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6500 Raubkatzen im BlickKölner Zoo spielt wichtige Rolle bei Erhaltungszuchten in Europa

Lesezeit 5 Minuten
Kurator Alexander Sliwa mit dem Persischen Leoparden „Datis“ im Kölner Zoo.

Kurator Alexander Sliwa mit dem Persischen Leoparden „Datis“ im Kölner Zoo.

400 Zoos versuchen, das Aussterben der Raubkatzen zu verhindern. Ein Kurator des Kölner Zoos ist seit Jahrzehnten ein wichtiger Ansprechpartner für sie.

Ihr Augenhintergrund reflektiert das schwache Licht der Nacht, sie können auch im Dunkeln sehen. Lautlos durchstreifen Persische Leoparden ihre hunderte Quadratkilometer großen Reviere, die sie einst mit dem Kaspischen Tiger teilten. Diese majestätischen Raubkatzen wurden ausgerottet, und auch die Leoparden des mittleren Ostens sind vom Aussterben bedroht. Nur noch 900 Tiere leben in den Weiten des Kaukasus, im Iran, Irak und Turkmenistan.

Dafür, dass sie und viele andere faszinierende Raubkatzen der Welt erhalten bleiben, engagiert sich Alexander Sliwa, Kurator im Kölner Zoo, seit Jahrzehnten. Als Vorsitzender der „Taxon Advisory Group“ (TAG), der Spezialisten-Gruppe für Katzen, hat er eine Schlüsselposition für die Erhaltungszuchtprogramme von über 400 Mitgliederzoos des Europäischen Verbandes für Zoos und Aquarien (EAZA) inne. Er unterstützt sie dabei, bedrohte Arten auf breiter genetischer Basis zu vermehren, berät in Fachfragen, ist zugleich Ansprechpartner für Zoos und Koordinatoren der Zuchtprogramme. Und das ist manchmal komplizierter als es klingt.

Kein Zoo kann eine Katzenart alleine erhalten, wir müssen uns koordinieren und unser Netzwerk pflegen.
Alexander Sliwa, Kurator im Kölner Zoo

„Das Programm wurde 1992 geschaffen, ursprünglich damit Zoos keine Tiere mehr aus dem der Natur beziehen mussten“, blickt Sliwa zurück. „Durch das Washingtoner Artenschutzabkommen, der vor gut 50 Jahren eingeführten nahezu weltweiten Handelsbeschränkung für bedrohte Tier- und Pflanzenarten, wurde das zu Recht immer schwieriger.“ Wenige Jahrzehnte später hat sich die Richtung des Tiertransfers fast komplett gedreht. „Wir bekommen immer mehr Anfragen, in Zoos nachgezogene Tiere in ihre Herkunftsländer zurückzuschicken, die eigene Erhaltungszuchten aufbauen oder die Raubkatzen auswildern wollen“, sagt Sliwa. Dafür müssen sie einige Kriterien erfüllen, damit die in Europa geborenen Tiere die Freilandpopulation auch dauerhaft stärken.

Die beiden Amur-Tiger Jungtiere, Tochka und Timur, wurden im April 2024 im Kölner Zoo geborenen und erkunden erstmal die Außenanlage

Die beiden Amur-Tiger Jungtiere, Tochka und Timur, wurden im April 2024 im Kölner Zoo geborenen und erkunden erstmal die Außenanlage

Doch von Anfang an. Denn bis es Raubkatzen einer bedrohten Art in einer sicheren Populationsgröße in den EAZA-Zoos gibt, ist viel zu tun. „Kein Zoo kann eine Katzenart alleine erhalten, wir müssen uns koordinieren und unser Netzwerk pflegen“, sagt Sliwa. Das bedeute Überzeugungsarbeit leisten, geduldig beraten, Brücken bauen oder und auch schon Mal Konflikte schlichten. 6500 Raubkatzen gibt es derzeit in den europäischen und einigen asiatischen Zoos der EAZA, nahezu alle Arten sind in ihrem Bestand bedroht. Die aktuell 28 Erhaltungszuchtprogramme müssen auf möglichst gute Weise gemanagt und der Aufbau neuer Programme angeregt und begleitet werden.

