- Die Veranstaltungsbranche steckt in der Krise.
- Für die Lanxess-Arena bedeutet das in diesem Jahr: 20 Millionen Euro Verlust.
- Über die Situation der Arena sprach Simon Westphal mit Arena-Chef Stefan Löcher.
Köln – Herr Löcher, aktuell findet in der Lanxess-Arena das zweite Tennis-Turnier innerhalb von drei Wochen statt. Ein Top-Event – allerdings ohne Zuschauer. Wie fühlt sich das für Sie an?
An den beiden Turnieren lässt sich unsere Situation gut darstellen. Wir holen die Turniere mit viel Engagement und Risiko nach Köln. Das sind immerhin zwei ATP-Turniere, die weltweit übertragen werden. Wir gehen mit 800 Plätzen in den Verkauf, haben die Genehmigung dafür und dann schraubt man uns nach zwei Tagen auf 250 runter. Es sprechen jetzt alle vom zweiten Lockdown. Wir haben einen durchgängigen Lockdown seit März. Das muss man jetzt wirklich mal erkennen in der Politik. Wir sind am härtesten und am direktesten betroffen. Wir sind die fünftgrößte Branche in Deutschland mit mehr als einer Millionen Arbeitsplätze.
Nachdem die Zuschauergrenze auf 250 gesetzt wurde, ging es beim Tennis ganz ohne Zuschauer weiter. Was bedeutet das finanziell?
Natürlich hat der Veranstalter auch mit Zuschauereinnahmen gerechnet. 650 mal 40 Euro, dazu 150 Vip-Tickets à 280 Euro – und das für 14 Tage. Das ist viel Geld. Das ist alles weg. Das Ganze ist ja nur möglich durch den Hauptsponsor Bett1, der da Millionen reinpumpt.
Initiative „Pro Event“
120 Milliarden Euro setzt die Veranstaltungsbranche in Deutschland jedes Jahr um. Seit März steht die Branche weitestgehend still. Die Initiative „Pro Event“ will diesen freien Fall mit gebündelter Energie der Branche stoppen. Am Freitag stellte die Initiatoren das Projekt in der Lanxess-Arena vor. Mit dabei: Arena-Chef Stefan Löcher, Musiker und Konzert-Veranstalter Michael Herberger, Edwin Weindorfer, der aktuell das Tennis-Turnier in der Arena veranstaltet, Tennis-Nationaltrainerin Barbara Rittner und Adam Szpyt, Geschäftsführer von „bett1“, Hauptsponsor des Tennis-Turniers.
Das Ziel der Initiative: Mit der Politik über konkrete Wege und Maßnahhmen diskutieren, um das Überleben möglichst vieler Beteiligte der Eventbranche in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu sichern. Es gehe für alle um eine faire Chance, aus den „Covid-Trümmern“ die Existenz in der neuen Normalität schrittweise wieder aufzubauen, sagte Veranstalter Edwin Weindorfer.
Dazu beitragen, sollen digitale Konferenzen, bei denen Vertreter der Branche im Zwei-Wochen-Rhythmus sprechen und diskutieren. Um die wirtschaftliche Planungssicherheit mit Hilfe der Politik wiederherzustellen, benötige man die Unterstützung der ganzen Branche. Zu den Unterstützern zählen bereits unter anderem Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Kölner-Haie-Geschäftsführer Philipp Walter, Schauspieler Mark Keller, oder die ehemalige Schwimmerin Franziska van Almsick. Weitere sollen folgen. (sim)
Und wir machen dieses Jahr sowieso 20 Millionen Verlust. Wir haben mit dem Konzept „Arena Now“ zwar wieder Konzerte angeboten. Aber das ist nichts, womit wir Geld verdient haben. Das haben wir für die Künstler, die Techniker und die Besucher gemacht.
Solange die Inzidenzzahl bei über 50 bleibt, dürfen Veranstaltungen nur mit maximal 250 Besuchern stattfinden. Was halten Sie von dieser Zahl?
Ich persönlich erachte die 250 für nicht nachvollziehbar und unverhältnismäßig. Die Leute, die an den ersten beiden Tagen des Tennis-Turniers bei uns waren, haben uns Lobeshymnen geschrieben, wie sicher das war. Bei 800 Besuchern kann sich keiner anstecken, da wir viele kleine Zonen schaffen, in denen sich keine großen Menschenmassen begegnen. Im Klartext heißt die Regel: In einer kleinen Sporthalle mit einer Kapazität von 1000 dürfen genauso viele Leute rein wie bei uns. Das kann nicht richtig sein. Das hat mit Willkür zu tun und trifft uns hart. Natürlich geht es hier um Symbolpolitik, das ist klar.
Was wäre denn eine sinnvolle Regel gewesen?
