Mit einem Großaufgebot war die Polizei vor allem rund um den Dom in Bereitschaft. Es gab Angriffe auf Einsatzkräfte mit Verletzten.
JahreswechselSo lief die Silvesternacht in Köln – Verletzte Polizisten nach Böllerwürfen
In der Silvesternacht hat es auch in Köln Angriffe mit Böllern auf Polizisten und Feuerwehrleute gegeben. Mindestens drei Beamte waren danach nicht mehr dienstfähig, dies teilte die Polizei am Neujahrsmorgen auf Anfrage der Rundschau mit. So sei im Görlinger-Zentrum in Bocklemünd ein Beamter von einem Knallkörper am Knie getroffen worden. „Der Kollege konnte danach nicht mehr laufen“, sagte ein Sprecher der Behörde. In Finkenberg waren Feuerwehr und Polizei nach einem Brand auf einem Balkon im Einsatz. Die Einsatzkräfte seien massiv mit Pyrotechnik beworfen worden. Auf den Innenstadtringen ist den Angaben zufolge ein Beamter am Fuß verletzt worden.
Auch im Rheingarten war die Situation brenzlig. Durch die umfassenden Sperrungen im Domumfeld sammelten sich tausende Besucher vor allem an der Frankenwerft am Rheinufer. Das Böllerverbot wurde nicht beachtet, Raketen flogen teils quer durch die Menge, mit Böllern wurde auf andere Besucher geworfen. Ein Eingreifen der Ordnungskräfte gab es kaum. Die Polizei versuchte, mit Durchsagen zur Ordnung zu mahnen.
Dirk Conrads ging in der Nacht mit seiner Familie über den Bahnhofsvorplatz zum Hilton-Hotel, um sich aufzuwärmen. Die Conrads wohnen im Kreis Düren und feiern immer wieder gerne in Köln. Dirk Conrads ist Polizist, vor neun Jahren war er selbst im Einsatz gewesen am Hauptbahnhof. Es war die Nacht gewesen, die das Land veränderte. Unzählige Übergriffe gab es, Frauen wurde massenweise sexuell belästigt, von der Domtreppe aus warf ein aggressiver Mob Böller in die Menge. „Es war wie Krieg“, sagt Conrads (52). Die Situation sei völlig außer Kontrolle geraten.
Polizei muss im Rheingarten durchgreifen
Wer in der Silvesternacht 2024/25 in die Domschutzzone möchte, musste sich an den Zugängen kontrollieren lassen. Das scharfe Sicherheitskonzept ist Folge der damaligen Auswüchse. Das Mitführen von Knallkörpern, Feuerwerksraketen und sogar Wunderkerzen war am Dom verboten. Die Polizei war, wie angekündigt, mit hunderten Beamten im Einsatz. Der Andrang war zunächst überschaubar, die Lokale in der Altstadt gut gefüllt, mehr aber auch nicht. Das sollte sich ändern.
Gegen 23 Uhr drohte die Situation im Rheingarten zu eskalieren. Es war sehr voll, an das Böllerverbot hielt sich niemand. Reihenweise flogen Knallköper in die Menge, auch Raketen schossen flach über den Boden. Die Polizei ermahnte, keine Böller zu zünden und Raketen nur senkrecht starten zu lassen. Zwecklos. Man sah nur wenige Beamte, den Ordnungsdienst der Stadt so gut wie gar nicht. Rettungskräfte mussten mit einer Person quer durch die Menge. Nach und nach kamen Polizeibeamte, um die Situation zu beruhigen. Im Minutentakt kamen die Durchsagen: „Bitte zünden sie keine Böller, Raketen nur senkrecht in die Luft schießen“. Niemanden interessierte das. Mehrere tausend Menschen drängten sich ans Rheinufer, ein Rettungswagen kam kurz vor Mitternacht kaum durch. Nach dem Jahreswechsel meldete die Polizei zwei Verletzte durch fehlgeleitete Pyrotechnik auf der Zülpicher Straße, die Personen kamen ins Krankenhaus.
Hunderte Beamte in Köln zu Silvester im Einsatz
Seit nun fast einem Jahrzehnt, seit den sexuellen Übergriffen in der Silvesternacht 2015/16, gelten scharfe Sicherheitsregeln rund um den Dom. In den ersten Folgejahren waren mehr als 1000 Polizeibeamte im Einsatz gewesen, die Stadt Köln hatte ein umfangreiches Kulturprogramm auf die Beine gestellt.
