Opfer vor Gericht in Köln„Ich sehe nichts, aber ich spüre, wie mir jemand Windeln anlegt“

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Ein Mikro steht in einem Gerichtssaal (Symbolbild)

Ein Mikro steht in einem Gerichtssaal (Symbolbild)

Eine 51-jährige Frau berichtet im Prozess über ihre Entführung durch zwei Männer. Die Männer hielten sie gefangen, um 1,5 Millionen Euro Erpressungsgeld zu erlangen.

Als die Angeklagten (40 und 55) auf den Saal geführt werden, schaut die zierliche 51-Jährige nicht einmal hinüber. Es ist geradezu greifbar, dass sich jede ihrer Fasern dagegen sträubt, mit den beiden Männern in einem Raum zu sitzen. Doch rund acht Monate nach der Entführung führt im Prozess um die Entführung der Frau kein Weg an einem Aufeinandertreffen vorbei.

Trotz Aufregung machte die Zeugin, die als Nebenklägerin in dem Prozess auftritt, ihre Sache mehr als gut. Detailliert schildert sie die Entführung vom 13. Oktober 2023 und was ihr in der Nacht darauf in der Niehler Wohnung der angeklagten Entführer widerfuhr. Zunächst machte die Nebenklägerin Ausführungen zur therapeutischen Vorgeschichte des 40-Jährigen, der vermutlich treibenden Kraft hinter der Entführung. Von Sommer 2017 bis Sommer 2020 sei der 40-Jährige ihr Patient gewesen. Anfangs sei sie von einer Anpassungsstörung des aus der Türkei stammenden 40-Jährigen ausgegangen. Hätte sie die Therapie zu Ende geführt, sagt sie später dem psychiatrischen Sachverständigen im Prozess, dann hätte sie wohl eine narzisstische Persönlichkeitsstörung diagnostiziert.

Therapie wurde unterbrochen

Im Sommer 2020 sei die Therapie aufgrund von Corona aber auch wegen des Umzugs des 40-Jährigen nach Luxemburg, unterbrochen worden. Im Sommer 2022 habe es noch mal zwei Sitzungen gegeben. Doch der Angeklagte sei aggressiv gewesen, habe ihr Vorwürfe gemacht und sie beleidigt. Daraufhin habe sie die Therapie abgebrochen. Das nächste Mal, habe sie den 40-Jährigen dann gesehen, als er sie mit dem 55-Jährigen aus ihrer Praxis entführt habe. Weil sie sich heftig gewehrt habe, habe der 55-Jährige gedroht: „„Wenn Sie jetzt nicht Ruhe geben, schmeißen wir Sie in den Rhein. Da hatte ich Todesangst.“ Auch der 40-Jährige habe gedroht: „Ruhe, wir werden Sie nicht verletzten.“ Dann habe er hinzugefügt: „Eine letzte Sitzung noch.“

Dann betäubten sie die Frau mit Chloroform, fesselten und knebelten sie und zwängten sie in die eigens für die Tat beschaffte Kiste. Anschließend ging es mit einem gemieteten Transporter in ihre Wohnung in Niehl, wo der 55-Jährige dem Opfer einen Venenkatheter legte und ihr Beruhigungsmittel sowie Amphetamin und Ecstasy verabreicht haben soll.

Entführte im Badezimmer gefangen

Gefangen gehalten wurde die Frau im Badezimmer, das aus „Gründen des Schallschutzes“, wie die Staatsanwältin sagte, mit Malerverlies ausgekleidet worden war. Im Bad war sie auf einer Luftmatratze zu sich gekommen. „Ich sehe nichts, aber ich spüre, wie mir jemand eine Windel anlegt“, sagt die Zeugin. Dann habe sie den 40-Jährigen gehört, der ihr ins Ohr geflüstert habe, er werde sie „zwingen seine Exkremente zu essen und es auf Kamera aufnehmen. Dann sagte er, man werde mit mir einen Porno drehen, das ins Internet stellen und erst wieder rausnehmen, wenn ich zahle.“ Um 1,5 Millionen Euro sei es gegangen, sagt die Zeugin. Immer wieder sei es dem 40-Jährigen um Geld gegangen. Als sie sich mal beschwert habe, dass sie Schmerzen habe, da sei der 40-Jährige hochgegangen. Er habe behauptet, er sei vorsichtig gewesen, man habe ihr keine Gewalt angetan.

„Man muss sich das mal vorstellen: Ich liege da gefesselt am Boden und der erzählt was von keiner Gewalt“, sagte die Frau fassungslos. Doch die 51-Jährige sucht das Gespräch mit ihrem Entführer, schafft es ihn zu beruhigen. Irgendwann habe sie auch das Bad verlassen dürfen. Dann habe sie in der Küche einen Vertrag abschreiben und unterschreiben müssen, in dem sie die Zahlung von 1,5 Millionen Euro und ihr Schweigen gegenüber der Polizei zugesichert habe. Und dann habe sie ihr Glück kaum fassen können, als der 40-Jährige sie habe laufen lassen.   Auf der Straße habe sie dann auf Geheiß ihres Freundes, den sie angerufen hatte, ein Auto angehalten. Dem Fahrer habe sie gesagt sie müssen zur Polizei, als plötzlich ein Polizeiwagen an ihr vorbeigefahren sei. Sie habe sich an die Beamten gewendet, die sie bereits suchten. Ein Spezialeinsatzkommando nahm die Männer wenig später in ihrer Niehler Wohnung fest.

Die Staatsanwaltschaft legt den beiden Beschuldigten erpresserischen Menschenraub, Erpressung, räuberische Erpressung und gefährliche Körperverletzung vor. Ihnen droht eine empfindliche Haftstrafe. Derzeit sind für das Verfahren 14 Verhandlungstage vorgesehen.

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