Stadtrat trifft sich im GürzenichKölner Politiker tagen mit Atemschutzmasken
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Köln – Im Gürzenich könnte an diesem Donnerstagnachmittag ebenso eine Abiturprüfung stattfinden. Statt der bedrängten Enge im Ratssaal tagen 46 der sonst 90 Ratsmitglieder im großen Saal von Kölns sogenannter guter Stube – und zwar mit viel Abstand, um mögliche Infektionen mit dem Corona-Virus zu verhindern. Traditionell wird im Gürzenich das Dreigestirn proklamiert, nun versammelt sich der Rat in kleiner Form, teils mit Atemschutzmaske wie etwa Jörg Frank (Grüne) oder Thomas Hegenbarth (SPD). Kommunalpolitik statt Karneval.
Ältere Politiker bleiben fern
Vor allem die älteren Politiker sind offensichtlich wie geplant nicht gekommen, die sonstigen Mehrheitsverhältnisse bleiben gewahrt. Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) wollte die Sitzung absagen, die Politik sah das anders, also sagt Reker: „Wir treffen uns in dieser außerordentlichen Situation, damit die notwendigen Entscheidungen in einer rechtssicheren Form getroffen werden können.“ Die OB bittet Ratspolitiker mit Erkältungssymptomen, die ausliegenden Stoffmasken zu tragen, „auch um andere nicht zu verunsichern bei Niesanfällen“.
Aber muss der Stadtrat sich wirklich treffen? Ist die Infektionsgefahr nicht zu groß? Hat der Rat nicht eine Vorbildfunktion für die Einwohner, die zu Hause bleiben sollen? Reicht es nicht, den kleineren Hauptausschuss tagen zu lassen und den Rat Entscheidungen später genehmigen zu lassen? Das Land hatte empfohlen, politische Gremien „auf das absolut notwendige Mindestmaß zu reduzieren“.
Andere Städte wie etwa Bonn, Düsseldorf, Dortmund, Essen und Duisburg haben ihre Ratssitzungen abgesagt, andere Städte wie Dresden tagen. In Düsseldorf etwa regelt unter anderem der Ältestenrat den Betrieb, es ist ein Gremium aus Verwaltung und Politik. Rolf Tups, CDU-Fraktionsvorsitzender im Düsseldorfer Rat, sagt der Rundschau: „In diesen Zeiten muss man zwischen wichtig und unwichtig unterscheiden. An einem Schaulaufen der Politik kann doch niemand ein Interesse haben.
Wir haben als Politik eine Vorbildfunktion: Wir können den Menschen nicht verbieten, auf die Spielplätze zu gehen, lassen aber den Rat tagen.“
Im Rat beschlossen
Hohenzollernbrücke
soll erweitert werden
Die Hohenzollernbrücke zwischen Hauptbahnhof und Mese/Deutz soll auf der Nord- und Südseite erweitert werden, um die Situation für Fußgänger und Radfahrer zu verbessern. Die 11,4 Millionen Euro für die Planung hat der Rat freigegeben. Ein Zeitplan liegt noch nicht vor. Eine erste Kostenschätzung geht von 57,7 Millionen Euro aus.
Laurenz-Carré am Dom mit billigen Wohnungen
Es gibt keinen Präzedenzfall beim Bau des Laurenz-Carrés südlich des Roncalliplatzes. Die Gerchgroup muss in dem geplanten gemischten Quartier mit Hotels, Büros und Wohnen 19 öffentlich-geförderte Wohnungen bauen – trotz Toplage am Dom. Der Investor muss dem Kooperativen Baulandmodell folgen, es sieht 30 Prozent günstige Wohnungen vor.
Rat sichert Vorkaufsrecht
Der Rat hat ein Vorkaufsrecht für das Otto-Langen-Quartier im Mülheimer Süden beschlossen. Das Areal nicht der Stadt, sondern drei Eigentümern. Über das Vorkaufsrecht möchte die Stadt verhindern, dass eine laut Verwaltung „Fehlentwicklung“ stattfindet. Auch das gekündigte Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste kann nun wieder hoffen. (mhe)
Der Kölner Rat sieht das anders, man wolle die „verfassungsrechtlich verankerten demokratischen Aufgaben und Pflichten zum Schutz der Menschen in Köln wahrnehmen“. Nach der Aktuellen Stunde zur Corona-Krise gibt es kaum Wortbeiträge, vorher waren sie statt fünf nur drei Minuten lang. Zuschauer sind keine da, die Sitzung dauert keine zwei Stunden.
Zur Notwendigkeit sagt Verwaltungsrechtler Professor Dr. Christian von Coelln von der Uni Köln: „Es geht immer um die Tagesordnungspunkte. Sofern diese hinreichend wichtig und dringlich sind, dann muss der Rat zusammenkommen. Demokratie – auch auf kommunaler Ebene – macht eben auch in Zeiten wie diesen keine Pause.“