AboAbonnieren

Interview„Das Vertrauen zwischen Erzbischof und Gläubigen ist erschüttert“

Lesezeit 5 Minuten
Woelki von hinten

Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln

  1. Das Erzbistum Köln und seine Zukunft: Bettina Heinrichs-Müller, stellvertretende Vorsitzende des Diözesanrats der Katholiken, nimmt Stellung.
  2. Mit ihr sprach Raimund Neuß.

Am letzten Wochenende hat der Diözesan-Pastoralrat getagt, und hernach sprach der Bonner Stadtdechant Wolfgang Picken von einem weißen Elefanten im Raum: der Frage nach dem Vertrauen in den Erzbischof. Wie ist es darum bestellt?

Es ist ganz offensichtlich, dass das Vertrauen zwischen dem Erzbischof von Köln und den engagierten Gläubigen stark erschüttert ist. Es muss sich grundlegend etwas ändern, ansonsten blockiert sich unser Bistum vollständig.

Kardinal Rainer Maria Woelki hat zum Auftakt der Versammlung erneut Fehler eingeräumt, diesmal im Fall des Düsseldorfer Pfarrers D. Hat Sie das überzeugt?

Wichtig ist, dass Kardinal Woelki diesen Fehler jetzt endlich deutlich ausgesprochen hat und dafür die volle Verantwortung übernehmen möchte. Zur Übernahme von Verantwortung gehören jedoch auch Konsequenzen und Veränderungen für die Zukunft. Der Kardinal muss sich hinterfragen, wie es zu einer solchen Entscheidung kommen konnte. Die Ankündigung, Verantwortung zu übernehmen, darf keine leeren Worthülsen bleiben.

Zur Person

Bettina Heinrichs-Müller_Diözesanrat Köln

Bettina Heinrichs-Müller

Bettina Heinrichs-Müller ist Diplom-Theologien und stellvertretende Vorsitzende des Diözesanrats der Katholiken. Hauptberuflich leitet sie die Pressestelle des Rhein-Sieg-Kreises. (rn)

Das Erzbistum Köln hat ein umfassendes Gutachten zum Umgang mit Missbrauchsfällen vorgelegt, nicht jedes Bistum ist so weit. Warum steht Köln so viel mehr im Fokus als Trier, Osnabrück, München?

Das stimmt: Es gibt sogar zwei Gutachten, das offiziell vom Erzbistum vorgestellte juristische Gercke-Gutachten und das für kurze Zeit einsehbare Gutachten der Kanzlei Westpfahl, Spilker, Wastl. Das Dilemma begründet sich in der völlig misslungenen Absetzung der Veröffentlichung des WSW-Gutachtens mit der Beauftragung des neuen Gercke-Gutachtens, im Umgang mit dem damaligen Betroffenenbeirat und in der katastrophalen Kommunikation. Das Erzbistum gibt Unsummen für PR und rechtliche Berater aus. Doch das Eingeständnis moralischen und systemischen Versagens lässt sich nicht durch PR ersetzen.

Es zeigt sich, dass der systemisch-moralische Aufarbeitungsprozess vollständig und wirksam nur interdisziplinär und von außen her, durch eine unabhängige Kommission, vorangetrieben werden kann. Dabei geht es auch ganz elementar um die Glaubwürdigkeit und damit um die Zukunft der katholischen Kirche. In Köln haben das Unter-Verschluss-Halten des Münchener Gutachtens, die Salamitaktik bei der Missbrauchsaufarbeitung und auch der Umstand, dass nicht ganz klar und deutlich gesagt wurde, dass Personen in verantwortungsvoller Leitungsposition durch ihr Handeln an entscheidender Stelle auch Schuld und moralisches Versagen auf sich geladen haben, wesentlich dazu beigetragen, dass die Menschen die Kirche in Scharen verlassen.

Diözesanrat

71 Mitglieder zählt die Vollversammlung des Diözesanrats der Katholiken. Der meisten sind Laienvertreter aus Dekanatsräten und Verbänden. Vorsitzender ist de Solinger OB Tim Kurzbach (SPD). Der Rat stellt zehn Mitglieder (von 75) in Diözesanpastoralrat, dem obersten Beratungsgremium des Erzbischofs. (rn)

In der öffentlichen Auseinandersetzung kommt die Diskussion oft so rüber, als gehe es nur um die Missbrauchsthematik. Geht es nur um die – oder um welche Punkte noch?

