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Leopold Hoesch im Interview„Wir erleben eine Zeitenwende“

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„Es ist irre spannend derzeit“:  Filmemacher Leopold Hoesch in seinem Büro in der  Südstadt.

Köln – Leopold Hoesch (51) ist einer der bekanntesten Filmproduzenten des Landes („Wunder von Bern“, „Drama von Dresden“). Mit Broadview TV ist er in der Südstadt zu Hause. Jens Meifert sprach mit ihm.

Vor einem Jahr kam Ihr Dokumentarfilm über den Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen („Die globale Antibiotika-Krise“) heraus. Haben Sie was geahnt?

Das Thema Antibiotika-Resistenz ist äußerst relevant. Natürlich wird es komplett überlagert durch die Pandemie, die nicht auf Bakterien, sondern einem mutierenden Virus beruht. Ich erinnere mich an ein Abendessen im Dezember, wir sprachen über den Antibiotika-Film und die Gefahr, die von multiresistenten Bakterien ausgeht. Ein Gast sagte beim Rausgehen, „Leo, es sind nicht Bakterien, es sind Viren, die uns als nächstes treffen werden.“ Damals gab es noch keine Pandemie, auch keine Ausbreitung in China. Leider sollte er Recht behalten.

Der Sportler-Flüsterer

1999 begann die Broadview TV GmbH TV-Dokumentationen zu produzieren, vornehmlich für öffentlich-rechtliche Sender, zunehmend auch für die Kino-Leinwand, Plattformen und Pay-TV-Anbieter weltweit.

Leopold Hoesch (51) ist Gründer und Geschäftsführer der Firma. Zu den prämierten Beiträgen gehört „Das Wunder von Bern – Die wahre Geschichte“ (2004), „Das Wunder von Leipzig – Wir sind das Volk“ (2010), „Klitschko“ (2012) und „Drei Leben: Axel Springer“ (2012). Mehr als 300 Filme hat Hoesch produziert. Er und sein Team haben unter anderem den Deutschen Fernsehpreis, den Deutschen Wirtschaftsfilmpreis und den Emmy gewonnen. Einmal im Jahr lädt er die Prominenz aus Politik, Medien und Wirtschaft zur deutschen Emmy-Vorauswahl in die Villa Marienburg ein.

Im vergangenen Jahr holte Hoesch Real Madrids Mittelfeldstrategen Toni Kroos zur Filmpremiere nach Köln. Ein anderes Porträt fand im Zuge der „Black Lives Matter“ Bewegung viel Beachtung: die Geschichte von Football-Superstar Colin Kaepernick, der sich mit dem Kniefall bei der US-Hymne gegen Rassismus wandte – und keinen Club mehr fand, de facto aus der Liga verbannt wurde.

Eignet sich die Pandemie als Filmstoff?

Absolut, wir sind seit Mitte März voll dabei. Unser Ziel war es, nicht den ersten Corona-Film zu liefern, sondern idealerweise den letzten, der aber in Erinnerung bleibt. So wie es Filme zur Finanzkrise, Flüchtlingskrise und zu 9/11 gibt, arbeiten wir an dem Versuch, den Covid-Referenz-Film zu machen. Der Arbeitstitel ist „Covid-Century“ (das Covid-Zeitalter). Wir planen mit einem Gesamtbudget von knapp 1,5 Millionen Euro. Wir haben ein eigenes Team aufgebaut in China und den USA. Wir wollen das Thema so abschließend betrachten wie möglich.

Und Lehren ziehen? Welche könnten das sein?

Wir haben auf der einen Seite die Angst vor zu wenig demokratischer Absicherung der staatlichen Maßnahmen und auf der anderen Seite das Problem der zögerlichen Digitalisierung auf staatlicher Seite. Zwischen diesen Kräftefeldern leben wir gerade. Wenn wir bereit wären, alle unsere Daten, unsere digitale Selbstbestimmung zeitlich befristet teilweise abzugeben und wenn die Gesundheitsämter auf diese Daten zurückgreifen könnten, dann könnten wir Covid-19 sehr viel schneller in den Griff bekommen. Wir tun es nicht, weil wir Angst haben vor dem Missbrauch der Daten. Es ist letztlich auch ein Glaubwürdigkeitsproblem des Staates.

Aber die Sorge der Bürger ist doch berechtigt.

Unbegründet ist sie jedenfalls nicht. Meiner Meinung nach müssten „digitale Bürgerrechte“ definiert und in der Verfassung festgeschrieben werden, so dass der Bürger weiß, was damit passieren darf und was nicht. In Krisenzeiten könnten diese Informationen gezielt zum Vorteil aller genutzt werden.

Ihre These ist: Wenn es vorbei ist, ist es nicht vorbei. Müssen wir uns für die nächste Pandemie rüsten?

Ich glaube, dass einiges, was wir jetzt lernen könnten, in Zukunft hilfreich ist. Das ist aber meine Meinung als Zeitungsleser. Als Filmproduzent sehe ich meinen Job darin, guten Leuten ein gutes Arbeitsumfeld zu ermöglichen, in dem gute Filme auf Grundlage von jahrelanger Recherche entstehen. Ich bin vielleicht dabei ein Korrektiv und Sparringspartner, aber der Idealfall ist, wenn ich mich nicht einmischen muss. Im aktuellen Fall, sind wir noch in der Recherche, und man kann noch nicht wirklich sagen, wie wir den Film erzählen werden.

