Nach seinem Auftritt beim Gillamoos steht CDU-Chef Friedrich Merz in der Kritik. Helge Braun springt ihm zur Seite.
Deutliche Kritik an Merz-Spruch„Ein bisschen Kreuzberg für alle wäre auch gut“
Eine abfällige Bemerkung von CDU-Chef Friedrich Merz über Berlin-Kreuzberg auf dem bayerischen Volksfest Gillamoos trifft in der Hauptstadt auf kühle Reaktionen und mitunter auch scharfe Kritik. „Wir mögen Kreuzberg, und Deutschland, und das Sauerland, und Gillamoos“, sagte die Sprecherin des ebenfalls zur CDU gehörenden Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner dem „Tagesspiegel“ und fügte an: „Ein bisschen Kreuzberg für alle wäre auch gut.“
Merz hatte am Montag bei einem Bierzeltauftritt auf dem Volksfest im niederbayerischen Abensberg gesagt: „Nicht Kreuzberg ist Deutschland, Gillamoos ist Deutschland.“ Der Spruch hatte für einige verärgerte Reaktionen gesorgt. Ebenso wurde viel Kritik an medienkritischen Aussagen des CDU-Chefs deutlich. „Die Bevölkerung hat den Anspruch darauf, dass in den Medien verschiedene Meinungen zumindest vorkommen – besonders in denjenigen, die von Gebühren finanziert werden“, hatte Merz erklärt.
Friedrich Merz für Spruch in der Kritik: „Nicht Kreuzberg ist Deutschland, Gillamoos ist Deutschland“
CDU-Politiker Tobias Hans kritisierte nun beide Aussprüche des Parteichefs in einem Beitrag auf X (vormals Twitter). Die Politik müsse mit kritischer Berichterstattung leben, erklärte der ehemalige saarländische Ministerpräsident.
„Ich habe mich immer zum Öffentlich-Rechtlichen System und einer breiten Medienlandschaft bekannt. Weil dort Kreuzberg und Neunkirchen stattfinden“, schrieb Hans. „Warum also unkluges Bashing?“, fragte Hans zudem. „Was jedenfalls gar nicht geht, sind Drohgebärden gegenüber Medien.“
Auch der ehemalige CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz stellte auf X klar: „Kreuzberg gehört genauso zu Deutschland wie Gillamoos, Apolda, München, Bautzen oder Hamburg.“
Kritik aus der CDU an Friedrich Merz: „Was gar nicht geht, sind Drohgebärden gegenüber Medien“
Scharfe Kritik an Merz gab es unterdessen auch von anderen Parteien. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) meldete sich zu Wort und warf Merz vor, zu versuchen, die „Gesellschaft mit Populismus zu spalten“. SPD-Politikerin Sawsan Chebli nannte die Wortwahl unterdessen „selbst für einen Merz billig“.
Der ehemalige Umweltminister von Schleswig-Holstein, Jan Philipp Albrecht (Grüne), attackierte Merz ebenfalls mit deutlichen Worten: „Merz steht nicht für Deutschland, er steht für das Schüren von Hass und Ressentiments“, schrieb Albrecht. „Mit ihm ist die Union auf gefährlichen Abwegen.“
Jan Claas Behrend: „Peinlich“
Die grüne Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Clara Herrmann, kommentierte Merz’ Äußerung im „Tagesspiegel“ so: „Auch im Sauerland sind mehr Leute mit dem Fahrrad unterwegs als mit dem Privatjet“ – offenbar eine Anspielung darauf, dass Merz bisweilen mit dem eigenen Flugzeug unterwegs ist.
Jan Claas Behrend, Historiker von der Europa-Universität Viadrina, beschrieb die Wortmeldung unterdessen als Merz’ „neustes Projekt, 'Kreuzberg' als Chiffre für ein Deutschland zu etablieren, das ihm nicht alman genug ist“. Das sei „peinlich“ und „kartoffelig“, erklärte Behrends.
Türkische Gemeinde in Deutschland attackiert Friedrich Merz: „So spaltet man ein Land“
Auch die türkische Gemeinde in Deutschland übte scharfe Kritik am CDU-Chef. „In Bayern ist immer noch ein Antisemit Vizeministerpräsident, Personen aus den Kreisen der CDU und der AfD treffen sich an einem geheimen Ort und Merz sagt heute nichts dazu, nur dass Kreuzberg nicht Deutschland sei“, schrieb der Verein bei X. „So spaltet man ein Land.“
Der CDU-Politiker Helge Braun nahm Merz’ Aussagen unterdessen in Schutz und erklärte im Deutschlandfunk: Die Ampel-Koalition mache sehr viel Politik für städtische Regionen, mit einem Menschenbild, das vielen Menschen Sorgen mache. Viele in ländlichen Räumen fühlten sich nicht mitgenommen. Als Beispiele nannte Braun die Cannabis-Legalisierung oder die freie Wahl des Geschlechts. Dies könne die CDU so nicht mittragen.
Helge Braun verteidigt Wortwahl von Friedrich Merz
Die Debatte, dass Bundespolitiker in Berlin ihre Politik zu sehr an Menschen in der Stadt ausrichten und zu wenig an Menschen auf dem Land, wird seit längerem geführt.
Kreuzberg steht als Symbol allerdings auch für einen Stadtteil mit vielen Zuwanderern. Viele Kritiker werfen Merz vor, mit seinem Spruch auf den hohen Anteil an Migranten in Kreuzberg anzuspielen und den Stadtteil deshalb bewusst ausgewählt zu haben. Zudem ist es eine Hochburg der Grünen – mit einem sehr geringen Wähleranteil der CDU.
Bei seinem Auftritt auf dem Gillamoos hatte Merz mehrfach die Grünen attackiert – und gleichzeitig Unterstützung für die Entscheidung von CSU-Chef Markus Söder signalisiert, den wegen eines antisemitischen Flugblatts in Bedrängnis geratenen Hubert Aiwanger im Amt zu belassen. (mit dpa)