Ein halbes Jahr nach dem LockdownDie Entwicklungen in Köln im Überblick
Köln – Vor genau einem halben Jahr trat der bundesweite Corona-Lockdown in Kraft. Innerhalb eines Tages wurde die ganze Stadt heruntergefahren – mit Auswirkungen, die bis heute spürbar sind.
Gastronomie
Rund 3000 Gastronomiebetriebe gibt es in Köln, ein Drittel sieht der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) akut gefährdet. In den Sommermonaten ist die Krise überdeckt worden, die Stadt hat unbürokratisch geholfen und zusätzliche Außenplätze auf Parkplätzen genehmigt, Gebühren für Terrassenplätze wurden erlassen. Die Regelung hat der Stadtrat bis Ende 2021 verlängert. Nun drohen neue Beschränkungen, mit Karneval und Weihnachtsfeiern fallen die nächsten Einnahmequellen weg. Dabei ist die absolute Zahl der Gaststättenbetriebe sogar gestiegen: Sie lag zum 31. Dezember 2019 bei 5103 und liegt heute bei 5172. Viele Betriebe, die schließen mussten, wurden neu verpachtet und umgebaut. Eingerechnet sind neben Restaurants und „Kneipen“ auch Trinkhallen, Stehcafés und Imbissbetriebe.
Tourismus
Der Dom, natürlich. Die Altstadt, der Rhein – Anziehungspunkte für Touristen aus aller Herren Ländern. Aber eben nicht nur für die Freizeittouristen: Köln lebt vom Geschäftstourismus, vom Handel, von und mit der Messe. Alles weggebrochen, quasi über Nacht. Die Hotelbuchungen knickten dramatisch ein und erholen sich nur langsam. Köln ist Event-Stadt, lebt von Veranstaltungen. Aber: „Die Übernachtungszahlen entwickeln sich positiv, vor allem aus den ,Nahmärkten’. Businessreisen finden dagegen nur in schwachem Ausmaß statt. Die Steigerungen sind vor allem Freizeitreisenden zuzuschreiben“, erklärt Kölntourismus-Geschäftsführer Jürgen Amann.
Einzelhandel
Als im März der Lockdown kam, traf das den Einzelhandel – mit Ausnahme der Lebensmittelversorgung, Drogerien und Apotheken – hart und in vielen Fällen unerwartet. Viele Betriebe konnten sich mit Rücklagen über Wasser halten, andere haben aufgegeben. Die Corona-Programme von Bund und Land halfen zwar. Aber viele kleinere Läden hätten ohne eine ganz andere Hilfe nicht überlebt: Manche Vermieter haben über den Lockdown ihren Mietzins drastisch gesenkt. Was nur auf den ersten Blick verwundert: Die Insolvenz-Zahlen sind im Vergleich zum Vorjahreszeitraum extrem zurückgegangen, 563 Geschäftsinsolvenzen bis August 2019 stehen gerade mal 372 Anträgen 2020 gegenüber. Das hängt allerdings damit zusammen, dass die gesetzliche Pflicht zum Insolvenz-Antrag bis Ende des Jahres ausgesetzt wurde. Soll heißen, die Zahlen sind weder besonders aussagekräftig, noch belastbar – Experten befürchten eine drastische Zunahme nach Ablauf der „Corona-Schonfrist“.
Kliniken
Die Lage in den Kölner Kliniken hat sich entspannt. Bis zum Lockdown, als die nachgewiesenen Infektionen innerhalb von ein paar Tagen nach oben schossen (von vier auf 780) und bis in den April hinein auf den Höchststand von knapp 1000 stiegen, standen in den städtischen Kliniken und der Uniklinik 350 Intensivbetten zur Verfügung, von denen gut ein Fünftel belegt war. Der Höchststand war in der zweiten Aprilwoche mit 75 belegten Intensivbetten, der Tiefststand lag bei sieben Patienten um den 4. Juni herum. Aktuell liegen 18 Corona-Patienten auf den Intensivstationen. Kölner Bürger können sich in drei Infektionsschutzzentren plus einem am Flughafen auf Corona testen lassen. Den Anfang machte das Testzentrum an der Uniklinik, das bereits Anfang März seine Arbeit aufnahm. Ebenso das provisorische Testzentrum am Rautenstrauch-Joest-Museum, das Anfang Mai ins Gesundheitsamt umzog. Das Testzentrum am Flughafen wurde am 18. Juli eingerichtet und das Zentrum am Bahnhof Ende August. In Köln wurden bislang knapp 300 000 Corona-Tests durchgeführt.
