Das russische Außenministerium erteilt der Deutschen Welle (DW) in Moskau Sendeverbot.
Über die Bedeutung und die Hintergründe sprach Eva Burghardt mit dem Medienrechtler Karl-Nikolaus Peifer.
Ist der Vergleich von Deutscher Welle (DW) und RT DE, wie ihn die russische Regierung zieht, gerechtfertigt?Karl-Nikolaus Peifer: Nein, ist er nicht. In dem einen Fall, bei RT DE geht es um das Verbot eines Rundfunksenders, der keine Zulassung und der deswegen keine Sendeerlaubnis hatte. Die Deutsche Welle hingegen durfte bisher zulässigerweise berichten. Für das Sendeverbot gibt es keine transparente Rechtsgrundlage - hier werden also Äpfel mit Birnen verglichen.
Wo genau liegt der Unterschied zwischen der Deutschen Welle und RT DE?
Fangen wir mit den Gemeinsamkeiten an. Ja, beide Sender werden aus staatlichen Mitteln finanziert. Das ist bei der Deutschen Welle in Deutschland eine Ausnahme. Sie ist seit der Neuordnung des Rundfunks nach der Wiedervereinigung die letzte verbliebene Rundfunkanstalt nach Bundesrecht. Das heißt, sie wird zwar aus Steuermitteln des Bundes finanziert, zählt aber nicht zu den Landesrundfunkanstalten wie etwa ARD und ZDF, die vom Rundfunkbeitrag finanziert werden. Die Deutsche Welle ist kein Staatssender, die Regierung hat also keinen Einfluss auf die Inhalte. Und damit wären wir auch bei den Unterschieden: RT DE gehört dem russischen Staat und hat damit auch inhaltlich nicht die gleiche Unabhängigkeit.
Bei der Unterscheidung zwischen einem staatlichen und einem unabhängigen Sender geht es also vor allem um die Freiheit bei den Inhalten?Karl-Nikolaus Peifer: Aus deutscher Sicht ist das wesentlich. Der Staat selbst darf keinen Rundfunk betreiben. Er darf daher auch keinen Rundfunksender besitzen. Auch wenn die Finanzierung aus Haushaltsmitteln erfolgt, muss der Sender staatsfern organisiert werden. Die Regierung hat also weder in der Senderführung noch in der Senderaufsicht einen Platz. Der Sender verfügt über eine umfassende Rundfunkfreiheit gerade auch gegenüber dem Staat. Die Politik hat sich aus der Programmgestaltung und den Inhalten herauszuhalten.
Zur Person
Professor Doktor Karl-Nikolaus Peifer leitet den Lehrstuhl am Institut für Medienrecht und Kommunikation an der Uni Köln. In seiner Forschung beschäftigt er sich unter anderem mit der Wirkung von sozialen Medien, dem Datenschutz und Urheberrechtsfragen. (ebu)
Wie sind die Lizenzen ausländischer Sender in Deutschland generell geregelt?
Grundsätzlich kann jeder ausländische Sender hier eine Lizenz beantragen. Die Anträge laufen dann bei einer Landesanstalt für Medien ein, die überprüft, ob die gesetzlichen Voraussetzungen eingehalten werden. Dabei wird etwa gefragt, ob es konkrete Ansprechpersonen gibt und ob sich die Inhalte ans geltende Rundfunkrecht halten. Wenn das nicht der Fall ist und die Genehmigung nicht erteilt ist, kann der Sender gegen diese Versagung vor dem zuständigen Verwaltungsgericht vorgehen, das die Entscheidung der Landesmedienanstalt kippen kann.
Warum hat RT DE dann keine Sendelizenz in Deutschland bekommen?
Sie haben es schlichtweg nicht versucht und nie eine Lizenz beantragt. Ob dieser Antrag abgelehnt worden wäre, ist nicht einmal sicher. Ich denke, die Schließung der Deutschen Welle hat eher eine politische Dimension als eine medienrechtliche.
Wie meinen Sie das?
Die deutsche Rundfunkanstalt wird hier zu einem Bauernopfer für die politischen Spannungen zwischen Deutschland und Russland. Hier geht es ganz klar um die politische Ebene.
Tatsächlich berichtet die russische Tageszeitung „Nesawissimaja Gaseta“, dass das russische Außenministerium plant, die Deutsche Welle als „ausländischen Agenten“ einstufen zu lassen. Was hat es damit auf sich?
