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Prozess in KölnBrutale Entführung der Therapeutin war eiskalt geplant

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Ein Oberstaatsanwalt bindet einen Stapel

Ein Oberstaatsanwalt bindet einen Stapel (Archivbild

Zwei von einem Psychiater als zurechnungsfähig beurteilte Angeklagte könnten bis zu 15 Jahre Haft für die Entführung einer Therapeutin erhalten. Die Tat wurde detailliert geplant und durchgeführt.

Es mag widersprüchlich klingen: Aber um eine irrationale Tat zu begehen, braucht es keinen geistesverwirrten Täter. Verkürzt ließe sich so das Ergebnis der psychiatrischen Begutachtung zweier Angeklagter (40 und 55) zusammenfassen, die im Oktober 2023 eine Therapeutin aus ihrer Praxis entführten und für eine Nacht im Badezimmer ihrer Wohnung festgehalten hatten. Bei beiden Angeklagten kam der forensische Psychiater Dr. Stephan Roloff-Stachel zu dem Ergebnis, dass weder ihre Steuerungsfähigkeit, noch ihre Einsichtsfähigkeit während der Tatbegehung aufgehoben gewesen seien. „Die Tat wurde detailliert geplant. Sie hat nichts impulshaftes“, sagte Roloff-Stachel. Es liege vielmehr eine „umfänglich erhaltene strafrechtliche Verantwortungsfähigkeit“ bei beiden Angeklagten vor. Die Angeklagten müssen also damit rechnen, dass sie die nächsten fünf bis 15 Jahre hinter Gittern verbringen werden.

Köln: Therapeutin gefesselt und in Kiste gesperrt

Am 13. Oktober 2023 hatten die beiden Angeklagten, die verlobt sind und in der Haft gerne heiraten würden, die Therapeutin in ihrer Praxis überwältigt, sie betäubt und gefesselt in eine Metallkiste gezwängt. Anschließend hielten sie die Frau bis zum Mittag des darauffolgenden Tages in ihrer Niehler Wohnung fest. Erst nachdem die Frau sich vertraglich verpflichtete, 1,5 Millionen Euro Schmerzensgeld an den 40-Jährigen zu zahlen, und sie eine Verschwiegenheitserklärung unterschrieben hatte, war die Frau wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Die Frau verständigte anschließend umgehend die Polizei, die die beiden Männer wenig später in der Wohnung festnahmen.

Als treibende Kraft hinter der Entführung machte der Sachverständige den 40-jährigen Türken aus. Der Jurist, der seit 2013 an der Kölner Uni als Doktorand eingeschrieben war, war ab 2017 bei dem späteren Opfer in Behandlung. Die Therapie scheiterte aber, wofür der 40-Jährige allein die Therapeutin verantwortlich machte. Aufgrund einer „ausgeprägte Egozentrik“ sei der 40-Jährige nicht in der Lage, die Ursache für Konflikte oder Probleme auch bei sich zu suchen. Das Scheitern der Therapie habe er als Kränkung empfunden. „Für dieses Kränkungserleben wollte er sich mit der hier verhandlungsgegenständlichen Tat rächen“, sagte Roloff-Stachel. Überhaupt sei es ein eingeschliffenes Muster der narzisstisch gestörten Persönlichkeit des 40-Jährigen, „das eigene Nichtweiterkommen mit dem Versagen der Umgebung zu erklären“. Auch hinsichtlich seiner gescheiterten Promotion habe der Angeklagte ausschließlich Professoren und äußere Umstände verantwortlich gemacht. „Er kreist ständig um die eigene Person, andere Menschen sind für ihn nur Objekte.“

Auch den Komplizen manipuliert

Diese Aussage wollte Roloff-Stachel auch ausdrücklich auf den Mitangeklagten bezogen verstanden wissen. Den 55-Jährigen habe der 40-Jährige beständig manipuliert. Als der 40-Jährige im Juni 2023 erstmals eine Entführung der Therapeutin ins Auge gefasst habe, habe der 55-Jährige die Idee für abwegig gehalten. Doch der 40-Jährige habe sich drangehalten und den 55-Jährigen dazu gebracht, sich als Mittäter zur Verfügung zu stellen. Dass der 55-Jährige trotz alledem immer noch an der Beziehung und der geplanten Eheschließung mit dem 40-Jährigen festhalte, erklärte Roloff-Stachel unter anderem mit der sehr religiösen Erziehung, die der 55-Jährige in seinem Elternhaus genossen habe. „Den Aspekt der Schuld, als religiöser Überbau, kann man nicht unterschätzen“, sagte Roloff-Stachel. Und weiter: „Wenn er den Mitangeklagten verlässt, dann hätte er vor dem Hintergrund der Tat nicht nur das Leben der Geschädigten kaputt gemacht, sondern auch das seines Partners.“ Hier nehme der 55-Jährige eine „Zuständigkeit an, die gar nicht besteht“.

Der Prozess wird fortgesetzt.