AnalyseWas der Schulterschluss zwischen Putin und Xi für den Westen bedeutet
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Berlin – Dass Russlands Staatschef und der chinesische Amtskollege auf einer Welle schwimmen, hatte sich schon im Dezember gezeigt. Da wurde eine Videoschalte zwischen Wladimir Putin und Xi Jinping im russischen Fernsehen übertragen. Die Beziehungen seien beispielhaft für eine Kooperation von Staaten im 21. Jahrhundert, ließ Putin seine Bürger wissen.
China und Russland mit gemeinsamen Zielen
Seit Jahren nähern sich China und Russland einander wirtschaftlich an und verfolgen auch gemeinsame politische Ziele. Soeben erst hat Moskau mit Peking versucht, öffentliche Beratungen des UN-Sicherheitsrats zur Ukraine-Krise zu verhindern. Um seinen Energiehunger stillen zu können, hat China einen Liefervertrag für russisches Gas im Wert von 400 Milliarden Dollar vereinbart.
„Ein neues Modell der Zusammenarbeit hat sich zwischen unseren Ländern entwickelt, basierend auf Prinzipien wie der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten“, so Putin. Man sei entschlossen, den Respekt für die Interessen des jeweils anderen zu achten und die gemeinsame Grenze „zu einer Zone ewigen Friedens und Nachbarschaftlichkeit zu machen“.
China und Russland: Kräftebündeln gegen den Westen?
Parallel haben sich die Beziehungen zum Westen stetig verschlechtert. Denn in noch einem sind sich die beiden Reiche einig: in der Ablehnung offener und liberaler Gesellschaften. Bündeln hier zwei Mächte mittelfristig ihre Kräfte gegen den Westen? Und können Europa und die USA mehr tun, als zuzuschauen?
Einer, der darauf antworten kann, ist Hanns W. Maull, Politikwissenschaftler beim Mercator Institute for China Studies. „Die öffentlich zelebrierte Partnerschaft ist ein Zweckbündnis, mit dem beide Seiten die Dominanz des Westens reduzieren wollen. Die Olympischen Spiele liefern für die Inszenierung der Partnerschaft den passenden Hintergrund“, sagt Maull mit Blick auf den heutigen Xi-Putin-Gipfel. Das gemeinsame Interesse bestehe vor allem darin, Europa und die USA zu schwächen.
Ähnlich sieht das Reinhard Bütikofer, Vorsitzender der EU-China-Delegation im Europäischen Parlament. Zwar sei das Ausmaß, in dem Russland und China ihre Kräfte bündeln, noch nicht absehbar. „Aber beide Länder haben sich entschieden, dass sie sich nicht mit einer von den USA, Europa und ihren Verbündeten dominierten Welt abfinden wollen.“
Was kann der Westen dem entgegensetzen?
Und was haben die Riesenreiche konkret von ihrem Schulterschluss? „Die Kommunistische Partei Chinas sieht die Volksrepublik auf ihrem Weg zur Weltmacht von den USA sabotiert. Da kommt Russland als anti-westlicher Verbündeter gelegen“, erläutert Maull. Russland wiederum brauche die Volksrepublik als Absatzmarkt für seine Erdgasvorkommen.
Kreml verbietet Deutsche Welle
Russland hat der Deutschen Welle, dem Auslandssender der Bundesrepublik, ein Sendeverbot erteilt. Zudem verfügte das Außenministerium am Donnerstag die Schließung des Korrespondentenbüros in Moskau und den Entzug der Akkreditierungen der Journalisten. Damit reagierte Russland auf ein Sendeverbot für das deutschsprachige Programm seines Staatssenders RT DE vom Mittwoch. Als Grund führte die deutsche Medienaufsicht das Fehlen einer Sendelizenz an. Der Kreml sprach dagegen von einem Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit. „Das ist nichts anderes als ein Anschlag auf die Freiheit des Wortes“, so Sprecher Dmitri Peskow. Kritiker werfen RT Kremlpropaganda und Desinformation vor. (dpa)
Wird der Westen dem Schulterschluss im Osten etwas entgegensetzen können? „Einen Keil zwischen Moskau und Peking treiben zu wollen wird nicht funktionieren“, sagt China-Experte Maull. „Der Westen sollte zunächst seine innere Geschlossenheit und seine eigene demokratische Anziehungskraft stärken. Zweitens sollte der Westen sein Abschreckungspotenzial steigern, um militärische Übergriffe riskant und kostspielig zu machen“, so der Politologe.
Grünen-Politiker Bütikofer glaubt nicht, dass Europa den Wettstreit bereits verloren hat. „Die EU fängt gerade erst an, den Systemwettbewerb mit China ernst zu nehmen“, sagt er. Tatsächlich sei China „nicht so stark, wie es scheint“. Dass die Machthaber in Moskau und Peking vor Europa zittern, ist bislang jedoch nicht überliefert.
Tatsächlich scheint offen zu sein, ob die chinesisch-russische Partnerschaft tatsächlich von Dauer ist. Darüber, wie die neue Weltordnung aussehen sollte, gehen die Meinungen in Moskau und Peking auseinander. „Moskau hat längst nicht die Kapazitäten, um mit der technologischen und industriellen Modernisierung Chinas mitzuhalten“, sagt Maull. Er ist sicher: „Russland wird sich langfristig mit der Rolle als Juniorpartner Chinas zufriedengeben müssen.“