Zwei Männer planten akribisch die Entführung einer Frau aus ihrer Praxis und stellten eine Millionenforderung.
Prozess in KölnTherapeutin geknebelt und gefesselt – zwei Männer vor Gericht
Der 55-Jährige kam mit über den Kopf gezogener schwarzer Steppjacke in den Saal, der 40-Jährige versuchte, seine Identität mit FFP2-Maske einem Aktendeckel zu verbergen. Vor allem bei dem 55-Jährigen verwundert das nicht, führte er doch lange eine durch und durch bürgerliche Existenz, war verheiratet und Leiter eines Pflegeheims. Er hat drei erwachsene Kinder und ein Enkelkind und zwei weitere seien unterwegs, wie er später bei seinem umfassenden Geständnis sagte.
Als der Vorsitzende Dr. Thomas Stollenwerk fragte, warum er mit dem 40-Jährigem — seinem Lebensgefährten, den er auch gerne in Haft heiraten würde — die Entführung begangen habe, antwortete der Mann: „Aus Liebe.“ Diese Liebe könnte die beiden nun schwer zu stehen kommen und sie für viele Jahre hinter Gitter bringen: Erpresserischer Menschenraub wird mit mindestens fünf Jahren Haft bestraft. Zudem wird beiden noch gefährliche Körperverletzung und versuchte räuberischer Erpressung zur Last gelegt. Entführungsopfer war die ehemalige Therapeutin des jüngeren Angeklagten. Ziel der Entführung sei die Erpressung eines Millionenbetrags gewesen, wie es in der Anklageschrift hieß.
Opfer wehrte sich vehement
Am 13. Oktober 2023 soll zunächst der 55-Jährige eine fingierte Terminabsprache wahrgenommen haben. Als er gerade die Praxis betreten hatte, klingelte es erneut und vor der Tür stand der 40-Jährige mit einer Sackkarre und einer großen Kiste. Anschließend überwältigten die Männer ihr Opfer, das sich vehement wehrte und dem 55-Jährigen einen Finger blutig biss. Um ihren Widerstand zu brechen, sollen die Täter gedroht haben: „Wenn Sie nicht Ruhe geben, schmeißen wir Sie in den Rhein“, hieß es in der Anklage. Dann betäubten sie die Frau mit Chloroform, fesselten und knebelten sie und zwängten sie in die eigens für die Tat beschaffte Kiste. Anschließend ging es mit einem gemieteten Transporter in ihre Wohnung in Niehl, wo der 55-Jährige dem Opfer einen Venenkatheter legte und ihr Beruhigungsmittel sowie Amphetamin und Ecstasy verabreicht haben sollen. Gefangen gehalten wurde die Frau im Badezimmer, das aus „Gründen des Schallschutzes“, wie die Staatsanwältin sagte, mit Malervlies ausgekleidet worden war.
Wie die Rundschau im Januar exklusiv berichtete, haben die Angeklagten schriftlich einen akribischen Tatplan entworfen. Das Dokument gilt als zentrales Beweismittel in dem Fall. In der Wohnung soll dann vor allem der Ex-Patient eine enorme Drohkulisse aufgebaut haben: Unter anderem soll er gedroht haben, man werde „sie ausziehen und mit ihr einen Porno drehen, ihn ins Netz stellen und erst wieder herausnehmen, wenn 15 Millionen Euro“ gezahlt würden.
Als die Zahlung des Geldes per Handy aufgrund fehlender PIN-Nummern nicht funktioniert habe, so die Staatsanwältin, hätten die Täter umdisponiert und eine „Abgeltungs- und Vertraulichkeitsvereinbarung“ schriftlich aufgesetzt haben, die das Opfer zu unterschreiben gezwungen worden sei. Demnach soll sich die Therapeutin verpflichtet haben, 1,5 Millionen Euro — wieso der „Vertrag“ plötzlich nur noch über ein Zehntel der ursprünglich geforderten 15 Millionen lief, schwieg sich die Anklageschrift aus — binnen zwölf Tagen zu zahlen. Zudem habe sich das Opfer verpflichtet nicht zur Polizei zu gehen. Nachdem die FRau freigelassen wurde wendete sie sich trotzdem umgehend an die Polizei. Ein Spezialeinsatzkommando nahm die Männer wenig später in ihrer Niehler Wohnung fest.
Laut Anklage ist das Opfer bis heute schwer traumatisiert. Ihrem Beruf sei sie seit der Tat nicht mehr nachgegangen, sagte die Staatsanwältin. Neben Schmerzmittel und Antibiotika — die Einstichstelle des Katheters hatte sich entzündet — habe die Frau ein HIV-unterdrückendes Medikament einnehmen müssen, weil der 55-Jährige mit HIV infiziert sei.
Der 55-Jährige sagte zum Motiv der Tat, dass sein Lebensgefährte sich von der Therapeutin manipuliert und falsch behandelt gefühlt habe. Die Summe habe eine Art Schmerzensgeld sein sollen. Der 40-Jährige räumte die Tat lediglich pauschal über seinen Verteidiger ein. Der Prozess wird fortgesetzt. Ein Urteil ist für Ende August geplant.