BERGHEIM-GLESSEN. Unruhe herrscht in Glessen und den benachbarten Dörfern, seit bekannt wurde, dass die Praxis des Arztehepaares Jürgen-Lohmann zum Jahresende schließt und ein Nachfolger nicht vor Ort praktizieren wird. Um die Stimmungen der Bevölkerung aufzunehmen und Möglichkeiten zu erörtern, wie die ärztliche Versorgung weiterhin gewährleistet werden kann, hatten Stadträte und Ortsvorsteher der CDU zu einer Informations- und Dialogveranstaltung eingeladen.

Die Verunsicherung der Glessener, Fliestedener oder Büsdorfer Bürgerinnen und Bürger scheint groß, denn der Saal des evangelischen Gemeindezentrums war komplett besetzt. Rede und Antwort standen in dem von Stadträtin Anne Keller moderierten Forum der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung im Kreis und Bergheimer Frauenarzt Arend Rahner sowie Frank Rudolph, stellvertretender Bundes- und Landesvorsitzender der Gesundheitspolitischen Arbeitskreise der CDU.

Kassensitze sind

festgeschrieben

Rahner stellte zunächst die Situation dar, wonach es für den Rhein-Erft-Kreis eine vorgeschriebene Anzahl an Allgemeinmedizinern gibt, sogenannte Kassensitze. Die beiden Sitze des Ehepaares Jürgen-Lohmann werden zu einer Praxis in der Bergheimer Innenstadt verlegt, die Rahner noch nicht benennen wollte. Und dies, obwohl es 15 Interessenten für die Übernahme der Praxis in Glessen gegeben haben soll. Wirtschaftliche Gründe vermutet Rahner hinter der Entscheidung. Eine neue Praxis könne wegen der Kontingentierung in Glessen nicht eingerichtet werden. Rahner prangerte die Gesetzgebung des Bundesgesundheitsministeriums als „schwachsinnige Planwirtschaft“ an, die an den Bedürfnissen der Menschen vorbei gehe.

In Fliesteden scheint die Situation entspannter: Gerd Kierdorf aus Oberaußem praktiziert dort zwei Stunden täglich und zweimal auch am Nachmittag. In Glessen dagegen will der verbleibende Hausarzt Michael Marqua „keine Zwei-Minuten-Medizin betreiben“, um die 1500 Patienten von Jürgen-Lohmann noch mit zu übernehmen.

Die Dansweiler Praxis Charisius / Landmann hat sich derweil durchgerungen, „täglich pro Arzt einen weiteren Patienten anzunehmen. Mehr Patientenakten kann man im normalen Betrieb nicht ausreichend aufarbeiten“, warb Christoph Charisius um Verständnis.

Krankenakten gehören

den Patienten

Eine besorgte Bürgerin, die fürchtete, dass die Patientenakten gleich mit „verkauft“ werden, konnte Rahner beruhigen: „Die Akten gehören Ihnen, sie haben, auch ohne einen neuen Hausarzt zu benennen, das Recht auf Herausgabe.“

Für mutige Interessenvertretung in eigener Sache gab es aber auch engagierte Publikumsmeinungen. „Die Krankenkassen sind wir“, schrieb ein Glessener den Politikern ins Stammbuch.

Moderatorin Anne Keller mühte sich, die Diskussion, die hin und wieder in die allgemeine Erörterung der Zustände im Land abglitt, auf das örtliche Problem zu fokussieren. Konkret wollte sie zum Abschluss wissen, welchen Auftrag die Politiker aus der Veranstaltung mitnähmen. Elisabeth Hülsewig, Ortsvorsteherin in Fliesteden, forderte eine Fortsetzung der Diskussion, dann aber mit zuständigen Bundespolitikern, wie dem Mitglied des Bundestagsausschusses für Gesundheit, Willy Zylajew.

Was die Kommune tun kann, zeigte Rahner auf: Ein niedergelassener Arzt könnte motiviert und unterstützt werden, in Glessen eine Zweitpraxis einzurichten. Der müsste dann keinen Kassensitz erwerben, allerdings Luft in seinem Budget haben, das leider für Zweitpraxen keineswegs aufgestockt werde.