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Streit in Kölner PolitikFriedensgipfel der SPD scheitert – Partei fordert Einigung

Lesezeit 5 Minuten

  1. Ein mehrstündiges Vermittlungsgespräch konnte den Abwahlantrag gegen Fraktionschef Christian Joisten nicht abwenden.
  2. Parteispitze fordert per Brandbrief ein schnelles Ende des Streits, die Basis ist sauer.
  3. Der Showdown am Mittwoch rückt näher.

Köln – Trotz massiver Proteste innerhalb der Kölner SPD ist die mögliche Abwahl von SPD-Fraktionschef Christian Joisten auch einen Tag vor der entscheidenden Sitzung am Mittwoch nicht abgeräumt. Eigentlich sollte ein Gespräch am Ostermontag eine Lösung bringen, den Abwahlantrag gegen Joisten beerdigen. Doch Joisten und seine drei Kontrahenten, die Stellvertreter Andreas Pöttgen, Peter Kron und Monika Schultes, redeten zwar stundenlang miteinander – konnten sich aber nach Rundschau-Informationen nicht einigen. Die Hürden für einen Kompromiss blieben hoch, war hinterher zu hören.

Am heutigen Dienstag (14. April) folgt Runde zwei. Es ist vermutlich die letzte Chance, den Knatsch auszuräumen, bevor die Fraktion am Mittwoch tagt und über Joisten entscheidet. Der Showdown rückt damit näher. Joisten und Pöttgen wollten sich am Montagabend nicht äußern, es handele sich um eine fraktionsinterne Angelegenheit.

Wie am Samstag berichtet, wollen Pöttgen und Co. Joisten abwählen. Sie kritisieren seine Alleingänge samt vermeintlich eigenmächtiger Ausgabe von Fraktionsgeldern und dass er die Fraktion nicht geeint habe.

Am Osterwochenende hat die 27-köpfige Fraktion nun zusätzlich Druck bekommen, und zwar von ihrer geschäftsführenden Parteispitze um die Vorsitzende Christiane Jäger. Am Sonntag haben Jäger und Co. unter anderem die Vorsitzenden der Ortsvereine und Stadtbezirke angeschrieben. Es sind nur zwei Seiten, nicht mal voll beschrieben, aber es sind zwei Seiten, die offenbaren, was in der Kölner SPD gerade los ist. Es geht um den Führungsstreit in der Fraktion, die Partei fordert ein schnelles und einvernehmliches Ende.

Das Schreiben liegt der Rundschau vor, darin heißt es: „Wir bekräftigen die Forderung an die Ratsfraktion und insbesondere an die Verantwortlichen, eine Abstimmung über die Abwahl des Fraktionsvorsitzenden durch eine vorher zu treffende Vereinbarung zur weiteren Zusammenarbeit zu verhindern.“ Zum geschäftsführenden Vorstand zählen Christiane Jäger, Susana Dos Santos, Katharina Letzelter, Fabian Stangier, Sebastian Bucher und Sarah von Dawen-Agreiter, ihre Namen stehen unter dem Schreiben. Keiner davon sitzt im Stadtrat.

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Laut des Briefs hat der Vorstand viele Reaktionen voller Unmut über das Fraktionsgebaren erhalten – in fünf Monaten ist ja Kommunalwahl, eine neue Fraktion also in Sicht, aktuell tobt die Corona-Krise. Und die Fraktion zerlegt sich jetzt? Das bringt wohl viele Mitglieder auf.

