- Er gilt als scharfsinnig, streitbar und konservativ: Kardinal Gerhard Ludwig Müller.
- Mit Benjamin Lassiwe sprach er über sein Buch „Was ist katholisch?“ und die aktuelle Situation der Kirche.
Warum braucht es ein Buch, das erklärt, was katholisch ist?
Es ist interessant und wichtig, bei Gelegenheit eine Bestandsaufnahme zu machen. Für unsere Zeit ging es mir darum, die wesentlichen Elemente des Katholischen herauszuarbeiten. Was die Hauptelemente unseres Glaubens sind, wie angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen des Säkularismus oder des Atheismus und auch einer Kultur ohne jeden Bezug auf Gott das Katholische herausgestellt werden kann. Schließlich ist das Katholische ein wesentliches Element des Glaubensbekenntnisses, wenn wir dort bekennen: „Ich glaube an die heilige katholische Kirche.“ Da ist es für den heutigen Leser vielleicht auch interessant, was das Wesentliche des Prädikates Katholisch objektiv ist und wer berechtigt ist, es formal zu definieren.
Können Sie das in wenigen Sätzen zusammenfassen?
Die katholische Kirche versteht sich als Zeichen und Werkzeug, als Sakrament für das Heil der Welt in Jesus Christus. Das Wesentliche ist die Verkündigung und Bezeugung der Offenbarung, das heißt der Lehre Christi und der Apostel, ihre Darstellung und Vergegenwärtigung in der Glaubensverkündigung, das Leben in den Sakramenten und die Lebensform der Nachfolge Christi. Das sind die Hauptelemente, die das Katholisch-Sein ausmachen.
Zur Person
Kardinal Gerhard Ludwig Müller war Bischof von Regensburg (2002-2012) und Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre (2012-2017). Der 73-Jährige ist einer der wichtigsten Vertreter einer konservativen Linie in der katholischen Kirche. (benl)
In Ihrem neuen Buch üben Sie auch Kritik am sogenannten „Synodalen Weg“ in Deutschland. Warum?
Der „Synodale Weg“ sollte eine gemeinsame Anstrengung der Kirche sein, um bestimmte Herausforderungen zu bewältigen. Er will die Kirche in einer pluralistischen Gesellschaft intellektuell und spirituell positionieren. Es geht nicht darum, das Vorhaben als solches in Frage zu stellen, sondern bestimmte Punkte zu benennen, die im krassen Widerspruch zum definierten Glaubensbekenntnis der katholischen Kirche stehen. Der Versuch, mit einer häretischen und schismatischen Agenda auf die Missbrauchskrise zu reagieren, ist zum Scheitern verurteilt. Bei einer falschen Diagnose verschlimmert auch eine gut gemeinte Therapie die Krise.
Wie bewerten Sie die Vorgänge im Erzbistum Köln?
Ich beobachte die Situation dort nur aus der Ferne und weiß über viele Details nicht Bescheid. Aber so viel ist doch ersichtlich: Es geht hier nicht primär um die Aufarbeitung schlimmer Vorgänge aus der Vergangenheit. Es geht um ihre Instrumentalisierung, um gegen Kardinal Woelki als Kritiker der Einseitigkeiten des „Synodalen Wegs“ vorzugehen. Denn die Konsequenzen, die man von ihm fordert, werden von anderen Verantwortungsträgern in vergleichbarer Situation nicht verlangt.
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Es geht ganz offensichtlich nicht zentral um die Gerechtigkeit für die Opfer oder die Verantwortungsübernahme für persönliche Versäumnisse, es stehen andere Ziele im Mittelpunkt. Man sollte vielmehr gemeinsam überlegen, was in der Vergangenheit falsch lief und warum und vor allem was wir aus den Fehlern für die Prävention daraus lernen können, damit uns die Fernstehenden nicht den Spruch der Heiden über die Christen im alten Rom zynisch um die Ohren schlagen: „Seht, wie sie einander lieben.“ (Tertullian, Apologeticum 39).
Und wie interpretieren Sie das Rücktrittsangebot von Kardinal Reinhard Marx?
Wenn es wirklich ernst gemeint war: Warum wurde das Ergebnis nicht einfach bekanntgegeben? Warum wird die ganze Welt durch die Veröffentlichung des Briefwechsels in den Vorgang mit einbezogen und zur Stellungnahme pro und contra genötigt? Ein solcher Austausch von Papst- und Bischofsbriefen war und ist für die Kirche interessant, wenn es um Glaubensfragen geht, nicht um persönliche Befindlichkeiten und politische Manöver. Wenn sich der Münchner Erzbischof voll auf das Seelenheil der ihm anvertrauten Katholiken konzentrieren will, dann wäre eine spürbare Entlastung in Rom angezeigt. Ich finde es sowieso falsch, wenn Kardinäle und Bischöfe die Hauptverantwortung für die Finanzen des Vatikans übernehmen. Hier sollten endlich qualifizierte Fachleute, die aber die Kirche als Stiftung Christi von einem weltlichen Unternehmen unterscheiden können, ans Ruder kommen.