Sie bauen Instrumente aus Dekobeinen für Strümpfe und sind als Frauenband 120 DEN auch ansonsten sehr erfinderisch.
Kölner Band im PorträtDiese vier Frauen bilden zusammen 120 DEN
Es gibt Instrumente, für deren Konstruktion man PVC-Flaschen, Salatschüsseln oder Käselaibe braucht. Auch unter Verwendung von Bananen, Murmeln und Bauzäunen kann man Musik machen. Lässt sich das noch toppen? Ja. Britta Fehrmann, Conny Crumbach, Tina Tonagel und Gesine Grundmann spielen auf umgebauten Schaufensterbeinen. Ihre Band heißt 120 DEN.
„Eine Schnapsidee“
2019 riefen die vier Kölnerinnen ihr innovatives Projekt ins Leben. Wie kommt man auf so eine Idee? „Das war, im wahrsten Sinne des Wortes, eine Schnapsidee“, sagt Britta Fehrmann, „Conny, Tina und ich hatten uns zum Gintrinken getroffen, und es wurde ein feuchtfröhlicher Abend“. In dessen Verlauf Tina Tonagel eine Ausschreibung von „Containerklang“, einer Arbeitsgruppe der Kölner Gesellschaft für Neue Musik, hervorholte: „Das Thema lautete ,Extensions`, Erweiterungen.“ Gedacht als eine ideenreiche Ausweitung von Klangkunst.
„Wie wäre es damit?“, fragte Tina Tonagel und legte ein gerade auf dem Flohmarkt gekauftes Schaufensterbein auf den Tisch, „daraus kann man doch bestimmt ein Instrument machen.“ Weil die drei lieber zu viert sein wollten, holten sie noch Gesine Grundmann mit ins Boot. Auch ein Name für das Projekt war schnell gefunden: 120 DEN (siehe Kasten). „Die Idee hatten wir an einem Samstagabend, die Deadline für die Ausschreibung war Montag. Danach hatten wir genau einen Monat, um die Instrumente zu bauen und zu überlegen, was wir darauf spielen wollen. Das war eine sehr spannende und aufregende Zeit.“
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Am 1. Dezember 2019 stand das Damenquartett erstmals auf einer Bühne, im ARTheater. Mit Hilfe von Gitarrensaiten, Kontaktmikrofonen und eingebauten Synthesizer-Elementen hatten sich die Schaufensterbeine tatsächlich in Instrumente verwandelt. Und ihre Death Metal-Version von „Freude schöner Götterfunken“ fand auf Anhieb viel Beifall: „Unser Kalender für 2020 wäre gut gefüllt gewesen. Aber dann kam Corona. Gleich nach der Gründung sind wir in ein tiefes Loch gefallen.“ Etwas Gutes hatte die Auftrittszwangspause dann aber doch: „Wir konnten unser Projekt weiterentwickeln und daran arbeiten, unsere Instrumente zu verbessern.“ Für drei der 120 DEN-Frauen war das komplettes Neuland: „Wir sind weder Instrumentenbauerinnen noch Musikerinnen. Nur Tina war tiefer im Thema drin. Sie arbeitet auch als Klangkünstlerin.“ Und derzeit als Gastprofessorin an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Wo auch Britta Fehrmann studiert hat, die heute als ,Data Scientist’ Zahlen wissenschaftlich interpretiert. Gesine Grundmann ist Bildhauerin, Conny Crumbach journalistisch tätig.
Bein mit Rassel
Statt nach Schaufensterbeinen auf dem Flohmarkt zu suchen („Das erste war aus Gips und viel zu schwer“) kaufen die vier jetzt Deko-Beine aus Plastik im Internet. Je nach Aufwand kann sich ein Umbau über mehrere Monate hin ziehen: „Ein Percussion-Bein mit ein paar Rasseln am Rand, das geht in einer halben Stunde. Aber ein polyphones Synthesizer-Bein, das ist schon eine ganz andere Nummer.“
Bei ihren Bühnenshows demonstrieren 120 DEN grundsätzlich Beinfreiheit: „Kurze Röcke zu tragen, das gehört dazu.“ Umwallt von Nebelschwaden lassen sie ihre Instrumente pluckern, britzeln und raunen, zwitschern, quietschen und krachen, fiepen, ratschen und schrabbeln. Auch Sphärisches, Meditatives gehört zum Programm: „Bei einem Stück knutschen wir die Beine auch.“ Stilistisch liegt das zwischen Klangimpro, elektronischer Musik und Kettensägenmassaker. „Ich interessiere mich sehr für abseitige Musik“, sagt Fehrmann, „das ist unabhängig vom Genre. Ich mag es gerne laut, schräg und heftig. Das ist ein Bereich, der schon an Heavy Metal angrenzt.“
Wenn man 120 DEN hört und sieht, wie das Quartett headbangend die Beinhälse kreisen lässt, während die daran befestigten LEDs bunt aufblinken, könnte das auch durchaus ein lustvolles Zitieren sein. Mitunter erweisen die Kölnerinnen auch der britischen Surrealistin Sheila Legge (1911-1949) Reverenz. 1936 verhüllte die ihr Haupt mit einem roten Rosenbouquet, trug dazu ein bodenlanges weißes Kleid – und im Arm ein Schaufensterbein. Genau in diesem exzentrischen Legge-Look treten sie dann auf.
Gespielt haben die vier Frauen mit den inzwischen 20 Beinen (acht echte, 12 künstliche) außer in Köln schon in Dortmund, Mülheim an der Ruhr und Hamburg, Berlin, Augsburg und Birmingham (nur online wegen Corona). Zum Foto-Shooting wagten sie sich gar ins felsige Tigergehege des Kölner Zoos, wobei die gestreiften Bewohner allerdings Ausgangssperre hatten: „Aber eine getigerte Hauskatze ist durchs Bild gegangen.“ Eine erste Veröffentlichung, auf Kassette mit Download-Code, ist in Planung. www.120den.de
DEN steht für die Einheit DENIER bei Strümpfen und Strumpfhosen. 1 DEN entspricht einem Gramm Garn auf 9 000 Meter. Je mehr DEN, desto dichter das Gewebe. Oder umgekehrt: je weniger DEN, desto durchsichtiger. 120 DEN ist undurchschaubar. Spielt aber auch auf die Lautstärke-Mess-Einheit Dezibel an. Bei 120 Dezibel liegt die Schmerzgrenze für das menschliche Ohr.