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Kommentar zum LockdownWie die Pandemie die Politik an die Wand spielt

Lesezeit 3 Minuten
merkel corona

Angela Merkel bei einer Pressekonferenz zu neuen Corona-Maßnahmen

  1. Die neuen Einschränkungen sind der verzweifelte Versuch wieder Kontrolle über das Virus zu bekommen.
  2. Klare Konzepte sind jetzt wichtiger als „Es-ist-fünf-vor-12“-Predigen.
  3. Planvolles Regierungshandeln ist erforderlich, kommentiert Chefredakteurin Cordula von Wysocki.

Berlin – Jetzt also doch. Das öffentliche Leben wieder runterfahren, zurück in den Lockdown. Türen zu, und durch. Muss das wirklich sein? Die Entwicklung des Infektionsgeschehens lässt offenbar keine andere Wahl, als mit härterem Kurs gegenzusteuern. Die bisherigen Maßnahmen – von Maskenpflicht bis zum kippeligen Beherbergungsverbot – haben das Virus jedenfalls nicht gebremst. Schon das waren Auflagen unter dem Vorzeichen der Ratlosigkeit.

Was jetzt folgt, gleicht einem Akt der Verzweiflung. Die Pandemie droht, die Politik an die Wand zu spielen. Eine Rückverfolgung der Infektionsketten und damit eine Kontrolle über die Corona-Ausbreitung wird immer schwieriger. Nur jeder dritte positiv Getestete hat eine Ahnung, wo er sich das Virus eingefangen hat. Eine Umzingelung der Infektionsherde ist kaum noch möglich.

Zeichen von Resignation

Letzter verzweifelter Versuch, die Kontrolle zurückzugewinnen: Jeden Anreiz zu sozialen Kontakten vermeiden. Dass so auch Lokale, Theater und Veranstalter mit vorbildlichen Hygienekonzepten in den existenzbedrohenden Lockdown mitgerissen werden, weil es nur noch um flächendeckende Kontaktbeschränkung geht, ist ein Zeichen von Resignation.

Die positive Nachricht ist immerhin, Regierung und Ministerpräsidenten haben sich auf ein gemeinsames, zeitlich begrenztes Paket geeinigt. Aber was ist nach dieser „Wellenbrecher“-Phase? Fröhliche Weihnachten? Und dann gehen die Zahlen wieder hoch? Zurück in den nächsten Lockdown? Auf Sicht gegen die Pandemie zu steuern, war vor einem halben Jahr noch die einzige Möglichkeit. Inzwischen aber – auch mit dem Wissen, dass wir noch lange mit Corona leben müssen – ist planvolles Regierungshandeln erforderlich.

Das heißt: konzentrierte, zielgerichtete Maßnahmen wie etwa ein niedrigschwelliges, umfassendes Testangebot. Ein breit angelegtes Screening könnte helfen, bei steigenden Zahlen den Überblick zu behalten. Dazu gehören auch Schnelltests etwa für Kliniken und Pflegeheime, die den Umgang in den Hochrisiko-Gruppen sicherer machen. Klare Konzepte, die auch langfristig funktionieren, sind jetzt wichtiger als die ständigen „Es-ist-fünf-vor-12“-Predigten mit dem erhobenen Zeigefinger.

Ampelsystem als Alternative?

Nicht zufällig haben gestern, am Tag der Ministerpräsidenten-Runde, Ärzte und Wissenschaftler einen Strategiewechsel mit wichtigen Anstößen gefordert. Die derzeitige Praxis der individuellen Kontakt-Nachverfolgung sollte zumindest einmal überprüft werden. Ein bundesweites Ampelsystem könnte für Transparenz sorgen.

In einen Masterplan zur Virus-Bekämpfung gehört auch die Einbindung der Parlamente. Bislang gilt Regieren per Verordnung. Aber ist es auf Dauer verfassungskonform, weit in die Grundrechte eingreifende Maßnahmen allein auf der Basis des Infektionsschutz-Gesetzes anzuordnen? Dass hier der Souverän beteiligt werden muss, sollte eigentlich selbstverständlich sein.

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Das ist es aber offenbar nicht. Die eigentlich für Freitag vorgesehene Ministerpräsidenten-Runde mit der Kanzlerin wurde kurzfristig auf den gestrigen Mittwoch vorverlegt. Damit steht der Bundestag, der heute zur Corona-Aussprache zusammenkommt, vor vollendeten Tatsachen. Auch das ist wohl nur mit Verzweiflung zu erklären.