AboAbonnieren

Serie

So wohnt Köln
Architekt lebt hoch über den Dächern von Rondorf im Glockenturm

Lesezeit 4 Minuten
Ein Blick auf den ungewöhnlichen Wohnraum im Glockenturm.

Ein Blick auf den ungewöhnlichen Wohnraum im Glockenturm.

Bis nach Bonn und in die Innenstadt kann Architekt Paul Link aus seiner Wohnung schauen. Sein Lieblingsausblick liegt aber viel näher.

Der Blick aus Paul Links Wohnung ist gewaltig. Der Architekt bewohnt eine ehemalige Glockenstube an der Rondorfer Hauptstraße. Das massive, 36 Meter hohe Bauwerk ist schon von weitem zu erkennen. Zu Fuß sind es gut 144 Stufen hoch in den Glockenturm, ehe man nahezu direkt im Wohnraum steht. Bequemer geht es hoch mit dem nachträglich eingebauten Aufzug.

Das Auge schweift vom Siebengebirge, dem Petersberg zum Drachenfels, in die andere Richtung blickt man auf den Kölnberg und die Degussa. Sein Lieblingsausblick ist aber jener auf das Neubaugebiet Rondorf Nordwest. „Hier liegt die Zukunft von Rondorf“, sagt der Architekt.

Blick aus Glockenturm in Rondorf fühlt sich abends an wie in Hongkong

Hinter dem Baufeld ragt sogar die Domspitze durch. Man sieht die Deutsche Welle, die Wohnanlage in Bayenthal und die Rodenkirchener Brücke. „Abends fühlt es sich an, als lebe man in Hongkong, wenn hier alle Lichter blitzen“, erzählt der dreifache Familienvater, dessen Kinder hier groß geworden sind.

Alles zum Thema Wohnen Köln

Architekt Paul Link bewohnt den Glockenturm in luftiger Höhe.

Architekt Paul Link bewohnt den Glockenturm in luftiger Höhe.

Die einstige Kirche Heilige Drei Könige ist von 1900 und eigentlich eher eine Kapelle, der bewohnte Kirchturm stammt von 1956. Die „Link Architekten“, ein Familienunternehmen, erwarben die Kirche 1986. In den folgenden vier Jahren wurde der fast quadratische Turm in Wohnungen umgebaut. Gefunden hat die Architektenfamilie den Kirchturm über den „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Die ehemalige Kölner Stadtkonservatorin, Hiltrud Kier, die auch das Programm der „Stadtspuren – die romanischen Kirchen“ ins Leben gerufen hat, hatte sich der Kirche angenommen. Ein wesentlicher Schwerpunkt der Arbeit Kiers war die Bewusstseinsbildung für die Denkmalpflege. In dem Zuge wurde das gesamte Ensemble unter Denkmalschutz gestellt. Seit 34 Jahren finden in der ehemaligen Kapelle regelmäßig Kulturveranstaltungen statt.

Künstliches Licht ist in der Wohnung im Rondorfer Glockenturm nicht nötig

Die Kirche ist genau „geostet“, die Glocke stand rund sechs Meter tiefer als dort, wo Link mittlerweile alleine wohnt. An der Fassade lassen sich die Schall-Luken erkennen, die das Kirchengeläut früher auf die Anwohner lenkte. Der Turm wirkt gegen die Kapelle monumental, diente aber als Verlängerung des Kirchenschiffs.

Drei Etagen öffnen sich auf zehn Meter Deckenhöhe und etwa 80 Quadratmeter Grund. Im unteren Bereich liegen ein kleines Schlafzimmer und WC, die Küche und der offene Wohnbereich. Im oberen Teil gibt es drei Schlafzimmer und ein Bad, ganz oben werden Sachen gelagert. Selbst im Winter braucht Link kein künstliches Licht. „Den ganzen Tag über ist es hier wie in einer Lichtkanzel, ich habe konstant tolles Licht“, sagt er.

Der Blick aus dem Glockenturm, den Architekt Paul Link bewohnt, geht in alle vier Richtungen weit.

Der Blick aus dem Glockenturm, den Architekt Paul Link bewohnt, geht in alle vier Richtungen weit.

Die Einrichtung wirkt auf den ersten Blick eher einfach. Ein neu bezogenes Sofa von Pesch gehörte früher seinen Eltern. Die Möbel sind schlicht, wie das Regal hinter dem Esstisch. Entworfen hat die Möbel Dieter Rams, einst legendärer Chefdesigner bei Braun, der etwa Jonathan Ive zu zahlreichen heutigen Apple-Geräten inspirierte, vom iMac bis zu iPad und iPhone.

Link-Architekten an mehreren Projekten in Rondorf beteiligt

Als 14-Jähriger baute Link bereits Modelle für seinen Vater Rolf Link, der ebenfalls Architekt war. Spätestens seit dem Besuch der Olympischen Spiele 1972 in München war dem damals 16-Jährigen klar, dass er Architektur studieren wollte. „Das ist Weltarchitektur.“ Häuser der Link-Architekten stehen nicht nur in Rondorf. Bruder Martin ist fast immer beteiligt. Ziegel sind das Markenzeichen. Die Schule in Rondorf und die Rondorf Arkaden sind mit Klinker gemauert, ebenso wie das Haus der Familie, eines seiner Lieblingsprojekte im Ort.

An Rondorf gefällt Paul Link besonders das Gemeinwesen, die Vereine, Karnevalsvereine, Kirchen und die Dorfgemeinschaft. Was dem Dorf fehlt, ist das, was kommt: Rondorf Nordwest. Für ihn die „Konvertierung eines provinziell anmutenden, kleinen Ortes“. Bereits 2011 fand die erste Bürgerwerkstatt statt. „Der Marktplatz, das Gymnasium, die Stadtbahntrasse kommen. Im Endeffekt sind alle Herzenswünsche, die ich an Rondorf hatte, in Erfüllung gegangen. Das erfüllt mich mit Stolz.“

Um den Baufortschritt zu dokumentieren, hat Link sich ein Stativ gekauft. Wenn es dann endlich losgeht und die Koordinaten stimmen, wird jeden Tag ein Foto gemacht. Mindestens 1000 Fotos, jeden Tag eins, bis Rondorf Nordwest endlich fertig ist.


Wenn Sie auch besonders wohnen – ganz hoch, ganz tief, ganz klein, ganz groß, mit speziellem Ambiente im Architektenhaus, auf dem Bauernhof, in einem Wohnheim, einem umgebauten Gutshof, in der Kaserne – und uns von Ihrer speziellen Wohnsituation erzählen wollen, dann melden Sie sich gerne per E-Mail bei uns.