- Drei schwer kranke Menschen wollen Zugang zu einem tödlichen Medikament, um ihr leidvolles Leben zu beenden.
- Das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheidet gegen ihre Klage.
Köln – Dürfen schwerst kranke Menschen Zugang zu einem tödlichen Medikament bekommen, um selbstbestimmt zu sterben? Nein, hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster am Mittwoch entschieden.
Zumindest nicht im Fall zweier Männer und einer Frau. Sie wollten vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn die Erlaubnis, das Betäubungsmittel Natrium-Pentobarbital zu erwerben, um sich damit selbst zu töten. Das Verwaltungsgericht Köln hatte die Klagen nach einem Zwischenschritt zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in erster Instanz abgewiesen. Ob das rechtens war, darüber wurde am Mittwoch verhandelt.
Was wurde in Münster entschieden?
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist nicht dazu verpflichtet, kranken Menschen, den Zugang zu einem tödlichen Medikament zu erlauben. Damit bestätigt das OVG die Urteile des Kölner Verwaltungsgerichts, das die Anträge der drei Kläger bereits abgelehnt hatte.
Wie wird das Urteil zur Sterbehilfe begründet?
Das OVG begründet den Entschluss mit einem Hinweis auf den Paragraphen 5 des Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Demnach diene eine Nutzung von Betäubungsmitteln zur Selbsttötung nicht dem eigentlichen Zweck der Medikamente, die medizinische Versorgung sicherzustellen. Eine Erwerbserlaubnis könne demnach nur dann erteilt werden, wenn die Einnahme des Medikaments eine therapeutische Zielrichtung hat, also Krankheiten heilt oder Schmerzen lindert. „Vorkehrungen, die eine selbstbestimmte Entscheidung des Suizidenten gewährleisten, sieht das Betäubungsmittelgesetzt nicht vor“, so der Urteilstext.
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Das OVG verweist in dem Zusammenhang auf die Verantwortung des Gesetzgebers. Der müsse entscheiden, ob ein Zugang zu Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung ermöglicht werden soll und dementsprechend auch ein Schutzkonzept entwickeln.
Was bedeutet das Urteil für die Kläger?
Wie das OVG Münster mitteilt, führe das Urteil nicht dazu, dass die Suizidwilligen ihr Recht auf Selbsttötung nicht wahrnehmen können. Die aktuelle Rechtslage eröffne Menschen den Zugang zu freiwillig bereitgestellter Suizidhilfe. Es gebe Ärztinnen und Ärzte, die tödlich wirkende Arzneimittel verschreiben oder andere Unterstützungshandlungen vornehmen. Auch sei es zumutbar die Unterstützung einer Sterbehilfeorganisation in Anspruch zu nehmen. Das Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben beinhalte keinen Leistungsanspruch gegenüber dem Staat.
Wie ist die Rechtslage zur Sterbehilfe in in Deutschland?
Dass Menschen in extremen Notlagen, der Zugang zu tödlichen Medikamenten ermöglicht werden soll, hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig 2017 entschieden. Unter bestimmten Voraussetzungen sollte schwerst kranken Menschen der Zugang zu tödlichen Stoffen ermöglicht werden. Drei Jahre später, im Februar 2020, ging das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe noch einen Schritt weiter und entschied: Jeder Mensch hat das Recht auf einen selbstbestimmten Tod. „Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen“, heißt es in dem Urteil.
Daraus folge allerdings nicht, dass es dem Gesetzgeber untersagt sei, Suizidhilfe zu regulieren. „Er muss dabei aber sicherstellen, dass dem Recht des Einzelnen, sein Leben selbstbestimmt zu beenden, hinreichend Raum zur Entfaltung und Umsetzung verbleibt.“
Welche Rolle spielt das BfArM für die Sterbehilfe?
Wer schwer unter einer unheilbaren Krankheit leidet und sein Leben beenden möchte, kann einen Antrag auf das tödliche Medikament Natrium-Pentobarbital beim BfArM stellen. Für viele Betroffene ist es der einzige Weg an das Mittel zu gelangen: Die Kläger im Prozess hatten etwa angegeben, keinen Arzt oder Apotheker zu finden, der ihnen das Medikament verschreibt. Bislang wurde von den eingereichten Anträgen beim BfArM keiner bewilligt.
Wieso wurden bisherige Anträge auf das Medikament abgelehnt?
Der frühere Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts einen sogenannten „Nichtanwendungserlass“ veranlasst. Demzufolge sollen sämtliche Anträge beim BfArM pauschal abgelehnt werden. Spahn berief sich auf das damals noch ausstehende Urteil des Bundesverfassungsgerichts – das wolle er noch abwarten. Eine neue gesetzliche Regelung hat er auch nach dem Entschluss des Bundesverfassungsgerichts bis zu seinem Ausscheiden aus dem Amt nicht getroffen. Die neue Regierung will nun wieder Bewegung in die Debatte zur Sterbehilfe bringen, etwa mit einem Gesetzesentwurf, der assistieren Suizid ermöglichen soll.