Das gibt es inzwischen nicht mehr, aber die Sicherheitsmaßnahmen bestehen weiter. „Die Unbefangenheit ist weg“, sagt Annett Conrads, die mit ihrem Mann und den Kindern Alina (13) und Killien (5) nach Köln gereist war. Sie feiern gerne in der Domstadt und wollten den Jahreswechsel in der Altstadt und am Rheinufer erleben. „Schade, dass es keinen Countdown und nichts Festliches gibt“, sagt sie. Aber die Sicherheit gehe natürlich vor.
Auch wenige Meter weiter, am Wartesaal waren drei Damen aus Soest und Werl in Feierstimmung. „Wir feiern heute Ladies Night“, sagt Christiane Schäfer, die mit ihren Freundinnen aus Westfalen angereist war. Es sei schade, dass überall Ordnungskräfte und Polizei stehen, aber es sei wohl besser so. „Es fühlt sich nicht unbeschwert an“, sagt Nicole Irrgang. „Schade, dass das notwendig ist.“ Und welche Wünsche haben sie fürs neue Jahr? Dass es weniger Sorgen gibt, dass die Politik sich mal auf ihre Arbeit konzentriert. Und dass die Sicherheit zurückkommt. „Mein Sohn ist 15, der traut sich kaum noch ins Freibad, weil er Angst vor Randale hat“, sagt Nicole Irrgang. ‚Das ist doch traurig.“
Mit dem Böllerverbot gab es in der Nacht auch Maßnahmen für die gesamte linksrheinische Innenstadt. Schon am frühen Abend wurde es reihenweise gebrochen. Im Rheingarten zündeten Besucher vereinzelt Böller. Ordnungskräfte griffen nicht ein. Polizisten kontrollierten sowohl am Hauptbahnhof wie in der Altstadt immer wieder Personen. Eine Person wurde vorübergehend festgenommen. Die Beamten schauten mit besonderem Augenmerk auf die Situation am Rheinufer, in der Altstadt, im Kwartier Lateng und auf den Ringen sowie auf den Kölnberg in Meschenich und das Görlinger-Zentrum in Bocklemünd.
In der Silvesternacht galt ein Messerverbot wie üblich auf den Ringen, auf der Zülpicher Straße im Studentenviertel sowie auf dem Wiener Platz. Zudem griff das Verbot im Hauptbahnhof und am Bahnhof Köln Süd. Seit Jahren bestehe eine „abstrakt erhöhte Gefährdungslage“, heißt es bei der Polizei. Diese werde fortlaufend geprüft, erst recht nach dem Anschlag in Magdeburg. Dort waren vor Weihnachten bei einer Amokfahrt fünf Menschen getötet und rund 200 Menschen verletzt worden. „Wir schützen diejenigen, die friedlich feiern wollen. Und wir werden gegen diejenigen einschreiten, die sich nicht an die Regeln halten“, hatte Polizeidirektor Gregor Eisenmann im Vorfeld gesagt.
Auf Anordnung von Polizeipräsident Johannes Hermanns waren bis zum frühen Morgen Personenkontrollen im gesamten linksrheinischen Innenstadtbereich möglich, auch verdächtige Gegenstände durften kontrolliert werden, die polizeilichen Möglichkeiten gingen über die „normalen“ Regelungen der innerstädtischen Waffenverbotszonen hinaus. Die Polizei appellierte an die Bürgerinnen und Bürger, bei allen verdächtigen Feststellungen die „110“ zu wählen. Außerdem werden aufgrund der angespannten Lage in Nahost auch die Sicherheitsmaßnahmen an der Synagoge in der Roonstraße verstärkt worden.
Böllerverbot in der Kölner Innenstadt
In der Böllerverbotszone, die linksrheinisch innerhalb der Ringe liegt, durften keine Silvesterknaller oder Böller abgefeuert werden. Feuerwerksraketen waren vom Verbot ausgenommen. Unter anderem sollten dadurch Einsatzkräfte von Polizei, Rettungsdienst und Ordnungsamt geschützt werden. Bundesinnenminsterin Nancy Faeser (SPD) hatte bei Gewalttaten ein hartes Einschreiten angekündigt.
Das erste Böllerverbot 2023 habe sich auf zahlreiche Bereiche positiv ausgewirkt, hatte die Stadt im Vorfeld mitgeteilt. Die Feuerwehr habe im Vergleich zum Vorjahr in der Altstadt deutlich weniger Rettungseinsätze verzeichnet. Wer trotz des Verbots Böller abfeuert oder Wunderkerzen abfackelt, kann mit Strafen von bis zu 50.000 Euro rechnen. Feuerwerk darf außerdem nicht in der Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altenheimen abgebrannt werden.