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Agnesviertel in KölnUmbau der Oberfinanzdirektion für Geflüchtete soll acht Millionen kosten

Lesezeit 5 Minuten
Bauzäune umringen das Grundstück mit den leerstehenden Gebäuden an der Riehler Straße.

Bauzäune umringen das Grundstück mit den leerstehenden Gebäuden an der Riehler Straße.

Die ehemalige Oberfinanzdirektion in Köln soll für acht Millionen Euro in eine Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete umgebaut werden, was Anwohner kritisieren.

Dass in der früheren Oberfinanzdirektion am Reichenspergerplatz eine Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) für Geflüchtete entstehen soll, scheidet bereits seit gut einem Jahr die Geister in der Innenstadt. Es gibt viel Kritik von Anwohnenden an dem Vorhaben. Dabei werden immer wieder mögliche horrende Kosten ins Spiel gebracht. Auf Anfrage gab die Bezirksregierung dazu keine Auskunft. Der Rundschau liegt nun ein internes Schreiben vor, in dem die Kosten für Umbau und Miete aufgeschlüsselt werden.

Acht Millionen Euro für Umbau

In dem Schreiben ist die Kostenberechnung des Generalplaners aufgeschlüsselt. Daraus geht hervor, dass die Baukosten auf 4,85 Millionen Euro berechnet wurden und die Gesamtkosten für Umbau und Instandsetzung sich auf 7,96 Euro inklusive eines Risikozuschlags in Höhe von 15 Prozent beziffern. Alle Kosten gehen zu Lasten des Landes NRW.

Hinzu kommen die Mietkosten. Die Nutzungsvereinbarung sieht eine Mindestlaufzeit von zehn Jahren vor, bei einem monatlichen Entgelt von 133 520 Euro. Diese Mietzahlung geht an den landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB). In zehn Jahren sind das mehr als 16 Millionen Euro.

Die frühere Oberfinanzdirektion besteht unter anderem aus Altbau und Hochhaus.

Die frühere Oberfinanzdirektion besteht unter anderem aus Altbau und Hochhaus.

Leerstand kostet auch Geld

Auch die Verwaltung des Leerstands kostet Geld. 122 869 Euro hat der BLB laut Schreiben im Jahr 2023 „für die Leerstandsverwaltung, die Wartung und teilweise die Miete der technischen Anlagen“ ausgegeben. Die Bezirksregierung will zudem nicht das gesamte Gebäudeensemble umbauen und nutzen. So soll das Hochhaus sowie das dritte Obergeschoss der ehemaligen Oberfinanzdirektion unangetastet bleiben und weiter als Leerstand verwaltet werden. Technische Anlagen, die im Keller des Hochhauses stehen, sollen teilweise stillgelegt werden. Dennoch geht die Bezirksregierung von jährlichen Kosten für die Leerstandsverwaltung in Höhe von fast 50 000 Euro aus.

Pro-Kopf-Kosten

Um die Wirtschaftlichkeit darzustellen, gibt es in dem Schreiben eine Pro-Kopf-Berechnung. Darin sind das monatliche Nutzungsentgelt, die Umbaukosten, die Kosten für den Leerstand während des Umbaus und im Betrieb angegeben. Insgesamt summieren sich die Kosten demnach auf knapp 205 000 Euro pro Monat. Bei 500 Geflüchteten, die in der Einrichtung temporär untergebracht werden sollen, bedeutet das Kosten von 409,50 pro Kopf und pro Monat.

Überschlägt man die Rechnung der gesamten monatlichen Kosten auf die Mindestlaufzeit von zehn Jahren, so stehen ganze 24,5 Millionen Euro unterm Strich.

Wirtschaftlichkeit

Zum Vergleich: In der zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) Bonn wird der fiktive monatliche Mietpreis pro Person und pro Monat mit 213,67 Euro angegeben. Teurer als die geplante EAE Agnesviertel ist demnach im Bereich der Bezirksregierung Köln nur die ZUE Leverkusen (434,78 Euro).