„Weil alle Zoos begrenzte Kapazitäten haben und Raubkatzen viel Platz brauchen, haben wir in mehrjähriger Arbeit gemeinsam den regionalen Kollektionsplan erstellt“, so Sliwa. „Wenn Zoos ein freies Gehege haben, können wir damit eine Art empfehlen, deren Nachzucht sehr dringend, aber auch erfolgversprechend ist. So können wir den begrenzten Platz bestmöglich nutzen.“ Dann allerdings sollte es schnell gehen, denn leere Gehege sind unattraktiv und Zoobesuchende sehen sehr gerne große Katzen, sie sind Publikumslieblinge. Deshalb ist Sliwa auch als Vermittler und Schlichter gefordert. Etwa wenn Halter ihm mitteilen, dass Koordinatoren, die das zumeist ehrenamtlich machen, längere Zeit nicht antworten. Oder wenn in anderen Fällen einzelne Zoos innerhalb des EAZA Verbands den Empfehlungen der Koordinatoren nicht folgen wollen.

Umso schöner, wenn es gleich doppelt gut läuft wie im Zoo Wuppertal. Der hat sich entschlossen, die hoch bedrohten Nördlichen Afrikanischen Löwen zu halten, von denen es im westlichen und zentralen Afrika nur noch rund 250 bis 1000 Tiere gibt. Die ebenfalls bedrohten Südlichen Löwen haben dagegen in großen Schutzgebieten wie dem Kruger- und Serengeti-Nationalpark auch durch den Tourismus finanziert, einen gewissen Bestandsschutz - doch auch von ihnen gibt es nur noch rund 19.000 Tiere. „Der Wuppertaler Zoo hat noch dazu kürzlich die Koordination des EAZA-Zuchtprogramms für den Nördlichen Löwen übernommen“, freut sich Sliwa. Ganz lange schon besteht dagegen die Koordination der Nachzuchten des Amurtigers. „Das macht seit 1973, also über 50 Jahren der Zoo Leipzig.“

Wir hatten eine Kooperation mit Russland über die Auswilderung Persischer Leoparden im Kaukasus. Das Projekt mussten wir mit Ausbruch des Krieges gegen die Ukraine einstellen.
Alexander Sliwa

Dass sich Ausdauer lohnt, zeigt der in Spanien und Portugal beheimatet Iberische Luchs, der Anfang 2000 fast ausgestorben wäre. „Damals gab es nur vier weibliche Tiere in einem Zuchtzentrum nahe Sevilla, im Südwesten Spaniens“, erinnert sich Sliwa. Die Katzenspezialistengruppe der Weltnaturschutzunion (IUCN) hatte den passionierten Katzenliebhaber als Vermittler hinzugezogen, er sollte die ex-situ Zucht für den Erhalt der Art anschieben und auch Zoos zur Mithilfe gewinnen. „Wir mussten einige der wenigen Luchse aus den letzten Gebieten in Südspanien fangen, um mit ihnen eine tragfähige Zucht aufzubauen“, so Sliwa.

Das Projekt ist geglückt. Heute kommen in vier speziellen Zuchtzentren in Spanien und Portugal jedes Jahr 30 bis 50 Jungtiere zur Welt und werden größtenteils in die Natur entlassen. 20 Jahre nach dem Projektstart gibt es wieder über 2000 Iberische Luchse auf der Iberischen Halbinsel.

Salzkatze Maya ist in ihrem Gehege im Zoo der Minis in Aue unterwegs. Die Art stammt aus der Südhälfte Südamerikas. In Deutschland werden die Tiere in elf Zoos gehalten.

Salzkatze Maya ist in ihrem Gehege im Zoo der Minis in Aue unterwegs. Die Art stammt aus der Südhälfte Südamerikas. In Deutschland werden die Tiere in elf Zoos gehalten.

Herkunftsländer, die bedrohte Raubkatzen wieder auswildern möchten, müssen einen detaillierten Projektvorschlag einreichen, und auch eine Finanzierung für längere Zeiträume dafür haben, bevor sie wertvolle Nachzuchten aus den Zuchtprogrammen erhalten. „Zum Teil unterstützen Zoos sie dabei, aber immer ist das nicht machbar“, sagt der Kurator. Dazu erschweren politische Konflikte den Erhalt der faszinierenden Katzen. „Wir hatten eine Kooperation mit Russland über die Auswilderung Persischer Leoparden im Kaukasus. Das Projekt mussten wir mit Ausbruch des Krieges gegen die Ukraine einstellen.“

Damit das Zuchtprogramm nicht wieder stark heruntergefahren werden muss, sind Sliwa und seine Fachkollegen aus der EAZA und der Weltnaturschutzunion in regem Kontakt mit Umweltministerien weiterer Ursprungsländer. Viele Fragen sind noch offen, wieder können Fachwissen, Geduld, und Ausdauer entscheidend sein. Um den Persischen Leoparden in seinem Lebensraum zu stärken. Und zu verhindern, dass es ihn bald nicht mehr gibt.