Tierpfleger im Kölner Zoo„Manchmal kraulen wir, bis sie vor Wonne umfallen“
Lesezeit 5 Minuten
Köln – „Hinten links“, „vorne rechts“ und „ohne Namen“ stehen erwartungsvoll am Gitter. Es ist kurz nach acht, Tierpfleger Christoph Kiesow ist spät dran, und die drei betagten Capybaras haben Hunger. Sobald er den Schieber umlegt hat und der Weg frei ist, streben die größten Nagetiere der Welt zu ihren Futternäpfen. Heute gibt’s Fenchel, dazu Sellerieeckchen.
Arnulf-und-Elizabeth-Reichert-Haus ist fertig
Noch für Besucher geschlossen ist das komplett fertiggestellte Arnulf-und-Elizabeth-Reichert-Haus. Schuld sind die Corona-Schutzbestimmungen. „Wir dürften immer nur sieben Personen auf den Pfad lassen, der durch das Haus führt. Das gäbe sehr lange Schlangen und unzufriedene Besucher“, so eine Zoo-Sprecherin. „Deshalb eröffnen wir das Haus derzeit noch nicht.“
Alle Tiere sind schon drin: Vertreter zahlreicher Arten aus Südamerika leben bereits gemeinsam im Haus, wie etwa Faultiere, Brüllaffen, Kapuzineräffchen und Gürteltiere. Die Schwarzfußkatzen haben ein eigenes Areal. Mit etwas Glück können sie aber schon jetzt in den Außengehegen rund um das denkmalgeschützte Gebäude mit den charakteristischen Zwiebeltürmen beobachtet werden. (bos)
Seit 2012 leben die drei im Kölner Zoo, aber so recht hat noch niemand Muße gehabt, ihnen Namen zu geben. „Tick, Trick und Track waren mal im Gespräch, haben sich aber nicht durchgesetzt“, sinniert Kiesow. Was soll’s. Ihre „provisorischen“ Namen stehen auf den Gehegetüren, alles ist penibel gefegt, die Einstreu aus Erde geharkt und sauber. Die Capybaras teilen sich das Haus, das zum Bereich Südamerika gehört, mit den Tapiren. Kiesow lehnt sich durch die Stalltür nach draußen und pfeift. Damit lockt er die drei Tapire an , die gelassen im Außengelände grasen. Während die Tiere auf ihn zukommen beobachtet er sie aufmerksam, checkt ab, ob es ihnen gut geht.
Nach seiner Ausbildung direkt nach Köln
Der 33-Jährige ist quasi ein Eigengewächs des Zoos. Aufgewachsen auf Usedom, kommt er mit 20 nach seiner Ausbildung in einem Tierpark sofort nach Köln. Seit 1. Juni ist er Reviertierpfleger im erweiterten Bereich Südamerika. Neben den Tapiren und Capybaras kümmert er sich um Ameisenbären, Pudus, die kleinste Hirschart der Welt, und die Tiere im Arnulf-und-Elizabeth-Reichert-Haus (s. Kasten), wie etwa die seltene Schwarzfußkatze. Vögel, Raubtiere, Mini-Hirsche – das südamerikanische Artenspektrum ist breitgefächert. „Viele Tierarten, das ist genau mein Ding“, sagt Kiesow. „Ich könnte mich niemals nur um Elefanten kümmern.“
Jetzt sind aber endlich die Tapire dran. Die 200 Kilo schweren Pflanzenfresser warten schon. Kiesow schleppt eine Kiste Gemüse ins Gehege. Einträchtig knacken die Tiere nebeneinander Möhren in zwei Teile, um sie besser kauen zu können. „Sie sind eine Familie, Rubia ist das Jungtier, erklärt er. „Sie ist übermütig. Kommt das Futter nicht schnell genug, rempelt sie auch mal. Und das merkt man.“
Eigentlich aber sind Flachlandtapire Fluchttiere, die in den Regenwäldern des Amazonasgebietes leben. Bei Gefahr stürzen sie sich ins schützende Unterholz. „Deshalb haben sie die Form eine Torpedos und eine sehr harte Haut“, erklärt der Pfleger. Die fühlt sich an wie ein Körperpanzer. Trotzdem sind die drei an einigen Stellen sehr empfindlich. Und ganz jeck auf Streicheleinheiten. „Wir kraulen sie manchmal, bis sie vor lauter Wonne auf die Seite fallen“, erzählt Kiesow lächelnd. „Das ist gut für den Kontakt. Und wir können so entspannt ihre Füße kontrollieren. Sogar Spritzen kann man ihnen so geben, ohne sie zu stressen.“
Täglich kontrollieren, ob es allen Tieren gut geht, wöchentliches Wiegen, Kontakt-Training, Ställe und Außenanlagen säubern, dazu Futter zubereiten und die Gehege ablaufen, um Müll oder Handys aufzusammeln, die Besuchern aus der Hand gefallen sind – die Aufgaben der fünf Tierpfleger und Tierpflegerinnen sind vielfältig. „Ab und zu bauen wir auch etwas selber im Gehege. Und wir bringen im Gespräch mit dem Kurator Ideen ein. Bald bekommen die Tapire mehr Unterholz, damit ihr Lebensraum naturnäher wird“, erzählt der 33-Jährige. Er ist einer der jüngsten der 17 Reviertierpfleger im Zoo.
Damit die Tapire mehr für ihr Futter tun müssen, hat Kiesow die Raufen durch Heutonnen mit Löchern ersetzt. Das ist gut gegen Langeweile, aber kann auch entscheidend sein, wenn Nachkommen ausgewildert werden sollen. „Bei Wildpferden hat sich gezeigt, dass sich die Schnauze der Tiere über Generationen hinweg verkürzt hat, weil sie ihr Futter nicht mehr mit Kraft abreißen müssen“, erläutert er. „Solche Tiere hätten es in der Natur sehr schwer.“
Ameisenbären werden behutsam geweckt
Es ist halb zehn, vor der Frühstückspause wartet noch ein Job auf den 33-Jährigen. Weckdienst. Jetzt müssen die Ameisenbären aufstehen. Und das passt Weibchen Ibera gar nicht. Eingerollt schläft sie weiter, ihren langen Kopf unter dem buschigen Schwanz versteckt. Da kann Kiesow mit den Näpfen klappern wie er will. „Ich mache Geräusche, damit wir die nachtaktiven Tiere nicht überfallen.“ Schließlich lässt sich Ibera doch anlocken. Gereicht wird eine Mischung, in der auch Erde enthalten ist. „Die fressen die Ameisenbären ja auch mit, wenn sie mit ihrer langen Zunge nach Nahrung suchen“, sagt der Pfleger. Er wiegt, was übrig bleibt, trägt die Gramm in eine Tabelle ein. „So merken wir, wenn es einem Tier nicht gut geht.“ Das ist auch wichtig, wenn Nachwuchs geplant ist –vor kurzem ist eine Paarung bei den Ameisenbären geglückt. Was das Wohlbefinden der Tiere angeht, freut sich Kiesow auch über Tipps von Stammbesuchern, die „ihre“ Tiere oft stundenlang beobachten und sehr gut kennen. „Wenn einer von Ihnen uns sagt: ’Das Äffchen bewegt sich heute anders’, dann nehmen wird das absolut ernst.“