Da das Hochhaus sowie das dritte Obergeschoss gar nicht genutzt werden sollen, werden real nur 12 500 Quadratmeter im Altbau, der Kantine und den Innenhöfen genutzt. Eine Berechnung der Kosten pro effektiv nutzbarem Quadratmeter ergibt 16,38 Euro pro Monat. Die Bezirksregierung zieht den Vergleich mit Gewerbemietpreisen in Spitzenlagen – wie der Kölner Neustadt-Nord/Villenviertel – mit einem Niveau von 30 bis 35 Euro pro Monat pro Quadratmeter. Deswegen ist das Projekt für die Bezirksregierung dennoch wirtschaftlich.

Das liegt auch an der Alternativlosigkeit, denn eine ähnlich kurzfristig verfügbare Unterkunft steht nicht zur Verfügung. Aus dem Schreiben geht zudem hervor, dass die Nutzung einer Immobilie im Landesbesitz immer die bevorzugte Wahl gegenüber Immobilien im Privatbesitz sein soll.

Der Blick auf einen der Innenhöfe auf dem Grundstück der leerstehenden Oberfinanzdirektion.

Der Blick auf einen der Innenhöfe auf dem Grundstück der leerstehenden Oberfinanzdirektion.

Die Zeit drängt

Im Januar 2026 soll die EAE Agnesviertel eigentlich an den Start gehen. Der Zeitdruck ist groß, denn die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes in der Schönhauser Straße in Bayenthal soll zum Ende dieses Jahres auslaufen. Dort musste der Vertrag, der eigentlich 2024 ausgelaufen ist, bereits verlängert werden. Die EAE Agnesviertel soll die Einrichtung in Bayenthal vermutlich nahtlos ersetzen, damit die Bezirksregierung der Verpflichtungen zum Aufbau neuer Kapazitäten nachkommen kann.

Die Gegenwehr nimmt zu

Anwohnende aus dem Veedel um den Reichenspergerplatz haben indes eine erneute Petition gegen die Einrichtung der EAE gestartet (siehe Infotext). Bereits im vergangenen Sommer gab es eine analoge Unterschriftensammlung in dem Viertel, bei dem rund 220 Unterschriften zusammen kamen, die Rundschau berichtete.

Die Kritikpunkte der in diesem Fall anonym von einem Nutzer namens „C.K.“ erstellten Petition unterscheiden sich nur wenig von der ersten Petition. Dabei kritisierten die Initiatoren unter anderem den „Quadratmeterpreis wie eine Luxusimmobilie“, zu geringe Bewegungsflächen im Freien sowie die Missachtung der Nachhaltigkeit. Denn in Köln gebe es einen hohen Bedarf an Wohnraum und Büroflächen. Ein bestehendes Gebäude für einen nicht unerheblichen Teil zum weiteren Leerstand anzumieten, ergebe da wenig Sinn.

Vermeintliche Vorausschau

Die Petenten kritisieren zudem ein fehlendes Umfeldmanagement vor Ort: „Seit Mai eskalierte die Situation rund um die EAE für unbegleitete Jugendliche zwischen Hauptbahnhof und Ebertplatz. Eine dreistellige Anzahl Straftaten werden den Bewohnern der Einrichtung angelastet. Ein Umfeldmanagement seitens der Stadt gibt es trotz allem immer noch nicht. Anwohner werden mit der Situation allein gelassen. Die dortige Haltestelle Reichenspergerplatz mit ihren unübersichtlichen Ecken droht zu einem Mini-Ebertplatz zu werden.“

Auch bei der Aktion der Polizei „Coffee with a cop“, bei der neben Innenminister Herbert Reul auch die Bundestagsabgeordnete der CDU, Serap Güler, zum Dialog mit den Anwohnenden gekommen war, gab es viel Kritik an dem Vorhaben. Die Anwohnenden warfen der Landesregierung vor, die Zusammenhänge vor Ort einfach zu ignorieren.

Informationsfluss

Eine Informationsveranstaltung für Anwohnende der Bezirksregierung in der Agneskirche im Juni 2024 ließ bei vielen Anwohnern Fragen offen. Eine erneute Informationsveranstaltung ist für das vierte Quartal dieses Jahres geplant, das teilte die Bezirksregierung auf Anfrage mit. Kurz darauf soll die neue EAE in Betrieb gehen.