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„Lost at Sea“ in KölnDiese Schau erzählt Schiffsgeschichten am Ebertplatz

Lesezeit 4 Minuten
Der Fliegende Holländer und das Meer von Michael Nowottny.

Der Fliegende Holländer und das Meer von Michael Nowottny. 

Michael Nowottny und Mathias Schäfer in einer Tandemausstellung im Labor am Ebertplatz.

In Jim Jarmuschs „Dead Man“ liegt Johnny Depp als angeschossener und halluzinierender Westernheld William Blake in ein Kanu gebettet. Das Boot funktioniert wie eine Brücke ins Jenseits. Ein Film, der die beiden Künstler Michael Nowottny und Mathias Schäfer bewegt. Wie überhaupt die Geschichten, die mit Schiffen verbunden sind, ihre Arbeit schon seit vielen Jahren prägen.

Tandemausstellung

„Lost at Sea“ heißt ihre Tandemausstellung in der Projektgalerie Labor am Ebertplatz, in der sie ganz unterschiedliche Aspekte der Seefahrt ausloten. „Uns beide fixt die Recherche an“, sagt Nowottny. Daher gehen sie ganz tief der Symbolik und Mystik von Schiffen auf den Grund. Schäfer sammelt zudem afrikanische Kunst. Was er in seiner Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte erfuhr, fließt in seine künstlerischen Arbeiten mit ein.

Seine Schiffsmodelle, die im Labor von der Decke hängen, sind aus Materialien gefertigt, die in der Zeit des Sklavenhandels als Primitivgeld und Tauschobjekte weit verbreitet waren: Kupferstäbe und Bronze-Manillen zum Beispiel. „Die so nach Afrika gehandelte Bronze stammt zum Teil aus dem Rheinland und wurde als Gussmaterial für wichtige Kult- und Repräsentationsgegenstände im Königreich Benin verwendet“, erklärt Schäfer. Gegenwärtig werden Bronzen, die von Engländern in Strafexpeditionen aus dem Königreich Benin, dem heutigen Nigeria, erbeutet wurden, restituiert.

Bezüge zur Vergangenheit stellt der Künstler in seinen Bricolage-Schiffen, -Booten und -Kähnen somit her, nutzt alte Wasserkessel aus Kupfer und Gelbguss, verzinkte Dachbleche aus der Eifel oder Sperrholz und Zeltplanen vom Sperrmüll. Die Schiffsmodelle erinnern an Nachen, mit denen Bootsflüchtlinge heute unterwegs sind. Ein nicht selten lebensgefährliches Unterfangen. Und hier berühren sich die Boote, die wie Flugobjekte durch den Raum steuern, mit den Bildern Michael Nowottnys.

Schiffsmodelle als Projektiosnfläche

„Schiffsmodelle waren schon immer eine Projektionsfläche. In Kirchen wurden sie zum Schutz der Seeleute aufgehängt oder sind Objekte der Erinnerung und Identifikation in Gaststätten oder anderen Orten“, sagt er. Als Votivschiffe funktionieren sie ähnlich wie Votivtafeln – kleine Bilder, die zum Dank für überstandenes Unheil oder Krankheit gemalt wurden, um in einer Kirche oder Kapelle aufgehängt zu werden, um Gott, Maria oder bestimmte Heilige um Beistand und Hilfe anzuflehen. Ein Zeichen der Volksfrömmigkeit. Vor Jahren malte Nowottny die Kirche „Maria Kirchental“ in St. Martin bei Lofer in Österreich, die eine riesige Sammlung von alten Votivtafeln beherbergt. Eingeflossen sind auch seine Erfahrungen aus einem Arbeitsstipendium auf der Insel Föhr. In Nieblum steht der „Friesendom“, die Kirche St. Johannis, in dem ebenfalls ein Schiff hängt.

„Bis Mitte des 19. Jahrhunderts fuhr fast jeder männliche Friese zur See – oft als Walfänger. In Nieblum gibt es viele Zeugnisse aus der Geschichte der Seefahrt, Votivgaben und ergreifende Texte auf Grabsteinen.“ Die Schiffe verfolgten Nowottny weiter. Er fotografierte Schiffsmodelle in der Kneipe, der Kirche, der Pizzeria oder beim Hausmeister einer Schule und übermalte sie. Und zwar in dem Kontext, in dem die ursprünglichen Modelle standen. Eine Miniatur-Fischkutter steht so neben Spielzeugfiguren der längst erwachsenen Kinder des Hausmeisters. In der „Getränke Arena“ am Sudermannplatz entdeckte Nowottny eine große Galeone auf den Kühlschränken. „Es gab schon immer eine große Angst der Seeleute, auf dem Meer zu verdursten“, weiß der Künstler.

Flankiert werden Schäfers „Armada“ und Nowottnys übermalte Fotos von Meeresaquarellen vom Wattenmeer, dem Ärmelkanal oder dem Atlantik. „Schon im 12. Jahrhundert gibt es erste Modellschiffe als Danksagung“, weiß Schäfer. Sie stünden stellvertretend für die Seeleute und ihre Emotionen. Heute sind es die nicht selten verstörenden Bilder von gestrandeten Flüchtlingsbooten auf den Kanaren, von der Migration über das Mittelmeer. „Sie sind sensitive Zeugnisse einer komplexen Wirklichkeit in einer angespannten Welt“, sagt Schäfer.

Begleitend gibt es einen Buchtisch, auf dem auch Titel von Joseph Conrads liegen, der gerne als „Schriftsteller des Meeres“ bezeichnt wird. Den Katalog gibt es in limitierter Stückzahl. (jan) Bis 9. Mai,täglich 16 bis 20 Uhr, Ebertplatzpassage 5. Preise von 30 Euro für einen Linolschnitt Schäfers bis 1200 für ein großes Schiffsmodell. Nowottnys Bilder liegen zwischen 400 und 1200 Euro.