Die Missbrauchsthematik ist das große und wichtige Thema, welches uns immer noch fassungslos zurücklässt. Hinzu kommt die Handhabung des Pastoralen Zukunftswegs. Beides passt nicht übereinander. Dazu kommt, dass Kirche sich die Frage stellen muss, ob sie Antithese zur Lebenswirklichkeit der Menschen sein möchte oder ob sie ihnen offen begegnet. Dies zeigt sich zum Beispiel in der Frage der Rolle der Frau oder in der aktuellen Diskussion um das Segnungsverbot gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften. Viele engagierte Gläubige treiben solche Themen um. Wie kann Kirche ihren Absolutheitsanspruch mit all den individuellen Sehnsüchten der Menschen verbinden? Die Frage ist in der Diskussion elementar.

Großflächige Zusammenlegungen von Gemeinden gibt es auch anderswo. Und auch andere Bischöfe werden nicht nächstes Jahr die ersten Diakoninnen weihen. Was machen sie trotzdem besser?

Ein Bischof muss bei den Menschen sein, darf sich nicht zurückziehen und nur unter Gleichgesinnten bleiben. Der offene Austausch mit den Gläubigen in ihrer ganzen Vielfalt, das ist enorm wichtig, um ein guter Hirte zu sein und ein Bistum authentisch und ehrlich zu führen. Kirche ist immer im Wandel, der Heilige Geist wirkt unter uns und macht uns neu. Und dabei ist natürlich klar – einfach, weil die Kirche den Gläubigen auch wirklich wichtig ist, weil sie für die Menschen Heimat ist –, dass die Diskussion mit Leidenschaft und auch manchmal emotional geführt wird. Und in diesem gemeinsamen Ringen um die Zukunft des Bistums und der Kirche ist es wichtig, dass der Bischof die Lebenswirklichkeit der Menschen kennt und bei ihnen ist.

Das könnte Sie auch interessieren:

Wie könnte ein Pastoraler Zukunftsweg aussehen, auf dem Sie mitgehen könnten?

Er muss gleichberechtigt und auf Augenhöhe stattfinden, er muss die engagierten Gläubigen wirklich Verantwortung übertragen und muss ehrlich sein. Es muss um echte Erneuerung gehen und dazu führen, dass unser Bistum wiederbelebt wird.

Und welche Lösungen wären bei den Streitthemen des Synodalen Weges denkbar, etwa bei Weiheämtern für Frauen? Woelki hat vor dramatischen Folgen gewarnt, wenn man sich in Gegensatz zum Lehramt setze.

Persönlich bin ich davon überzeugt, dass es die Öffnung der Weiheämter für Frauen braucht. Auch das ist eine Frage, um die wir gemeinsam ringen müssen, im Vertrauen darauf, dass wir richtig geleitet werden. Der Heilige Vater hat einen Prozess begonnen, alle Gläubigen weltweit in die Beantwortung dieser Fragen einzubinden, die Chance der Weltsynode werden wir nutzen.

Die Gespräche der Visitatoren fanden vertraulich statt, der Bericht bleibt geheim, was kann das überhaupt bringen?

Zwei Männer haben es jetzt in der Hand, einen Neuanfang zu ermöglichen: Papst Franziskus und Kardinal Woelki selbst. Der Ball liegt jetzt erst einmal in Rom. Wir haben die Visitatoren als sehr interessiert und sehr offen erlebt. Jetzt bleibt abzuwarten, wie Papst Franziskus entscheidet und welche Konsequenzen seine Entscheidung für das Erzbistum Köln haben.

Papst Franziskus lässt Kardinal Marx im Amt, ganz unabhängig davon, was die Untersuchungen in München und Trier ergeben mögen. Kann er Woelki da anders behandeln?

Die Situation von Kardinal Marx und Kardinal Woelki, die Situation in München und Köln sind nicht vergleichbar. In Köln haben wir die Situation, dass der Bischof und die Gläubigen sich sehr weit voneinander entfernt haben und die Ankündigung von Verantwortlichen, in der Bistumsleitung auch Verantwortung zu übernehmen, nur Floskeln bleiben. Ich bin mir sicher, dass der Papst durch die Visitation nun einen umfassenden Eindruck der Situation im Erzbistum Köln hat und auf dieser Grundlage entscheiden kann.