Das Geknatter ist unverkennbar: vor dem herrlichen Schmidtheimer Schlosseingang des Grafen Emmanuel Beissel von Gymnich bewegt sich ein mausgrauer 2 CV, eine klassische Ente. Der Rost an den Ecken und Kanten des betagten Autos wirkt fast edel.
Lange redet der Besitzer der Ente nicht um den heißen Brei herum: Die wirtschaftliche Lage für jemanden, der so eine große Immobilie wie die Schmidtheimer Burg zu verwalten hat, einschließlich der angegliederten Wälder, ist nicht rosig.
Das Gebäude, bei dem es sich einst um die höchstgelegene Wasserburg der Eifel handelte, befand sich nach Kriegsende und nach der Besetzung durch die Amerikaner in einem so desaströsen Zustand, dass man glatt an Abriss hätte denken können. Doch, so Graf Beissel, so ein Haus reißt man nicht einfach ab. Man hat eine Verantwortung der Familie gegenüber. Auf der einen Seite ist es eine schöne Aufgabe, hier zu wohnen, auf der anderen Seite ist solch ein Haus mit sehr vielen Opfern verbunden.
Das fängt zum Beispiel schon beim täglichen Gang durch das Gebäude an. Braucht ein normaler Bürger in einer 100-Quadratmeter-Wohnung gerade mal wenige Sekunden, um vom Schlafzimmer oder Wohnzimmer zur Toilette oder zur Küche zu gelangen, legt Gräfin Beissel pro Tag in ihren Hausfluren zwischen den vier Kinderzimmern, zwischen Büro, Küche, Schlaf- und Wohnzimmer locker drei bis vier Kilometer zurück. Zu Fuß, wohlgemerkt. Gräfin Beissel, eine gebürtige Belgiern, empfindet diesen täglichen Hausmarsch gelegentlich schon als ein recht anspruchsvolles Fitnessprogramm.
Im Garten und in den Waldstücken sehen die Proportionen ähnlich aus. Von mal kurz den Rasen mähen kann da keine Rede mehr sein. Schon der Wassergraben, der verfüllt wurde und nun mit Gras bewachsen ist, hält etliche Quadratmeter Mähmasse vor. Dieses Haus verschluckt alles, was rauskommt, sieht Graf Beissel.
Als äußerst ärgerlich empfindet der 44-Jährige die Maßnahmen, die ihm von den diversen Behörden immer wieder auferlegt werden und ihn in seinem Handlungsspielraum teilweise drastisch einschränken. Über Generationen wurde dieses Haus gut gepflegt, hat diverse Wandlungen erlebt und muss diese auch weiterhin erleben dürfen. Und jede Generation muss ihre Spuren hinterlassen können. Wenn man die traditionsgebundene Pflicht hat, so etwas wie die Burg und die Ländereien zu verwalten, dann wundert es einen heutzutage, dass man mit Auflagen und Gesetzen einen Großteil seiner Aufgaben abgeben muss, ohne dass die Gegenseite für das Abgegebene Verantwortung übernimmt.
Gleiches gilt für den Wald. Die Kontinuität in der Familie hat viele Sachen hervorgebracht, die heute durch Behörden vor dem Eigentümer geschützt werden müssen, meint der Graf resigniert ironisch. Beispiele, die seiner Meinung nach völlig gegen die Praxis laufen, könnte der Graf viele anführen. Etwa die Pflege des Waldes. Wir sollen Laubhölzer pflanzen, die hier heimisch sind. Dabei gehen Buchen und Eichen durch die Klimaveränderung vor unseren Augen kaputt. Andere, geeignetere Baumarten wie zum Beispiel Douglasie darf man allerdings nicht pflanzen. Die Leute in den Behörden entscheiden über den Wald, aber nicht für ihn.
Viele Verordnungen, gegen die Graf Beissel bereits vorgegangen ist, nennt er schlichtweg zu ideologisch.
In Schmidtheim und im Internat wuchs Graf Beissel auf. Nach seiner Schulzeit studierte er BWL, bis der Vater starb. Dann übernahm er die Verwaltung des Schmidtheimer Besitzes. Seine eigenen vier Kinder fährt der Graf jeden Morgen nach Belgien, dort besuchen sie eine öffentliche Schule.
Verschiedene Pleiten erlebte Graf Beissel in den vergangenen 15 Jahren. So richteten Stürme, wie etwa 1990 Sturm Wibke, irreparable Schäden in seinem Waldgebiet an. Als ziemliches Desaster bezeichnet der Graf den Niedergang seines Sägewerks 1994. Die wirtschaftliche Lage zwang ihn, von eigenen Waldarbeitern Abstand zu nehmen und ganz gezielt nur noch Aufträge an Unternehmen zu verteilen. Allein Karl-Heinz Lenzen, als Förster in der zweiten Generation mit im Boot, hilft den Beissels dauerhaft.
Ein Großteil der Zeit des Schlossherrn geht für Büroarbeit drauf. Früher engagierte sich Graf Beissel in der FDP, saß im Rat der Gemeinde Dahlem. Den politischen Weg würde er gerne wieder einschlagen. Meine Sichtweise von Freiheit und Eigentum und das Wirtschaften mit diesen Gütern ist auch die Sichtweise der FDP.
Kraft schöpft der Aristokrat aus seiner Familie. Auch entwickelt er Ideen, um die Wirtschaftlichkeit des Hauses wieder zu erhöhen. Die renovierten Kellerräume würde er gerne tagsüber vermieten, ebenso die Stallungen, eventuell an Kunst- oder Handwerksbetriebe. Weiter überlegt er die Errichtung eines Biomassekraftwerks, das die enormen Energiekosten des Hauses senken könnte. Doch bei allen Schwierigkeiten überwiegen die schönen Seiten, sagt Graf Beissel, schwingt sich in seine Ente und dampft mit dem kleinen 2 CV ab in den Wald.