Seine Patienten sind Sportstars, Hollywood-Größen oder Staatsoberhäupter. Seit 50 Jahren vertrauen Patienten wie sie ihre Gesundheit Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt an. Der Bayern-Doc über seine Art der medizinischen Behandlung, über seine Karriere - und über Franz Beckenbauer.
Langjähriger Bayern-DocMüller-Wohlfart, die Disziplin und die sehenden Hände
Was hat Sie dazu bewegt, in diesem Jahr Athleten bei den Olympischen Spielen in Paris zu behandeln?
Unabhängig voneinander hatte mich eine Vielzahl von Sportlern gefragt, ob ich nach Paris käme. Ich habe dann bereits im Februar recherchiert, ob es in Paris überhaupt für gute zwei Wochen noch Platzkapazitäten gäbe, auch zur Unterbringung meiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Ich wollte mir meinen Herzenswunsch erfüllen. Die voraussichtlichen Gesamtkosten dafür fielen unerwartet hoch aus. Durch einen Zufall hörte der Adidas-Vorstandsvorsitzende Bjørn Gulden von meinen Plänen und half mir. Adidas hatte bereits Hotelzimmer gebucht und ein Parkhaus in ein wunderbares Begegnungszentrum umgebaut. Dort bekamen wir einen Behandlungsraum zur Verfügung gestellt, sodass wir sehr vielen Sportlerinnen und Sportlern vor Ort helfen konnten. Es machte die Runde. „Der Doc ist da.“
Wo waren Sie in letzter Zeit beruflich unterwegs?
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Unter anderem in Paris, kurzfristig in Italien, San Francisco, Los Angeles, Las Vegas, Abu Dhabi und Doha.
Sein Vater war gegen das Medizinstudium
Wie halten Sie das mit 82 Jahren durch?
Letztendlich läuft alles auf Disziplin hinaus. Das war bei uns zu Hause immer das große Thema. Und wenn ich in der Nacht sechs bis sieben Stunden schlafen kann und so oft wie möglich die von mir entwickelte Power-Infusion bekomme, dann fühle ich mich gut und leistungsfähig. Übrigens als ich früher meinem Vater sagte, ich wolle Arzt werden, war er strikt dagegen. Er hatte schlechte Erfahrungen mit Ärzten gemacht, er fand, sie würden sich wie „Halbgötter in Weiß“ benehmen und ich bekam von ihm zum Studium keinen Pfennig. So ging ich freiwillig zur Bundeswehr, um Offizier zu werden und dann nach dem Ausscheiden aus dem Dienst eine Abfindung zu bekommen. Sie war die Basis zur Finanzierung meines Studiums in Kiel, Innsbruck und Berlin. Noch während meiner Facharztausbildung bei Prof. Hofmeister im RVK in Berlin wurde ich Mannschaftsarzt bei Hertha BSC. Im zweiten Jahr wurde der FC Bayern auf mich aufmerksam und lud mich in die Säbener Straße ein.
Wer war der erste Top-Sportler, den Sie individuell betreut haben?
Das war der französische Tennisspieler Yannick Noah, damals Nummer Zwei in der Weltrangliste und ein Held in Frankreich, er hatte chronische Achillessehnen-Beschwerden. Ich konnte ihm helfen. Das sprach sich in der internationalen Sport-Szene herum. In Paris konnte ich während der Olympischen Spiele nur zum 100-Meter-Finale der Männer gehen, ich fand darüber hinaus leider keine Zeit, weitere Wettkämpfe zu erleben. Und wer sitzt im Stadion zufällig hinter mir und tippt mir auf die Schulter? Yannick Noah war immer noch so dankbar, dass ich ihm damals nachhaltig helfen konnte.
Wie kann man mit den Händen sehen?
Sie sind berühmt dafür, dass Sie heilende Hände haben, Sie haben auch ein Buch geschrieben mit dem Titel „Mit den Händen sehen“ …
Nationale und internationale Sportler aus vielen Disziplinen sagen: „Was Du kannst, kann bei uns keiner.“ Ich verlasse mich nicht auf die Kernspintomografie, ich suche die Schwachstellen und Verletzungen mit meinen Händen. Die Diagnosen sind praxisnah, die theoretische Kernspindiagnose ist grade bei Muskelverletzungen oft falsch. Zudem vertraue ich auf die Homöopathie und die biologische Medizin, dafür wurde ich über Jahrzehnte belächelt oder gar verunglimpft. Das hat sich aber kolossal geändert.
Wie hat sich aus Ihrer Sicht in den letzten Jahren die Medizin entwickelt?
Als ich mit meiner ärztlichen Tätigkeit begann, gab es weder eine Ultraschalluntersuchungstechnik in der Orthopädie noch die Kernspintomografie, ich war also auf meine Hände angewiesen. Und ich meine, wenn man zum Beispiel einmal einen Muskelfaserriss ertastet und die Eindrücke und den Befund im Gedächtnis gespeichert hat und wieder abrufen kann, dann hat man einen großen Schritt in die richtige Richtung gemacht. In der Sportmedizin sehe ich keine wirklichen Fortschritte.
Es fehlt die klinisch praktische Ausbildung und es fehlt die Zeit, Erfahrungen zu sammeln und das notwendige Selbstvertrauen zu entwickeln. Junge Ärzte haben oft nicht die Stärke, ihren Händen zu vertrauen. Sie setzen meistens auf die Kernspinuntersuchung und geben die Verantwortung gerne an die Technik ab. Wenn aber ein Spieler auf dem Spielfeld zum Beispiel wegen einer Muskelverletzung zu Boden geht, muss der Mannschaftsarzt im Grunde in wenigen Augenblicken eine Diagnose stellen können. Oder spätestens in der Kabine, um dem Trainer und Verein eine Diagnose mitzuteilen, die dann auch Bestand hat. Allzu oft heißt es stattdessen: Muskelprobleme.
Sind Sie jetzt in einem Alter, da man sich zur Ruhe setzen könnte?
Ja, schon, aber daran kann ich nicht denken. Der Beruf ist meine Erfüllung, er übt eine Faszination auf mich aus. Viele meiner Patienten sind eine Herausforderung, sie kommen oft von weit her, haben alles probiert, nichts hat funktioniert. Ich trage also eine hohe Verantwortung und muss die enorme Erwartungshaltung der Patienten erfüllen. Das spornt meinen Ehrgeiz an. Eine ganz besondere Aufgabe stellt die Behandlung der Migränepatienten dar. Mit den über Jahrzehnte gesammelten Erfahrungen in der Wirbelsäulen-Behandlung habe ich schließlich eine Therapie entwickelt, mit der ich den Migräneschmerz ohne Schmerzmittel beseitigen kann.
Waren Sie schon einmal in einer Situation, da Sie dachten, „jetzt wird es aber eng“?
Franz Beckenbauer war mit der Nationalmannschaft am Comer See in Italien und wollte mich unbedingt auch zur Nationalmannschaft holen, DFB-Präsident Neuberger sagte aber, „entweder Nationalmannschaft oder Bayern München.“ Franz meinte dann mit einem Augenzwinkern: „Mull, lass’ ihn reden. Wenn wir Dich brauchen, geb’ ich Bescheid und Du kommst an den Comer See.“ Der clevere Franz hat immer diesen Optimismus, diese Schläue, diese Lässigkeit, „das klappt schon“ verkörpert. Und es klappte halt.