Berlin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der 16 Länder haben sich am Mittwoch auf neue drastische Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie geeinigt. Sie sollen bundesweit einheitlich bereits ab dem 2. November gelten und zunächst bis Ende des Monats befristet sein. Betroffene Branchen wie die Gastronomie sowie Oppositionspolitiker reagierten mit harscher Kritik.
Der gemeinsame Aufenthalt in der Öffentlichkeit ist in dieser Zeit nur noch höchstens zehn Angehörigen des eigenen und eines weiteren Hausstands gestattet. Verstöße gegen diese Kontaktbeschränkungen sollen konsequent bestraft werden. Gastronomiebetriebe wie Bars, Clubs und Restaurants sowie Theater, Opern und Kinos werden ebenso geschlossen wie Bordelle, Schwimmhallen und Fitnesstudios. Schulen und Kitas bleiben offen ebenso wie Groß- und Einzelhandel.
Zahl der belegten Intensivbetten verdoppelt sich täglich
Bund und Länder reagieren damit auf den jüngsten starken Anstieg der Zahl der Corona-Neuinfektionen. Das Robert-Koch-Institut meldete am Mittwoch 14.964 neue Ansteckungsfälle binnen 24 Stunden. Die Regierung zeigte sich besorgt darüber, dass innerhalb eines Tages 85 Menschen im Zusammenhang mit Corona starben. Dies ist ein deutlicher Anstieg gegenüber den vergangenen Tagen.
Eine Regierungssprecherin verwies darauf, dass sich derzeit die Zahl der belegten Intensivbetten alle zehn Tage verdoppele. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und andere Spitzenpolitiker erklärten, der zweite Lockdown in diesem Jahr sei nötig, um die Überlastung der Krankenhäuser mit Intensivpatienten zu vermeiden. Die Börsen reagierten mit einem Kurssturz auf die Beschlüsse.
Spahn: zweiter Lockdown ist nötig
Von der Schließung der Gastronomiebetriebe sollen lediglich die Lieferung und Abholung von Speisen für den Verzehr zu Hause ausgenommen sein, auch Kantinen sollen offen bleiben. Kosmetikstudios, Massagepraxen und Tattoo-Studios werden geschlossen. Medizinisch notwendige Behandlungen etwa beim Physiotherapeuten sind aber weiter möglich.
Friseure bleiben dagegen geöffnet. Profisport soll nur noch ohne Zuschauer stattfinden. Die Bürger werden zudem aufgefordert, auf private Reisen auch im Inland sowie auf Besuche bei Verwandten zu verzichten. Touristische Übernachtungen im November werden untersagt.
Entschädigung für Gastronomie und Veranstaltungsbrache
Firmen, die besonders von den neuen Corona-Regeln betroffen sind wie etwa Gastronomiebetriebe und die Veranstaltungswirtschaft, sollen große Teile ihres Umsatzausfalls vom Bund ersetzt bekommen. Kleinen Betrieben sollen bis zu 75 Prozent ihrer Umsatzausfälle erstattet werden, größeren Betrieben bis zu 70 Prozent. Vergleichsmaßstab sind die Umsätze des Vorjahresmonats, also von November 2019.
Bereits gewährte Zahlungen wie Überbrückungshilfen oder Kurzarbeitergeld sollen von diesen Nothilfen abgezogen werden. Das Geld könnte aus dem Topf für Überbrückungshilfen stammen. Von den dafür vorgesehen 25 Milliarden Euro wurden bislang erst rund zwei Milliarden Euro abgerufen. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wollen die Pläne für die Nothilfe an diesem Donnerstag vorstellen. Die Kosten bezifferte Scholz auf zehn Milliarden Euro für vier Wochen.
Voraussichtlich 120 Milliarden Euro Staatsschulden
Da der Lockdown den Konjunkturaufschwung dämpfen wird, will Altmaier die Wachstumsprognose der Regierung am Freitag voraussichtlich nicht, wie bislang geplant, leicht nach oben korrigieren. Altmaier hatte bisher eine Schrumpfung der Wirtschaftsleistung um 5,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr vorausgesagt.
2021 soll die Wirtschaft dann wieder um 4,4 Prozent wachsen, auch dieser Wert könnte nun nach unten korrigiert werden. Wegen geringerer Steuereinnahmen und zusätzlicher Staatshilfen für die Wirtschaft wird der Bund im kommenden Jahr voraussichtlich 120 Milliarden Euro statt der bislang geplanten 96 Milliarden Euro an neuen Schulden aufnehmen müssen.
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Vertreter von Gastronomie, Tourismus und Veranstaltungswirtschaft kritisierten die Beschlüsse scharf. Sie seien „Bauernopfer“, obwohl nachgewiesen sei, dass die Infektionsherde nicht bei ihnen zu finden seien, sondern eher im privaten Raum, hieß es aus den Branchen.
60 Prozent aller Gastronomiebetriebe seien wegen der Maßnahmen von der Insolvenz bedroht, so der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. Die Veranstalter demonstrierten am Mittwoch in Berlin gegen die Beschränkungen und für mehr staatliche Hilfen. Andernfalls drohe vielen Betrieben die Pleite.