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Zum 2005. GeburtstagAgrippina gilt zu Unrecht als Kölns Stadtgründerin

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Allgegenwärtig in Köln: Agrippina die Jüngere, Mutter von Nero.

Köln – Es gibt nicht wenige Porträts von Agrippina der Jüngeren, die sich manchmal auch unterscheiden. Aber in etwa dürfte unsere Vorstellung von ihr stimmen. Unsicher ist aber, wie weit man der Geschichtsschreibung trauen darf: Das Bild Agrippinas ist von Darstellungen in antiken Quellen geprägt, vor allem bei Tacitus in seinen Annalen und Sueton in „de vita caesarum“.

Tacitus zog nach eigenen Angaben die von ihr verfassten Memoiren heran. Beide ließen wenig Gutes an ihr – Tacitus sah sie „entbrannt in völligem Verlangen nach Schreckensherrschaft“, Sueton schrieb, sie sei ein „heftiges und herrschsüchtiges Weib“ gewesen. Geboren wurde sie heute vor 2005 Jahren, am 6. November des Jahres 15 nach Christus. Den Tod fand sie im Jahre 59 durch ihren eigenen Sohn.

Ein bewegtes Leben

Sicher ist, dass Agrippina ein bewegtes Leben hatte – und dass ihr Einfluss auf diese Stadt kaum größer sein könnte. Gilt die Frau des Claudius (ihr Onkel und dritter Ehemann, er selbst war viermal verheiratet), Schwester des Caligula und Mutter des Nero doch als Stadtgründerin der Colonia Claudia Ara Agrippinensium. Sprich, Köln.

Was so allerdings gar nicht stimmt, erklärt Prof. Werner Eck, emeritierter Professor für Alte Geschichte an der Universität zu Köln. Denn Stadtrechte hatte die Ubiersiedlung „Oppidum Ubiorum“ schon gute 70 Jahre vorher. Agrippina hat sie zu einer „Colonia civium Romanorum“ erhoben, einer Kolonie mit weitausgedehntem Stadtgebiet, das fast das ganze südliche linksrheinische Nordrhein-Westfalen abdeckte. Mit der Koloniegründung wurden römische Veteranen Bürger der Stadt und bekamen dort Landbesitz; auch manche der Ubier erhielten römisches Bürgerrecht.

Zurück nach Rom

Agrippina wurde zwar in jenem „Oppidum Ubiorum“ geboren, doch länger als maximal ein Jahr nach ihrer Geburt kann sie hier nicht gelebt haben. Ihr Vater Germanicus, römischer Feldherr mit Oberbefehl über den Rhein, ging mit der Familie nach Rom zurück – und Agrippina kehrte nie wieder zurück.

Dass sie mit der Gründung der Kolonie etwas Großes in Bewegung setzte, hat weniger mit einer Heimatliebe als mit ihrem ausgeprägten Machtinstinkt zu tun: Sie, als direkte Nachfahrin des vergöttlichten Augustus, wollte eine Stellung erreichen, „die ihrer würdig war“, so Eck. Und weil ihr Mann Claudius – an dessen Tod sie später maßgeblich beteiligt sein sollte – schon seiner Heimatstadt Lugdunum, dem späteren Lyon, neben dem kolonialen Status seinen Namen und vor allem Steuerfreiheit gegeben hatte, wollte sie nicht nachstehen: Aus der nicht privilegierten Ubiersiedlung wurde eine römische Kolonie, mit allen inneren Strukturen nach römischem Prinzip eingerichtet, die ebenfalls Steuerfreiheit erhielt.

Nicht mit den feinsten Methoden

„Sie war eine von ihrer Persönlichkeit und Stellung überzeugte Frau“, so Eck. Dass sie heute als machtbesessen bezeichnet wird, muss man im Kontext der Zeit sehen: Die Mittel, mit denen sie die Macht für ihren Sohn und späteren Kaiser Nero anstrebte, waren sicher „nicht die feinsten“ (Eck), aber eben auch nicht ganz unüblich im alten Rom.

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Spuren hat Agrippina also jede Menge in Köln hinterlassen. Und ganz sicher wesentlich dazu beigetragen, dass Köln die Entwicklung nehmen konnte, wie es dann in den weiteren Jahren geschehen ist. Dass sie heute aber als Jungfrau im Dreigestirn herhalten muss – das hätte sich die Edelfrau, die ihre Herkunft auf den vergöttlichten Augustus zurückführen konnte, wohl kaum träumen lassen.