AboAbonnieren

InterviewWas Laien über Woelkis Auszeit und die Lage im Erzbistum Köln denken

Lesezeit 6 Minuten
nab210924_PK_Woelki_02

Kardinal Woelki 

  1. Der Kardinal nimmt eine Auszeit – wie geht es jetzt weiter?
  2. Raimund Neuß sprach mit Bettina Heinrichs-Müller, stellvertretende Vorsitzende des Kölner Diözesanrats der Katholiken.

KölnKardinal Woelki will nach seiner Auszeit auf jeden Fall ins Amt zurückkehren. Ist jetzt alles klar?

Entscheidender ist, dass das Erzbistum jetzt auf offizieller Ebene in einem Modus kompletten Stillstands ist. Keines der Probleme ist gelöst. Wichtige Entscheidungen der Pastoral, Verwaltung und Finanzen liegen auf Eis. Grundlegende Fragen sind ungeklärt: Wie geht es während und nach der Auszeit des Kardinals weiter? Was bedeutet die Entscheidung des Heiligen Vaters für die moralische Ebene des strukturellen Missbrauchs? Wer übernimmt Verantwortung, stark zerbrochenes Vertrauen Stück für Stück wieder aufzubauen, wenn das überhaupt noch möglich ist. Muss auch der Generalvikar eine Auszeit nehmen? Wie geht es während und nach der Auszeit des Kardinals weiter?

Wie sollte er seine Auszeit nutzen?

Wir wünschen Kardinal Woelki alles Gute für seine Auszeit.

Aber glauben Sie, dass er etwas grundlegend ändert?

Was wird Kardinal Woelki ändern wollen, ändern können? In Jahrzehnten hat sich in Köln ein System etabliert, das Veränderungen von oben her unmöglich macht. Deshalb ist aufgeschoben nicht aufgehoben.

Woelki zur Rückkehr entschlossen.

Nach der Auszeit, die der Papst im gewährt hat, will Rainer Kardinal Maria Woelki sein Arbeit als Kölner Erzbischof fortsetzen. Dazu ist er fest entschlossen, wie er in seiner wöchentlichen Videobotschaft deutlich machte: „Dann werde ich nämlich wieder meinen Dienst mit voller Kraft aufnehmen, um gemeinsam mit Ihnen an der Zukunft unserer Kölner Kirche zu arbeiten“, sagte er auf dem Internetportal domradio.de. „Darauf freue ich mich schon jetzt.“

Zum Umgang mit Fällen sexualisierter Gewalt äußerte Woelki: „Gegenwärtig scheint mir die Aufarbeitung in unserem Bistum auf einem guten Weg zu sein.“ Das sehe auch der Papst so. Zudem habe er in den vergangenen Wochen viele Gespräche „für eine verbesserte Kommunikation“ geführt, die nun „erste Früchte“ trügen. Während der Auszeit wolle er „unter anderem über das zukünftige Miteinander hier im Bistum nachdenken und auch darüber beten“.

Am Sonntagmorgen zelebrierte Woelki wie geplant das Hochamt zum Jahrestag der Weihe des Kölner Doms im Rahmen der Dreikönigenwallfahrt. Woelki kritisierte die „lieblose und aggressive Art, in der manche Konflikte unter uns ausgetragen werden“. Fronten zwischen der vermeintlichen Amtskirche und den Gläubigen seien „künstlich aufgebaut“. Selbstverständlich gebe es Meinungsverschiedenheiten, aber: „Ohne die Einheit im Glauben zerfällt die kirchliche Gemeinschaft.“ (kna/rn)

Um deutliche Veränderungen kommt das Erzbistum nicht herum, um Missbrauchsstrukturen zu durchtrennen. Sie braucht es, Vertrauen herzustellen. So dass die Botschaft Jesu wieder unverfälscht zu Tage tritt und als Kompass bei existenziellen Fragen wahrgenommen wird. Die Kirche lebt von unten. Die Hoffnung liegt beim Kirchenvolk. Alle Gläubigen haben mit der Taufe „eine wahre Gleichheit in ihrer Würde und Tätigkeit“. Sie haben am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Jesu Christi teil, wie es im kirchlichen Gesetzbuch heißt. Dies muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! Eine grundlegende Änderung kann nur von den Gläubigen, aus den Pfarrgemeinden, Verbänden, Institutionen herauskommen, gelebt und eingefordert werden.

Der Papst hat erklärt, er zähle auf Woelki – gerade wegen seiner Sorge um die Einheit der Kirche. Mit dieser Sorge hatte Woelki seine Skepsis gegenüber dem Synodalen Weg begründet. Ist dieses päpstliche Vertrauen also für Reformer eher eine Drohung?

