Mit Fernblick auf die Gleise wohnen Saskia Wichelhaus und Michael Graul in einem alten Stellwerk direkt an den Bahngleisen in Bickendorf.
So wohnt KölnPaar lebt in einem umgebauten Stellwerk in Bickendorf

Saskia Wichelhaus und Michael Graul wohnen in einem ehemaligen Stellwerk in Bickendorf
Copyright: Sandra Milden
Zwar rumpelt es hörbar, wenn ein Güterzug bei Saskia Wichelhaus und Michael Graul vorbeifährt, doch empfinden die beiden die Geräusche weder als unangenehm noch als aufdringlich. Obwohl die beiden sehr nah, extrem nah, direkt an den Gleisen wohnen. Im ehemaligen Stellwerk Bickendorf. Bis 1974 wurden von hier aus die Züge gelenkt. Das Stellwerk wird heute über die Netzleitzentrale in Hürth-Keldenich ferngesteuert und überwacht. In den 1980er-Jahren wurde das Gebäude der Eisenbahn privat verkauft, damals für 20.000 DM. „Da ist leider wenig aktenkundig“, sagt Graul.

Der Blick geht direkt auf die Gleise, über die meist Güterzüge rumpeln.
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„Schockverliebt“ war Wichelhaus, als sie entdeckte, dass das alte Stellwerk zum Verkauf stand. Ein prinzipiell einfacher Bau, fast Bauhaus-Stil. Es braucht viele Fenster, um rundherum die Züge beobachten zu können. 18 Meter ist das ehemalige Stellwerk hoch, mit einem überhängenden Flachdach, auf dem Sukkulenten wachsen.

18 Meter ist das ehemalige Stellwerk hoch auf dem Gelände am Bahndamm in Bickendorf.
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Als Kind lebte die heute 49-jährige Juristin mit ihren Eltern in einem Wasserturm in Viersen. „Vielleicht kompensiere ich damit meine Liebe für den Turm, dieser weite Blick, alles ist hier im Fluss“, sagt sie. Seit rund 15 Jahren wohnen die beiden dort, sind seit 20 Jahren zusammen.
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Jeder Zentimeter Küche muss in dem schmalen Haus genutzt werden.
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Vom ersten verliebten Blick bis zum Kauf dauerte es gerade einmal sechs Wochen, obwohl die beiden eigentlich gar nichts kaufen wollten. Normale Wohnungen langweilen die Diplomjuristin, die lange den Dekoladen Coco in Sülz führte. Graul ist gelernter Natursteinrestaurator und restaurierte bereits Kirchen und Burgen. „Aber das war nicht der Grund, warum wir dieses Objekt haben wollten“, sagt der 57-Jährige, der als Dozent arbeitet.
Das alte Tor ist genauso erhalten. Genau wie das Gebäude hat sich hier nicht wirklich etwas verändert. Die ehemalige Schrankensteuerung befindet sich noch auf dem Grundstück. „Die Techniker haben auch noch einen Schlüssel“, sagt Graul.

Saskia Wichelhaus und Michael Graul wohnen in einem ehemaligen Stellwerk in Bickendorf.
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Das Stellwerk wurde um das Jahr 1900 erbaut, 1930 um einen Anbau ergänzt. Das Paar lebt auf rund 130 Quadratmeter. Ein Raum oben, ein Raum unten, plus Wintergarten. Über eine sehr steile Treppe, die den unteren mit dem oberen Bereich verbindet, ist alles offen. Die Hunde Kuka und Mori werden die Treppe heruntergetragen. „Für Kinder ist das hier nichts.“
Wintergarten ist der einzige abgeschlossene Raum
Abgeschlossen ist nur der Wintergarten, den die beiden bauen ließen, um mehr Wohnraum zu generieren. „Wir dachten, wir könnten einen 08/15 Wintergarten bauen. Aber eigentlich haben wir ein Haus angebaut“, sagt Graul. Der Wintergarten wurde wegen des Denkmalschutzes mit Stahlträgern an der Außentreppe angebaut. Recht ungewöhnlich führt deshalb diese Außentreppe über den Wintergarten, der Michael Grauls Lieblingsplatz mit Kamin ist, in den oberen Bereich.
Dort, wo früher der Fahrdienstleiter arbeitete, ist heute die Wohnküche. Jeder Zentimeter Küche muss in dem schmalen Haus genutzt werden. „Eigentlich kann man nirgendwo etwas hinstellen, weil es überall Fenster hat“, sagt Saskia Wichelhaus. Die Küche haben sie, genau wie das vorhandene Bad, vom Vorbesitzer übernommen. „Wir haben nicht einmal gestrichen, sondern sind so eingezogen.“

Den Wintergarten haben die beiden angebaut, um die Wohnfläche zu vergrößern.
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Bis auf einen Partyzug ab und an verkehrt hier reiner Güterverkehr. „Uns fragen immer alle, aber nachts ist es extrem ruhig, die meisten Züge fahren am Freitagnachmittag.“ Das heutige Schlafzimmer war früher eine Werkstatt, es gab Raum für Kohle, und die Loks konnten mit Wasser aufgefüllt werden. Auf einer Empore mit einer steilen Treppe hat sich Wichelhaus einen Homeoffice-Arbeitsplatz eingerichtet. Die beiden arbeiten viel von zu Hause und geben Online-Schulungen. Irgendwo noch einen Stuhl hinstellen? Etwas umbauen? Dafür ist das Haus etwas zu begrenzt.
Das Katasteramt hat das Stellwerk, das damals noch einem Gewerbegebiet zugehörte, lange nicht geführt. Das Haus hat noch Kupferleitungen fürs Telefon. Was sie besonders toll finden: Es gibt keine direkten Nachbarn. Es ist auch voll unterkellert. Unten ist es ganz still. Kein Wunder, neben dem Gewölbekeller befindet sich hier ein Luftschutzbunker. Müll sammeln die beiden in Säcken, da die Müllabfuhr nicht kommt. „Eigentlich passt hier nichts zusammen. Pizza oder ein Taxi kann man hier nicht herbestellen, die kommen nicht“, sagt Wichelhaus. Die Hunde schlagen auch nicht an, wenn jemand klingelt, denn eigentlich klingelt es nur ganz selten bei den beiden. So exponiert das Haus liegt, so wenig wird es als Wohnhaus wahr genommen.