Wenn das eintritt, müsste die Deutsche Welle, wenn sie weiterhin Inhalte senden würde, etwa übers Webradio oder Youtube, in all ihren Beiträgen deutlich machen, dass sie als „ausländischer Agent“ in Russland agiert. Das hat erstmal keine Auswirkungen auf die Inhalte, denn senden könnten sie diese weiterhin. Doch diese Markierung trägt ganz klar eine Art Spionagestempel und bringt einen Imageschaden mit sich, der direkt auf die Rundfunkfreiheit des Senders zurückwirkt. Ich gehe nicht davon aus, dass die Deutsche Welle sich darauf einlassen wird.
Wie bedeutend ist das Verbot für die DW konkret? Kann Russland eine Ausstrahlung von Inhalten via Webradio stoppen?
Diese Frage betrifft eher die technische als die rechtliche Ebene. Russland hat gezeigt, dass es willens ist, die Sendetätigkeit zu unterbinden. Durch die Blockung von Internetressourcen kann es dies innerhalb Russlands technisch auch umsetzen.
RT DE ist via Satellit empfangbar. Inwiefern wirkt sich das Verbot des Senders darauf aus?
Auch hier geht es um die Frage, inwieweit es technisch gelingt, Signale zu blockieren oder den in Russland befindlichen Nutzern verbietet, den Sender zu empfangen. Wenn eine Sendetätigkeit in Russland verboten ist, ist auch die Einstrahlung via Satellit grundsätzlich verboten.
Eine Einschränkung der Pressefreiheit lässt sich auch international beobachten. Was glauben Sie, ist der Grund dafür?
Wir sehen etwa bei Ländern wie China und Russland eine ganz klare staatliche Regulierung der Medien. Ich denke, hier ist die Sorge vorherrschend, dass eine freie Meinungsäußerung die Politik erheblich unter Druck setzen oder einschränken könnte. Einen solchen Austausch wollen die Machthabenden vermeiden, indem sie die Sender und die Inhalte regulieren. Die Medien werden so zu einer politischen Schachfigur.
Hintergrund: Ungleiche Geschwister - RT DE und die Deutsche Welle
Als Reaktion auf das Verbot des Fernsehsenders RT DE entzieht das russische Außenministerium der Deutschen Welle (DW) in Russland die Sendeerlaubnis. Hier soll Gleiches mit Gleichem geahndet werden, doch viel haben die beiden Medienhäuser nicht gemeinsam.
Die Deutsche Welle (DW) ist der Auslandsrundfunk der Bundesrepublik Deutschland. Sie wurde 1953 gegründet und sollte als Auslandssender auf der ganzen Welt hörbar sein. DW gehört zwar der Anstalt des öffentlichen Rechts (ÄöR) an und ist Mitglied in der ARD, sie finanziert sich aber im Gegensatz zu anderen Rundfunkanstalten des öffentlichen Rechts nicht aus den Rundfunkgebühren, sondern direkt aus Steuergeldern. Einfluss auf die Inhalte des Programms in Fernsehen, Radio und Internet hat die Regierung nicht. Das ist im Gesetz über die Rundfunkanstalt des Bundesrechts „Deutsche Welle“ (DWG) klar geregelt. Demnach sind die Sendungen der Rundfunkanstalt verpflichtet, eine unabhängige Meinungsbildung zu ermöglichen. Sie dürfen außerdem „nicht einseitig eine Partei oder sonstige politische Vereinigung, eine Religionsgemeinschaft, einen Berufsstand oder eine Interessengemeinschaft unterstützen“, heißt es in Paragraph 5 des DWG. Die DW bietet ein Programm in 30 Sprachen an.
RT DE hieß früher einmal RT Deutsch und gehört zum RT Netzwerk, das unter dem Namen „Russia Today“ bekannt wurde. RT ist ein vom russischen Staat kontrolliertes und finanziertes internationales Fernsehnetzwerk und wurde im Jahr 2005 gegründet. Der Sender gilt als Sprachrohr der russischen Regierung und ist wegen der Verbreitung von Fehlinformationen und Verschwörungserzählungen vielmals in die Kritik geraten. Auf seiner Website schreibt RT DE über sich, es könne sich gegen die Konkurrenz der deutschen Medienlandschaft nur durch „qualitativ hochwertige Inhalte, innovative Erzählweisen und Kreativität in der Gestaltung des Sendeprogramms“ durchsetzen. Ja, man sei ein russisches Medium, heißt es weiter. Wenn Russland in deutschen Medien als „unberechenbar und aggressiv“ dargestellt werde, zeuge das nur davon, dass man den russischen Staat nicht verstanden habe oder nicht verstehen will. Von einem unabhängigen oder objektiven Journalismus ist auf der Website nicht die Rede. (ebu)