Der Papst hat gegenüber Kardinal Marx, einem Befürworter des Synodalen Wegs, erklärt: mach weiter so, wie Du es vorschlägst, und beließ ihn im Amt. Was heißt „Einheit der Kirche“? Ein monolithischer, unverrückbarer Block der „einen“ Wahrheit oder eine Verkündigung der Botschaft Jesu Christi, die den Menschen zum Heil wird? Tatsache ist doch, dass die Einheit der Kirche schon längst zerbrochen ist, seitdem der massive, systemische, weltweite Missbrauch durch Priester offenbar geworden ist. Dies lässt die Kirche von innen her implodieren, es gibt zahlreiche Konflikte und Konfrontationslinien innerhalb der Kurie und des Klerus. Die Menschen verlassen die Kirche, nicht nur in Köln, in Deutschland, wie gerne behauptet wird, nein weltweit. Uns alle verbindet eine tiefe Verbundenheit mit dem Bistum, sonst wären unsere Sorgen nicht so groß. Wie soll Einheit gelingen, wenn die Menschen ihre Sorgen und Kritik in Köln nicht offen kommunizieren können, sondern Konsequenzen erfahren?

Der Papst lobt die Kölner Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz findet, dieses Lob lasse Betroffene ratlos und verletzt zurück. Wer liegt richtig?

Dies müssen die Betroffenen von sexualisierter Gewalt und Missbrauch entscheiden. Fakt ist, es braucht endlich eine unabhängige staatliche Aufarbeitungskommission. Die Kirche versagt bei konsequenter systematischer Aufklärung und dem Durchbrechen Missbrauch begünstigender Strukturen. Die gesamte Entscheidung aus Rom ist nicht transparent. Der Vatikan arbeitet seit zwanzig Jahren stetig an Kirchenrecht und Normen für Missbrauchsverfahren. Nach welchen dieser Rechtsgrundlagen wurden die Kölner Entscheidungen gefällt? Das geht aus der Mitteilung des Heiligen Stuhls nicht hervor. Es werden lediglich der Bericht der Apostolischen Visitatoren und die anschließende Bewertung der Ergebnisse durch die Römische Kurie, auf deren Grundlage ein Entschluss gereift sei, benannt. Es werden Verfahrensmängel festgestellt, eine Vertuschungsabsicht wird verneint. In den juristischen Gutachten liest sich das anders. Das Gercke-Gutachten spricht von systembedingter Vertuschung, von systemisch-institutioneller Nicht-Zuständigkeit und fehlender Sensibilität für das Leid der Opfer. Alle Entscheidungsträger bleiben im Amt. Es gibt keine moralisch-ethische Aufarbeitung von Schuld und Verantwortung.

Das könnte Sie auch interessieren:

Was kann Weihbischof Steinhäuser als Administrator überhaupt tun? Oder bekommen wir ein weiteres halbes Jahr des Stillstandes?

Weihbischof Steinhäuser trägt nun die Verantwortung, eine ordnungsgemäße Verwaltung sicher zu stellen und die Sorge, dass das Erzbistum in einen geistlichen Prozess der Versöhnung und Erneuerung findet. Doch welche Entscheidungsbefugnisse hat er als Apostolischer Administrator sede plena tatsächlich? Wird er die Diözesansynode im Rahmen der Weltbischofssynode organisieren? Auch mit Blick auf eine benannte Rückkehr Woelkis ist davon auszugehen, dass er keine notwendigen wesentlichen Neuerungen umsetzen darf und sinnvoller Weise kann. Völlig schleierhaft, wie unter diesen Bedingungen ein Prozess der Erneuerung in Schwung gebracht werden soll. Denn jede Entscheidung, die jetzt getroffen wird, kann von Kardinal Woelki bei einer Rückkehr wieder gekippt werden. Und an wen richtet sich der Prozess der Versöhnung? An alle Gläubigen? An die von Missbrauch Betroffenen? Doch, wie soll in einem Machtgefälle, hierarchisch verordnet, insbesondere für Betroffene sexualisierter Gewalt Versöhnung gehen? Zudem: Versöhnung ohne Recht und Gerechtigkeit bleibt hohl. In dieser Zeit der Ungewissheit lässt sich kein neues Vertrauen aufbauen.

Weihbischof Schwaderlapp geht für ein Jahr nach Kenia, Weihbischof Puff spendet – offenbar als einziger – einen Teil seines Gehalts für Missbrauchopfer. Was halten Sie von diesen Entscheidungen?

Das lässt sich objektiv wegen der intransparenten Entscheidung nicht bewerten. Letztlich werden nur eine menschwürdige Sexualmoral, Gleichberechtigung, Gewaltenteilung und Parität dazu beitragen, die systemischen Strukturen, die Missbrauch begünstigen, aufzubrechen.