Die CDU setzt in Thüringen mithilfe der AfD eine Steuersenkung durch. Die Union wolle „mit der AfD ins Bett“, warnt Karl Lauterbach.
AfD hilft Union in ThüringenEmpörung über CDU nach „Kooperation mit Höcke-Bande“ – Jubel bei Alice Weidel
Die Opposition hat in Thüringen erstmals gegen den Willen der rot-rot-grünen Regierung eine Steuersenkung durchgesetzt. Ein Gesetzentwurf der CDU für eine niedrigere Grunderwerbsteuer bekam am Donnerstag im Landtag in Erfurt eine Mehrheit, weil neben der FDP die AfD die entscheidenden Stimmen beisteuerte.
Die CDU-Initiative sorgte für Wirbel und für Fragen bei der politischen Konkurrenz, wie es die größte Oppositionsfraktion im Thüringer Landtag mit der Brandmauer zur AfD hält, die in Thüringen als erwiesen rechtsextrem vom Verfassungsschutz eingestuft ist. Chef der AfD-Fraktion im Landtag ist Björn Höcke.
Scharfe Kritik von Regierungskoalition: „Pakt mit dem Teufel“
Beschlossen wurde mit 46 zu 42 Stimmen eine Senkung der Grunderwerbsteuer. Häuslebauer und Immobilienkäufer müssen danach nur 5,0 statt 6,5 Prozent Steuer zahlen. Der Einnahmeverlust liegt nach Prognosen bei 48 Millionen Euro jährlich.
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Vertreter der Regierungskoalition von Linken, SPD und Grünen kritisierten die Steuersenkung vorab bereits als „einzigartigen Vorgang“ und „Pakt mit dem Teufel“. Die CDU gebe der AfD einen Gestaltungsspielraum und Einfluss auf den Landeshaushalt, sagte Linke-Fraktionschef Steffen Dittes. Die CDU fange an, „eine kleine Regierungskoalition in der Opposition unter Einschluss der AfD tatsächlich in Gang zu setzen“.
Heftige Kritik an Thüringer CDU: „Erzählt nichts mehr von einer Brandmauer“
Nach der Abstimmung setzte sich die scharfe Kritik an der Thüringer CDU fort. „Erzählt nichts mehr von einer Brandmauer“, schrieb die Thüringer Linken-Politikerin Katharina König-Preuss bei X (vormals Twitter).
Auch SPD-Politiker Ralf Stegner kritisierte die „Kooperation“ mit der „Höcke-Bande, den rechtsradikalen Demokratiefeinden der AfD“ in einem Beitrag auf X. Die CDU mache „gemeinsame Sache mit Faschisten“, schrieb Stegner und fügte an: „Geht’s noch?“
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach fand ebenfalls deutliche Worte: „Die Grunderwerbsteuersenkung von 1,5 % war es der CDU in Thüringen wert, mit einer Partei gemeinsame Sache zu machen, deren Sprechen und Denken sich gezielt an Nazis wendet“, schrieb der SPD-Politiker auf X. Die Union wolle „mit der AfD ins Bett“, fügte Lauterbach an.
Friedrich Merz verteidigt Thüringer CDU gegen Kritik
Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz hatte das Agieren der Thüringer CDU-Fraktion vor der Abstimmung verteidigt. „Wir machen das, was wir in den Landtagen wie auch im Deutschen Bundestag diskutieren, nicht von anderen Fraktionen abhängig“, sagte Merz am Donnerstag im „Frühstart“ von RTL/ntv. Eine Zusammenarbeit mit der AfD werde es auf Bundes- und Landesebene nicht geben. „Dabei bleibt es auch.“
Der ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn äußerte sich ähnlich. „Wir können als CDU richtige Positionen nicht aufgeben, nur weil auch die Falschen sie richtig finden“, schrieb der CDU-Politiker bei X.
Ähnlich argumentierte zuvor auch Landeschef Voigt, der die Steuersenkung mit Familienförderung beim eigenen Heim und Impulsen für die kriselnde Bauwirtschaft und das Handwerk begründete. „Wir können die Lösung von Problemen nicht davon abhängig machen, dass die falsche Seite mit Zustimmung droht“, hatte er immer wieder gesagt. Auch die eher dem liberalen CDU-Flügel zugerechnete Bundesvize Karin Prien hatte sich in der „Bild“-Zeitung ähnlich geäußert.
AfD-Chefin Alice Weidel: „Merz’ Brandmauer ist Geschichte – und Thüringen erst der Anfang“
Der ehemalige CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz kritisierte die „Zusammenarbeit mit der AfD“ seiner Partei unterdessen. Es sei naiv zu leugnen, dass es sich bei dem Abstimmungsverhalten der CDU in Thüringen nicht um eine Zusammenarbeit handeln würde, schrieb Polenz bei X.
Bei der AfD herrschte unterdessen Jubelstimmung: „Merz’ Brandmauer ist Geschichte – und Thüringen erst der Anfang“, erklärte Parteichefin Alice Weidel in einem Beitrag auf X. „Es wird Zeit, dem demokratischen Willen der Bürger überall in Deutschland zu entsprechen.“
Die Mehrheitsverhältnisse im Thüringer Landtag sind schwierig: Die rot-rot-grüne Koalition von Ramelow hat seit Amtsantritt 2020 keine eigene Mehrheit – ihr fehlen vier Stimmen im Parlament. Sie ist bei Entscheidungen stets auf Kompromisse angewiesen – bisher vor allem mit der CDU. 2024 wird ein neuer Landtag in Thüringen gewählt. (mit dpa)