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„Unwürdig und völlig inakzeptabel“Staatsministerin kritisiert in Köln Umgang mit kolonialer Vergangenheit

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Henriette Reker (r, parteilos), Oberbürgermeisterin von Köln, übergibt Abba Isa Tijani, Generaldirektor der Nationalen Kommission für Museen und Monumente, symbolisch einen bronzenen Schlüssel aus dem Königreich Benin.

Henriette Reker (r, parteilos), Oberbürgermeisterin von Köln, übergibt Abba Isa Tijani, Generaldirektor der Nationalen Kommission für Museen und Monumente, symbolisch einen bronzenen Schlüssel aus dem Königreich Benin.

„16.000 Schädel und Knochen aus ehemaligen deutschen Kolonien lagern in Kisten und Kartons“, bemängelt Staatsministerin Katja Keul.

Welche Verantwortung hat die Politik bei der Aufarbeitung der deutschen Kolonialvergangenheit? Darüber sprach Nanette Snoep, Leiterin des Rautenstrauch-Joest-Museums (RJM), mit Staatsministerin Katja Keul im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung in der Bibliothek des RJM.

Die Ministerin ist im Auswärtigen Amt unter anderem zuständig für die Bereiche „Afrika“ und „Auswärtige Kultur- und Gesellschaftspolitik“. „Ich freue mich sehr über Ihren ersten Besuch in unserem Museum, das über 15.000 historische Kulturgegenstände aus dem afrikanischen Kontinent bewahrt“, so Snoep bei der Begrüßung.

Viele menschliche Überreste lagern in Museumskellern

Sie erinnerte daran, dass Keul 2022 Außenministerin Annalena Baerbock bei der Rückgabe der ersten 20 Benin-Hofkunstwerke aus deutschen Museen in der nigerianischen Hauptstadt begleitete. Drei stammten aus dem RJM. Deutsche Museen sind voller kolonialer Raubkunst und ihre Keller buchstäblich voller Leichen. „16.000 Schädel und Knochen aus ehemaligen deutschen Kolonien lagern in Kisten und Kartons. Das ist absolut unwürdig und völlig inakzeptabel. Die Rückgabe dieser Human Remains, dieser menschlichen Überreste, ist mein zentrales Anliegen“, betonte Staatsministerin Katja Keul.

Keul berichtete von ihrer Teilnahme an einer Gedenkveranstaltung anlässlich des 124. Jahrestags der Hinrichtung des Chagga-Anführers Mangi Meli und 18 weiterer Chiefs durch deutsche Kolonialtruppen in Old Moshi am Kilimandscharo, wo sie für das erlittene Unrecht durch die Deutschen um Vergebung bat.

Workshops sollen an Kongo-Konferenz erinnern

Um für das Thema Human Remains zu sensibilisieren, lässt die Staatsministerin dem diplomatischen Nachwuchs unter anderem den Film „Das leere Grab“ zeigen. Der Dokumentarfilm erzählt von den traumatischen Spuren, die die Kolonialherrschaft Deutschlands in tansanischen Familien und Communities hinterlassen hat. Der Film folgt den Familien Mbano und Kaaya und ihrem Kampf um Identifizierung und Rückgabe der Gebeine ihrer Vorfahren.

Ende des Jahres will das Auswärtige Amt in mehreren Workshops an die Kongo-Konferenz vor 140 Jahren in Berlin erinnern, bei der die kolonialen Großmächte den afrikanischen Kontinent unter sich aufteilten. Die Ministerin möchte aber nicht nur die deutsche koloniale Vergangenheit in Afrika, sondern auch im Indo-Pazifik-Raum aufarbeiten.

In einer feierlichen Zeremonie gab sie kürzlich einen historischen Bootssteven aus der Sammlung des Bremer Übersee-Museums an Samoa zurück. „Das Artefakt kehrte dorthin zurück, wo es hingehört.“ In Papa-Neuguinea erfuhr Keul, dass Deutschland eine Schlüsselrolle bei der friedlichen Bewältigung von dortigen Landkonflikten spielen könnte. Dazu sei die Aufarbeitung deutscher Kolonialakten im Bundesarchiv Koblenz erforderlich. RJM-Leiterin Nanette Snoep bat die Staatsministerin auch um schnellere Bearbeitung von Visa-Anträgen: „Bei allen Kooperationsprojekten mit Menschen aus dem Globalen Süden, seien es Forschung, Ausstellungen oder Symposien, stehen die Partnerinnen und Partner immer vor dem Problem, ein Visum zu erhalten. Viel Projekte scheitern wegen Visumsangelegenheiten.“

Neue Ausstellung über iranische Teppichweberinnen

Aktueller Anlass für Snoeps Kritik war die Vorbereitung für die neue Ausstellung des RJM „We are not carpets“ (ab 26. September), die die jahrhundertealte Marginalisierung und Ausnutzung iranischer Teppichweberinnen thematisiert. Die Hauptakteure, Weberinnen aus dem Iran und der iranische Szeneograf, hätten für den Aufbau in Köln bisher keine Visa erhalten. Staatsministerin Keul stellte eine schnellere Bearbeitung durch das neu gegründete Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten (BfAA) in Brandenburg an der Havel in Aussicht.