Köln – Welche Art der Unterstützung kann die Hochschule einem psychisch erkrankten oder belasteten Studierenden geben? Wie gehen Mitarbeiter von Prüfungsämtern, Dozenten und Professoren mit diesen Problemen ihrer Studierenden um? – Zu diesen und weiteren Fragen zum Thema „psychische Beeinträchtigungen während des Studiums“ führen Dr. Rainer Weber und seine Mitarbeiter im Auftrag des Rektorats der Universität zu Köln eine qualitative Studie durch. Der leitende Psychologe der Klinik für Psychosomatik an der Uniklinik Köln will so Antworten von den Betroffenen und Befragten erhalten, mittels derer man die Hilfs- und Betreuungsangebote für die Studierenden bedarfsorientiert gestalten kann.
Auch wenn das Problem nicht neu ist, sind die Zahlen, die Weber vorliegen, besorgniserregend: Laut einer von ihm beauftragten Online-Befragung in den Jahren 2014/15 unter knapp 45 000 angeschriebenen Kölner Studierenden gaben mehr als die Hälfte von den rund 5000, die geantwortet haben, größere psychische Probleme wie depressive Symptome oder Angststörungen an. „Natürlich wissen wir, dass in solchen Befragungen vor allem Betroffene und Menschen, die dem Thema offen gegenüberstehen, antworten. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO lassen sich aber bei rund 20 Prozent aller Studierenden psychische Störungen nachweisen.
Die Spanne geht da von leichten bis hin zu schweren Depressionen und Angststörungen“, so Weber. Zudem nehmen viele während ihres Studiums regelmäßig Stimulanzmittel, um fitter zu sein, oder konsumieren zu viel Alkohol oder Marihuana, um runterzukommen, was die Probleme zusätzlich verstärkt. Das alles sei aber nicht überraschend, so Weber weiter. „Wir wissen aus vielen Studien, dass etwa 75 Prozent der psychosomatischen Störungen bis zum 25. Lebensjahr erstmalig auftreten. Zudem ist der Beginn des Studiums für einen Teil der Studierenden nicht die schönste Zeit des Lebens, sondern ein einschneidendes Erlebnis, das mit Ängsten verbunden ist.“ Positiv sei, dass die Problematik in den vergangenen Jahren mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt sei. Und Corona dies vielleicht noch verstärken werde.
Niederschwellige Angebote für Studierende
Erste Anlaufstelle für rund 90 000 Studierende in Köln, wenn sie psychische und sozial begründete Probleme haben, ist das von den Hochschulen unabhängige Kölner Studierendenwerk (KStW). Mehr als 3000 ausführliche Beratungen mit rund 2000 Studentinnen und Studenten finden im Jahr in der Beratungsstelle statt. Die Tendenz ist deutlich steigend: seit 2012 wurde ein Plus von rund 50 Prozent verzeichnet. Neben psychischen Problemen wie Depressionen, Partner-/Elternstress-Symptomen oder Essstörungen seien vor allem Prüfungsangst, Konzentrationsschwierigkeiten, Einsamkeit, Zweifel am Studienerfolg, Schreibblockaden und mangelndes Lern-/Zeitmanagement Themen in den Beratungen.
„Wir betreiben keine Diagnostik, sondern leisten präventive Arbeit und versuchen Lösungen für die Studierenden zu finden, da all die zuletzt genannten Probleme zu schwereren chronischen psychischen Störungen führen können“, so Gaby Jungnickel, Leiterin der Beratungsstelle im Kölner Studierendenwerk. Bei schwerwiegenderen Problemen wie starker Sucht oder psychosomatischen Störungen werden die Studierenden jedoch zu Ärzten und Therapeuten weiterverwiesen.
Trotz Problemen das Studium beenden
Jungnickel begrüßt die Entwicklung, dass immer mehr Studentinnen und Studenten die niederschwelligen Angebote ihrer Beratungsstelle nutzen. Gründe dafür seien jedoch nicht allein die Zunahme von psychischen Störungen, sondern auch die wachsende Bekanntheit der Beratungsangebote beim KStW und eine größere Offenheit gegenüber Krankheitsbildern wie etwa der Depression. Natürlich gäbe es weiterhin Hemmschwellen, psychische Probleme offen zu legen, etwa bei Studierenden, die ein Staatsexamen machen, wie Lehrer und Juristen, so Jungnickel weiter. „Aber gerade die nutzen unsere niederschwelligen Beratungen auch deshalb, weil ein Besuch im KStW nirgendwo vermerkt wird – auch nicht im für die Verbeamtung wichtigen Gesundheitszeugnis.“ Vielen Studentinnen und Studenten, die in die Beratungsstelle kommen, könne man daher oft zielgerichtet weiterhelfen, so dass sie trotz ihrer psychisch schwierigen Lage ihr Studium beenden können.
„Es gibt beispielsweise einen Nachteilsausgleich, über den die jeweilige Hochschule entscheidet. Studierende mit psychisch-bedingten Leistungsbeeinträchtigungen können so an den Hochschulen Erleichterungen in den Prüfungen bekommen – zum Beispiel etwas mehr Zeit“, so Jungnickel. Eine andere Möglichkeit biete die Beantragung eines Urlaubssemesters, um ohne Prüfungsstress die psychischen Probleme besser in den Griff zu bekommen.
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Das Ziel, Studierenden in schwierigen psychischen Lagen bedarfsgerecht helfen zu können, verfolgen auch Dr. Rainer Weber und sein Team. Die Ergebnisse seiner Studien-Arbeit könnten die Beratungsleistung des Studierendenwerks unterstützen und die Schaffung neuer Angebote an den Hochschulen für die Betroffenen anregen.