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Prozessauftakt um Kölner ExplosionsserieDer „Verräter“ sitzt auf der Anklagebank

Lesezeit 4 Minuten
Die drei Angeklagten mit ihren Anwälten beim Prozessauftakt.

Die drei Angeklagten mit ihren Anwälten beim Prozessauftakt.

Ein Verrat im Drogenmilieu löste 2024 im Rheinland eine Gewaltserie aus. Ein 22-Jähriger soll Hinweise auf Drogen in einer Hürther Lagerhalle gegeben haben. Doch er schweigt vor Gericht in Köln.

Kölner Fahnder beschreiben den 22-Jährigen als „brutal“ und „rücksichtslos“. Am Mittwochmorgen macht der Angeklagte eher den Eindruck eines unsicheren jungen Mannes. Und er ist sichtlich nervös. Die rote Gerichtsmappe zittert in seiner Hand, als der Deutsch-Algier im Gerichtssaal Platz nimmt. Der 22-Jährige spricht ein wenig mit seinem Anwalt, als sein Auftritt von Fotokameras begleitet wird. Sein Gesicht zeigt er nicht.

Drogenkrieg im Rheinland ausgelöst

Der junge Mann soll derjenige sein, der vorigen Sommer den Drogenkrieg im Rheinland ausgelöst hat. In der Drogenszene wird er als Verräter tituliert, ist von der Polizei zu hören. Nun sitzen am Kölner Landgericht die ersten drei Männer auf der Anklagebank, die Mitglieder einer mittlerweile berüchtigten Kalker Drogenbande gewesen sein sollen. Die Bande bestand aus mindestens elf Personen, die durch Explosionen und andere Anschläge wochenlang Angst in der Region verbreitet und einen beispiellosen Ermittlungseinsatz der Polizei auslöst hatte. Schüsse, Explosionen, Geiselnahmen und Folter-Methoden werden den Verdächtigen zugerechnet.

Prozess um Explosionen in Köln: Verrat in den eigenen Reihen

Auslöser soll ein Verrat in den eigenen Reihen gewesen sein. Der 22-jährige Angeklagte soll zunächst eine große Drogenlieferung aus den Niederlanden nach Hürth organisiert haben. Um 6.47 Uhr am 21. Juni 2024 kam der Transport dort an, wie die Staatsanwaltschaft akribisch in ihrer Anklageverlesung vorträgt. Zwei Stunden später verschwinden die an dem Deal beteiligten Männer. Sie überlassen das Feld drei Bewachern, die mit drei geladenen Revolvern die Drogen verteidigen sollen, wie es der Staatsanwalt weiter vorträgt. Einen Tag später kommt es zum Überfall. Drei Männer, bewaffnet mit Maschinengewehren, stürmen die Lagerhalle, bedrohen einen Bewacher und stecken ihm laut Anklage den Lauf einer Waffe in den Mund. „Wenn du redest, oder uns verrätst, töte ich dich“, so die Botschaft der Räuber. Gerade mal neun Minuten dauert der Überfall, dann sind die Täter verschwunden – mit 350 Kilogramm Marihuana. Den entscheidenden Tipp soll der 22-Jährige gegeben haben. Mit dem erlangten Drogen wollte der Mann selbst groß ins Geschäft einsteigen, so der Vorwurf. Dies gelang ihm auch, bis zur Festnahme Anfang Juli 2024.

Zwischen ihm und den beiden Mitangeklagten sitzt am Mittwoch im Saal 112 nicht nur sein Verteidiger, sondern auch zusätzliches Sicherheitspersonal. Vor Prozessbeginn gibt der Vorsitzende Richter noch Hinweise, die Angeklagten mit etwas Abstand zueinander sitzen zu lassen. Ansonsten sind die Sicherheitsvorkehrungen zwar hoch, aber nicht vergleichbar mit dem Prozess um Schwerverbrecher Thomas Drach, im gleichen Saal.

Alle drei Männer schweigen vor Gericht

Während der Anklageverlesung wechseln die Beschuldigten keinen Blick. Ein Rechtsanwalt in dem Verfahren sieht für seinen Mandanten „keine akute Bedrohung“, sagt er am Rande des Prozesses. Ob sein Mandant für die Taten verantwortlich sei, müsse die Beweisaufnahme zeigen. Am Mittwoch machen alle drei Angeklagten von ihrem Schweigerecht Gebrauch. Dass Schweigen war für die Ermittlungsbehörden bei der Aufklärung der schwerwiegenden Taten ein großes Problem. „Die Aussagebereitschaft ist gering. Ansonsten wären die Taten vermutlich leichter zu klären“, sagte Kripochef Michael Esser im September 2024.

Bereits am Donnerstag und Freitag starten zwei weitere Prozesse zu dem Verfahrenskomplex. Die zusammen vier Angeklagten sollen zum Teil versucht haben, durch Geiselnahmen und Folterungen Informationen zu dem verschwundenen Rauschgift zu erpressen. Diesen Prozessen dürften noch mehrere folgen. Die Kölner Staatsanwaltschaft bereitet mindestens sechs weitere Anklagen vor. Es werde inzwischen gegen mehr als 40 Beschuldigte ermittelt, mehr als 25 Haftbefehle seien bisher erlassen worden. Die Serie an Gewalttaten endete erst, als der Kopf der Bande im Herbst 2024 am Pariser Flughafen Roissy festgenommen wurde. Zuvor soll er seine Vertrauten in der Kalker Drogenbande damit beauftragt haben, den Verräter in den eigenen Reihen zu finden. Auch dies führte zu gewalttätigen Auseinandersetzungen in der Region.