Das Schreiben dokumentiert, was die Partei von den Vorgängen in der Fraktion hält: nichts. „Im Namen der Partei appellieren wir an alle sozialdemokratischen Ratsmitglieder in ihrem Handeln und alle Parteimitglieder in ihren öffentlichen Äußerungen ihrer Verantwortung für die Kommunalwahl 2020 sowie für die SPD als Ganzes gerecht zu werden und Schaden von der Partei abzuhalten.“

Der Vorstand bekommt offensichtlich Muffensausen mit Blick auf die Kommunalwahl. Eine stets zankende Sozialdemokratie schreckt vermutlich nicht nur Wähler ab, sondern auch eigene Wahlkämpfer. Im Brief steht: „Die Genossen/innen, die sich im Wahlkampf für die SPD einsetzen, müssen sich sicher sein, dass wir ihre Arbeit wertschätzen.“ Im Umkehrschluss heißt das wohl: Daran haben Jäger und Co. angesichts des Zwists ziemliche Zweifel.

Chronik eines innerparteilichen Streits

9. April 2018: SPD-Fraktionschef Martin Börschel kündigt Rückzug aus der Politik an, er will neuer Stadtwerke-Boss werden. Doch die Affäre um die nicht ausgeschriebene Stelle verhindert das.

29. Juni 2018: Börschel terminiert Rückzug als Fraktionschef im Stadtrat auf den 22. Juli.

9. Juli 2018: Fraktion wählt Christian Joisten mit 13 zu elf Stimmen, Klaus Schäfer unterliegt. Von den damals 26 Mitgliedern fehlen zwei. Heute hat die Fraktion 27 Mitglieder, Thomas Hegenbarth (früher Piraten) ist gewechselt.

22. Juli 2018: Rücktritt Börschel, tags darauf übernimmt Joisten.

Juli 2018: Joisten sagt zur Frage einer Oberbürgermeister-Kandidatur 2020: „Ich muss mir das vorstellen können.“

26. September 2019: Joisten verklagt Stadt wegen der Höhe des Verdienstausfalls, er arbeitet als Unternehmensberater.

Oktober 2019: Parteichefin Christiane Jäger greift Joisten an: „Du klagst als Privatperson, aber wegen deiner Funktion als Fraktionsvorsitzender. Und in diesem Fall ist das nicht rein privat, sondern zwingend mir mitzuteilen.“ Medien erhalten die E-Mail.

23. November 2019: Jäger sagt: „Das ganze innerparteiliche Hickhack muss aufhören und es wird aufhören.“

1. März 2020: Joisten zieht die Klage gegen die Stadt letztlich zurück.

7. April 2020: Abwahlantrag von Teilen der Fraktion gegen Joisten. Am 15. April soll darüber abgestimmt werden. (mhe)

Selbst bis in die Berliner Politik hat es der Kölner Knatsch geschafft. Nach Rundschau-Informationen hat Rolf Mützenich wenig Verständnis dafür gezeigt und über Ostern mit einigen Politikern in Köln gesprochen. Der Kölner Bundestagsabgeordnete und SPD-Fraktionschef im deutschen Bundestag wünscht sich eine einvernehmliche Lösung – ebenso wie der geschäftsführende Vorstand der Kölner SPD. Vermutlich ist dessen Brief ein Stück weit eine Absatzbewegung der Parteispitze gegenüber der Fraktion, die auf den letzten Metern ist, Stand jetzt soll die Wahl ja im September stattfinden. Und die SPD muss noch ihre Kandidaten auswählen, der Fraktionsstreit könnte Beteiligte Stimmen kosten.

Pöttgen, Kron und Schultes hatten Joisten den Antrag vorigen Dienstag präsentiert, dem Vernehmen nach haben 14 der 27 Fraktionsmitglieder per Unterschrift dokumentiert, diese Abwahl zu unterstützen. Tags darauf wollte das Trio die Fraktion abstimmen lassen – doch das verhinderte die nötige Frist von einer Woche. Joisten gewann Zeit, die Granden wie Mützenich und die Basis mischten sich ein, das innerparteiliche Grummeln entwickelte Wucht. Der Überrumpelungseffekt war dahin, ein Fraktionsmitglied sagte am Montag: „Die Idee ist ja nicht falsch, aber der Zeitpunkt ist es.“