Schulen/Kitas
Von einem auf den anderen Tag mussten rund 152 000 Kölner Schülerinnen und Schüler sowie rund 42.000 Kitakinder zuhause bleiben, Mütter und Väter alternative Betreuungsmöglichkeiten finden, sich über Wochen mit Notlösungen im „Home-Schooling“ quälen, Höchstbelastungen stemmen. Zwar gibt es wieder Präsenzunterricht, aber ein „Normalunterricht“ ist es nicht – freiwillig mit Maske, was umstritten ist. Digitale Systeme sind im Aufbau, aber es mangelt an Endgeräten. 260 Kölner Schulen verfügen derzeit über rund 17.500 i-Pads und 3500 Notebooks, alle 11.000 Lehrer sollen mit NRW-Förderung mobile Endgeräte erhalten, 30.000 Geräte angeschafft werden. Ausfälle von Lehrkräften aus Risikogruppen oder wegen Quarantänemaßnahmen führen zu eingeschränkten Angeboten. Zwar gibt es mehr Vertretungslehrer, aber das kompensiert nicht alles. In Kitas läuft der Vollbetrieb unter Auflagen wieder. Im Juni und Juli fielen Elternbeiträge für Kitas und OGS weg.
Hochschule
Nach dem Corona-Lockdown stellten die Hochschulen im Schnellverfahren auf digitale Lehrformate um. Für das Wintersemester plant die Universität ein Hybrid-Konzept mit digitalen Lehrangeboten und, wenn möglich, Präsenz vor Ort (mit Maskenpflicht), unter Beachtung der Corona-Auflagen. In einem Pilotprojekt werden Leih-i-Pads der Uni bereitgestellt. In der TH wird überwiegend digitaler Lehrbetrieb stattfinden, dazu Präsenzveranstaltungen besonders für Erstsemester. Konzepte sind in Arbeit. Studierende leiden unter finanziellen Notlagen, Jobs brachen weg, psychosoziale Beratungsangebote des Studierendenwerks sind verstärkt gefragt. Beim Kölner Werk wurden 9181 Anträge auf Überbrückungshilfe des Bundes gestellt, bisher wurden 4494 bewilligt mit einem Gesamtvolumen von knapp zwei Millionen Euro. Das Kölner Werk hat einen Corona-Sonderfonds mit einem Darlehen-Topf von 100 000 Euro aufgelegt, davon sind 70 000 Euro vergeben. Erste Mensen haben wieder geöffnet.
Kultur
Geschlossene Museen, Theater, Clubs: Nichts drehte sich mehr. Kalt erwischt von einem auf den anderen Tag. Besonders bitter bis heute ist die Situation der vielen freischaffenden Kölner Künstler – sie fallen bei den staatlichen Hilfen oft durchs Raster. Langsam gibt es wieder erste Gehversuche, aber es wird noch Monate dauern, bis Köln wieder einen regulären Spiel- und Veranstaltungsbetrieb hat.
Kriminalität
Für die Polizei waren die vergangenen Monate eine besondere Zeit. Die Beamten mussten sich zu Zeiten des Lockdowns nicht wie sonst mit Taschendieben oder Einbrechern befassen, sondern mit Menschen, die sich nicht an die Corona-Regeln halten. Dafür gab es mehr Trickbetrüger am Telefon, weil die Bürger zu Hause geblieben sind. Der Streifendienst hatte besonders nachts wesentlich weniger zu tun. Mittlerweile sind die Zahlen wieder auf „Normalniveau.“
Das könnte Sie auch interessieren:
Politik
Vom 16. März an fielen die Sitzungen des Stadtrates, seiner Ausschüsse und der Bezirksvertretungen größtenteils aus. Am 26. März tagte der Rat erstmals unter Corona-Auflagen, man hatte die Sitzung eigens in den großen Saal des Gürzenichs verlegt. Die Stadtverwaltung hatte die Sitzung ursprünglich ganz absagen wollen, aber die Politik bestand darauf. Mit 90 Minuten war es eine der kürzesten Ratssitzungen überhaupt. Seit dem 10. September tagt der Rat wieder im Ratssaal, zuvor wurden eigens Boxen aus Acrylglas eingebaut. (two/mft/dhi/mw/fu/ta)