Köln – Seit diesen Freitag hat Weihbischof Rolf Steinhäuser seinen Eintrag in die Geschichtsbücher sicher. Apostolischer Administrator „sede plena“, also bei besetztem Bischofsstuhl, während der Amtszeit des eigentlichen Bischofs: Das ist eine kirchenrechtlich exquisite und im Erzbistum Köln vollkommen ungewohnte Rolle. „Zumindest in der Neuzeit hat es das nicht gegeben“, heißt es beim Erzbistum, und auch der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller spricht von einer historisch seltenen Entscheidung. Vorgekommen ist so etwas in jüngerer Vergangenheit in Limburg, im brasilianischen Formosa und im australischen Broome. In all diesen Fällen mussten die schwer belasteten Bischöfe später gehen, aus dem Administrator „sede plena“ wurde ein Administrator „sede vacante“, bei leerem Stuhl. Und im indischen Großerzbistum Ernakulam-Angamaly. Da durfte der eigentliche Amtsinhaber später weitermachen.
Rolf Steinhäuser verwaltet das Erzbistum Köln vorübergehend
Nun also Köln. Rolf Steinhäuser soll als Apostolischer Administrator „sede plena“ dafür sorgen, dass das Erzbistum Köln ordentlich verwaltet wird und vor allem „in einen geistlichen Prozess der Versöhnung und Erneuerung findet“. Steinhäuser ist der einzige der drei Kölner Weihbischöfe, der durch die Affäre um die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt nicht persönlich belastet ist. Der Mann, der das Erzbistum Köln im nächsten halben Jahr führen wird, stammt aus der Domstadt, auch wenn er einen großen Teil seiner geistlichen Laufbahn in Düsseldorf verbracht hat. Steinhäuser, Jahrgang 1952, hat in Bonn und Regensburg studiert – unter anderem bei Josef Ratzinger –, wurde 1977 zum Priester geweiht und war unter anderem Bonner Stadtjugendseelsorger (1984 bis 1989) sowie Diözesanjugendseelsorger (1990 bis 1996), in letzter Funktion zugleich Rektor von Haus Altenberg. Dann die Zeit in Düsseldorf: Pfarrer an St. Lambertus seit 1996, Stadtdechant seit 1997. In all den Jahren zeigte sich Steinhäuser – Markenzeichen: Bart und wilde Haarpracht – als freundlicher Geistlicher, kein Mann der scharfen Töne und der Abgrenzung. 2006 wurde Steinhäuser zusätzlich nicht residierender Domkapitular in Köln und konnte damit an der Wahl von Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki (2014) teilnehmen.
Die Düsseldorfer ließen den populären Stadtdechanten nicht gerne gehen, als Woelki ihn 2015 als Beauftragten für die Neuevangelisierung nach Köln holte. Gleichzeitig wurde Steinhäuser residierender Domkapitular. Und schon am 14. November 2015 ernannte ihn Papst Franziskus zum Weihbischof in Köln, Woelki spendete ihm am 10. Januar 2016 die Bischofsweihe.
Steinhäuser ist für den Pastoralbezirk Mitte zuständig
Weih- oder Auxiliarbischöfe sind in der katholischen und in der anglikanischen Kirche vollgültig geweihte Bischöfe, die aber selbst keine Diözese leiten, sondern einen Diözesanbischof unterstützen. Insbesondere besuchen sie in seinem Auftrag die Pfarrgemeinden und spenden das Sakrament der Firmung. Steinhäuser ist für den Pastoralbezirk Mitte zuständig, also für die Städte Köln und Leverkusen sowie den Rhein-Erft-Kreis.
Dieser Weihbischof übernimmt nun ab Mitte Oktober vorübergehend die Leitung der Erzdiözese. Seine genauen Aufgaben werden durch ein päpstliches Dekret umschrieben, das Anfang kommender Woche erwartet wird. Zudem steht nicht einmal fest, wann genau Steinhäuser seine neue Funktion antritt. Als Apostolischer Administrator ist er jedenfalls unmittelbar vom Heiligen Stuhl eingesetzt und erhält seine Anweisungen von der Bischofskongregation in Rom.
Wann Administratoren eingesetzt werden
Das ist eine andere Rolle als die des Diözesanadministrators, der beispielsweise in der Zeit zwischen Rücktritt oder Tod und Neuwahl eines Bischofs (der Sedisvakanz) die Geschäfte führt, dabei aber keine wesentlichen Strukturveränderungen vornehmen darf. So etwas kommt regelmäßig vor, in Köln zuletzt nach der Emeritierung von Joachim Kardinal Meisner 2014. Das Domkapitel wählte Meisners Generalvikar Stefan Heße – ja, den, der später als Hamburger Erzbischof wegen seiner Kölner Vergangenheit in die Schlagzeilen geriet – zum Diözesanadministrator. Und nach Heßes Rücktrittsangebot in Hamburg übernahm dessen Generalvikar Ansgar Thim in Hamburg kommissarisch die Leitungsaufgaben – wiederum als Diözesanadministrator. Eben nicht als vom Papst unmittelbar bestellter „Apostolischer Administrator“ wie Steinhäuser.
Das katholische Kirchenrecht sieht die Ernennung Apostolischer Administratoren unter anderem vor, wenn der Amtsinhaber an der Erfüllung seiner Aufgaben gehindert ist. Beispiele sind „Gefangenschaft, Ausweisung, Exil oder Unfähigkeit“. Sobald Steinhäuser sein neues Amt antritt, ruht die Jurisdiktionsgewalt von Woelki und seinem Generalvikar Markus Hofmann. Der Zusatz „sede plena“ schränkt die Kompetenzen Steinhäusers allerdings ein: Er dürfte, selbst wenn er es wollte, nicht gegen die bisherige Amtsführung vorgehen und keine juristischen Maßnahmen gegen Woelki und Hofmann ergreifen. Das ist allerdings ohnehin wohl reine Theorie.
In Deutschland ist der Begriff des Apostolischen Administrators noch in anderem Zusammenhang bekannt: So hießen Geistliche, die faktisch wie Diözesanbischöfe Teile meist westdeutscher Diözesen auf dem Boden der DDR leiteten. Etwa in Erfurt (Teile der Diözesen Würzburg und Fulda) oder Görlitz (Teil des nun polnischen Erzbistums Breslau). Der Vatikan wollte die Bistumsgrenzen selbst nicht ändern, um die deutsche Teilung nicht anzuerkennen. Heute sind die ehemaligen Administraturen meist normale Bistümer, Ausnahme: Schwerin gehört nun zum Erzbistum Hamburg.