Für Dokumentarfilmer ist es eine spannende Zeit: Wir erleben Historisches – mit einem offenen Ende.

Unbedingt. Bei einem Film über den 30-jährigen Krieg gibt es nichts wirklich Neues zu sagen, man kann es nur besser oder anders erzählen. Was jetzt aber passiert, haben wir so ähnlich beim Film über Angela Merkel („Die Unerwartete“, 2016/Anm. d. Red.) erlebt. Da änderte sich das Geschehen etwa in der Flüchtlingskrise jeden Tag. Es war wahnsinnig schwer, diesen Film zu machen. Man braucht das richtige Gespür, aber auch Glück. So war es übrigens auch bei Toni Kroos. Den Film haben wir in seiner erfolgreichsten Zeit gemacht, er wurde Weltmeister und hat drei Mal die Champions League gewonnen, mehr geht nicht. Ein Jahr später wäre nicht viel Erzählenswertes hinzugekommen, und er wäre vielleicht wegen des Lockdowns nie in die Kinos gekommen; ein Schicksal, das dem Film über Michael Schumacher, den Kollegen parallel zum Kroos-Film produziert haben, aktuell bevorsteht.

Wir sind gut im Vergessen. Das war etwa nach dem Reaktorunglück von Fukushima so. Wird Corona irgendwann aus den Köpfen sein? Haken dran und weiter geht’s?

Ja, das wird so sein, und dennoch, denke ich, erleben wir auch eine Zeitenwende. Die USA als globale Führungsmacht gibt es nicht mehr. Es gibt für diese weltweite Krise daher keine abgestimmte Antwort, jeder sucht nach eigenen Lösungen, und wir sehen, das funktioniert nicht so gut. Und dann erleben wir einen Vertrauensverlust in die Politik, obwohl wir als Land im weltweiten Vergleich stolz sein können auf unsere Politiker. Der Vertrauensverlust liegt meines Erachtens auch daran, dass die Entscheider mit und in dieser Krise lernen genau wie jeder Einzelne. Aber dennoch: Wir leben in einer wahnsinnig spannenden Zeit, sie bietet irre Chancen. Aber wir müssen jetzt die digitale Wende schaffen, daran hängt alles. Die Schule meiner Kinder ist nicht in der Lage, kurz oder mittelfristig Online-Unterricht zu organisieren. Das kann ich einfach nicht glauben.

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Welche Filme planen Sie noch?

„Schwarze Adler“ wird ein Film über die Schwarzen Spieler in der Fußball-Nationalmannschaft. Gerald Asamoah wird vorkommen und Erwin Kostedde, der 1974 erster Nationalspieler war.

Heute sind Serge Gnabry und Leroy Sané Helden. Steht deren Akzeptanz noch in Frage?

Solange sie treffen sicher nicht. Aber bis zu den 70er Jahren war es unvorstellbar, dass Schwarze im DFB-Team spielen. Nun sind wir auf einem guten Weg, aber es gibt immer noch viel zu tun, Vorurteile abzubauen. Wir lassen nur die Spieler sprechen, auch die Boateng-Brüder. Diesen Film habe ich so schnell verkauft wie noch keinen anderen. Er soll im Frühjahr bei Amazon Prime Video starten und dann zur EM im Free-TV.

Derzeit sind die Kinos zu. Filmstarts werden verschoben, Sie sind auch betroffen: „Die Unbeugsamen“, ein Film über die Frauen der Bonner Republik, kann vorerst nicht starten.

Leider, nun kommt er hoffentlich im März in die Kinos. In der Dokumentation sprechen nur die Frauen selbst, Rita Süssmuth, Christa Nickels, Ingrid Matthäus-Maier und andere. Es ist ein Sittengemälde der Nachkriegsrepublik, das die Männerwelt offen legt, ein Denken, das heute schockierend wirkt. Man hat das nicht so wahrgenommen, aber heute wirkt es bizarr. Der Film ist berührend, bei den Testaufführungen wurde viel (auch von Männern) geweint. Wir hatten schon die tollsten Zusagen für die Premieren in Berlin und Köln. Wir holen das nach.

Aber mit dem Filmstart verschiebt sich alles Weitere.

Ja, wenn ein Film später in die Kinos kommt, kommt er später in den digitalen Vertrieb und ins Fernsehen, und dann fehlt natürlich das Geld. Die Zinsen sind unten im Moment, das hilft.

Sie haben nicht nur „Kroos“ porträtiert, sondern auch Filme über Dirk Nowitzki und Vladimir Klitschko. Wer ist der nächste?

Leon Draisaitl, das wäre toll. Ein Eishockeystar, der beste der Welt, ein Deutscher in der amerikanischen Profiliga NHL. Und dazu ’ne kölsche Jung. Wir versuchen gerade, es hinzubekommen. Eigentlich passt alles zusammen.