Die 800 hätte man jetzt einfach mal lassen können. Wenn du ein derart gutes Hygienekonzept hast, dann ist das auch unabhängig vom Inzidenzwert. Wir haben so viele Veranstaltungen durchgeführt, wo nichts passiert ist. Einen Deckel bei 1000 Besucher würde ich bei dem aktuellen Inzidenzwert ja verstehen. Wobei der Inzidenzwert ja auch nicht medizinisch oder wissenschaftlich untermauert ist. Es gibt eine große Ansteckungsquote bei den Jugendlichen. Wenn man denen keine sicheren Veranstaltungen anbietet – und genau das können wir – dann gehen sie zu den unsicheren. Die Politik geht genau den umgekehrten Weg. Sprich: Die sicheren Veranstaltungen werden verboten. Dadurch wird es umso mehr unsichere geben.
Wie geht es jetzt weiter?
Mit Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit. Es ist tragisch. Da rede ich für die ganze Branche. Wir werden zugunsten des Gemeinwohls beschränkt. Dafür muss es dann aus meiner Sicht Ausgleichszahlungen geben. Die ganze Zeit gab es keine finanzielle Hilfe. Wir fallen aufgrund unserer Größe aus allen Programmen raus. Und das, obwohl wir viel höhere Fixkosten haben. Ich erwarte ja auch keinen Ausgleich von 20 Millionen.
Was fordern Sie noch?
Realistische Zuschauerzahlen, die ins Verhältnis gebracht werden zum Hygienekonzept und zur Größe einer Arena. Und dass es gewisse Ausfallbürgschaften gibt, wenn wir wieder mit weniger Zuschauern spielen. Man möchte ja auch Kultur anbieten. Die Menschen wollen das ja.
Wie sieht ihr Blick in Richtung 2021 aus?
Seien wir mal realistisch. Das Ganze wird sich vielleicht noch in den Januar, Februar ziehen, vielleicht länger. In der Politik sind wir immer noch in der Einbahnstraße. Die extreme Politik des Verbietens und des Angstmachens ist aus meiner Sicht falsch. Es müsste viel positiver sein. Im Sinne von: Wir packen das zusammen an und schützen die Risikogruppen. Welches Unternehmen kriegt man mit Angst und Verboten geführt? Ich kenne keines. Ein Unternehmen kriegst du nur durch Spirit, eine Philosophie, eine Vision geführt. In die Richtung muss es gehen.
Mit Angst wird es wohl auch nicht leichter, die Zuschauer zurückzugewinnen.
Stimmt. Die Menschen brauchen Kultur und Geselligkeit, das gehört zum Leben dazu. Wir können nicht alles verbieten, was Spaß macht. Ich sage: Lass uns doch sicheren Spaß haben. Der Mensch ist von Natur aus ein geselliges und soziales Wesen. Und das ist auch gut so.
Wie sehen Sie die Lage der Kölner Haie?
Mit der 250-Zuschauer-Grenze ist jegliche Nutzung ad absurdum geführt. Mit 250 Zuschauern kann man nicht mal die Security zahlen. Bis vor drei Wochen waren wir auf Hochtouren dran, ein Hygienekonzept mit bis zu 6000 Zuschauern abzustimmen. Jetzt will man Mitte Dezember starten. Unter den aktuellen Bedingungen sehe ich dafür düster. Die Haie sagen ganz klar: Unter 5000 oder 6000 Zuschauern können wir nicht spielen. Mit 7000 würde es gehen, da haben wir ein Konzept. Aber auch da werden durch den Gesellschafter 6000 Tickets ausgeglichen. Es ist alles ungewiss.
Es heißt immer wieder: Die Veranstaltungsbranche liegt im Sterben. Kann die Lanxess-Arena sterben?
Nein, das sehe ich bei der Arena ehrlich gesagt nicht. Aber ich sehe das in der Veranstaltungsbranche in vielen Bereichen. Für uns geht es aber auch darum, wettbewerbsfähig zu bleiben. Es gibt viele städtische Arenen, die bekommen am Ende des Jahres den Verlust ausgeglichen. Den Luxus haben wir nicht.
Warum ist die Arena gegen das „Sterben“ abgesichert?
Tja, das ist schwierig. Nur so viel: Ich gehe nicht davon aus.
Wie kommen Sie ganz persönlich mit der Situation klar?
Ich war jetzt mal knapp sieben Tage weg. Ich habe aber im Urlaub durchgearbeitet. Seit März habe ich oft stündliche Gemütsschwankungen. Die 250er-Geschichte war schon hart. Das war unnötig und extrem frustrierend, Insgesamt ist es sehr intensiv, sehr anstrengend. Man hat natürlich auch die 450 Mitarbeiter, die in der Kurzarbeit sind. Da muss man die Fahne hochhalten. Normalerweise kannst du als Manager gewisse Sachen beeinflussen. Das, was jetzt alles passiert, ist völlig fremdgesteuert. Da muss man sehr darauf achten, von der Grundeinstellung positiv zu bleiben.
Gibt es etwas, das Ihnen Hoffnung macht?
Schwierig (überlegt lange). Wichtig ist aber: Ich halte es für gefährlich, wenn sich alles auf den Impfstoff fokussiert. Die Gesellschaft muss umdenken. Wir müssen es gemeinsam anpacken und lernen, mit dem Virus zu leben. Der ganze Regel-Wirrwar ist zumindest keine Lösung, da blickt keiner mehr durch.