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Neubauquoten in KölnHaus und Grund fürchtet Vertreibung vom Mittelstand ins Umland

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Symbolbild 

Köln – Der Kölner Haus- und Grundbesitzerverein befürchtet durch die verpflichtenden Quoten beim Wohnungsneubau, dass am Ende die Mittelschicht zu kurz kommt. Hauptgeschäftsführer Thomas Tewes sagte am Donnerstag auf der jährlichen Pressekonferenz (siehe auch Info-Text): „Es ist für eine Stadt sehr gefährlich, wenn sie die Mittelschicht ins Umland treibt.“

Was steckt hinter der Kritik

Nur: Ist die Sorge wirklich begründet? Wird es schwieriger für den Mittelschicht, wenn die Stadt bei Bauvorhaben weitere Quoten einführt? Mit den Quoten sollen ja gerade neue Wohnungen mit vergleichsweise günstigeren Mieten gebaut werden. Bislang sind bei großen Neubauvorhaben 30 Prozent öffentlich geförderter Wohnungsbau verpflichtend, kooperatives Baulandmodell nennt die Stadt das. Das Land fördert den Bau, im Gegenzug bleibt die Miete meist für 20 oder 25 Jahre gedeckelt, aktuell sind es in Köln 7 bis 7,80 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter. Es ist für Menschen mit vergleichsweise wenig Einkommen gedacht.

Doch das Mehrheits-Bündnisses im Stadtrat aus Grünen, CDU und Volt will den preisgedämpften Wohnungsbau einführen (wir berichteten), er soll weitere 20 Prozent ausmachen, eine konkrete Miete müsste die Stadt noch festlegen. In Düsseldorf etwa sind es 9,80 Euro, doch das Land fördert den Bau nicht. Das bestätigte die NRW.Bank, ergo müsste die Stadt das über ein eigenes Förderprogramm tun.

Befürchtung: Investoren holen sich die Kosten über die Mieten zurück

Die Logik von Tewes lautet: Zwingt die Stadt Investoren 50 Prozent der Wohnungen zu bauen, um vergleichsweise günstige Mieten für die Bürger zu erreichen, holen die Investoren sich das Geld bei den verbliebenen 50 Prozent frei finanzierten Wohnungen über höhere Mieten zurück – und die Mittelschicht muss noch mehr zahlen.

Weitere Kritikpunkte von Haus und Grund

Masterplan Parken: Hauptgeschäftsführer Thomas Tewes sagte über den Plan, der unter anderem das Anwohnerparken teurer machen soll: „Zum Teil sind es gute Ideen, aber in der falschen Reihenfolge.“ Zu Überlegungen, Supermarkt-Parkplätze über Nacht für Anwohner zu öffnen, sagte er: „Das ist Blödsinn oder pure Hilflosigkeit der Politik.“ Neue Radspuren würden teils nicht genutzt, „Radfahren ist nicht das allein selig machende Verkehrsmittel.“ Und: „Wir sind keine Autolobby.“

Mietspiegel: Bislang hat Köln einen sogenannten einfachen Mietspiegel, er zeigt seit dem Jahr 1974 die ortsüblichen Vergleichsmieten, unter anderem Haus und Grund und Mieterverein erstellen ihn alle zwei Jahre. Nun wollen Grüne, CDU und Volt aber einen qualifizierten Mietspiegel nach wissenschaftlichen Standards, so steht es im Kooperationsvertrag. Tewes sagte: „Da wird an den Protagonisten vorbeiregiert, das finde ich schon starken Tobak. Das ist eine Politik der Arroganz.“ Die Politik meine, sie wisse es besser als die Beteiligten, sie wolle ihr Ding durchziehen, „das ist eigentlich schlechte Politik“.

Verwaltung/Politik: Traditionell nutzte der Vorstandsvorsitzende Konrad Adenauer die jährliche Auftakt-Pressekonferenz zum verbalen Draufhauen. Unter anderem sagte Adenauer: „Die Entschlusslosigkeit bremst die Verwaltung.“ Oder: „Es ist kein Wille da, etwas zu schaffen.“ Und: „Es fehlt die Tatkraft bei Verwaltung und Politik.“ (mhe)

Tewes sagt: „Damit würde aber der frei finanzierte Mietwohnungsbau so teuer, dass er für einen Großteil der Bevölkerung unerschwinglich wird. Sollte in Zukunft dieser Teil auch noch preislich gedeckelt werden, so würden sich die Investoren gänzlich aus dem Mietwohnungsbau zurückziehen.“

Zumal: 2020 sind ja nur 2013 neue Wohnungen gebaut worden, der tiefste Wert seit 1990, Tewes forderte einen Masterplan Wohnen, mehr Flächen. Will das Ratsbündnis also den Wohnungsmarkt entlasten, macht aber alles schlimmer?

Für Volker Eichener, Politikwissenschaftler und Wohnungsbauexperte an der Hochschule Düsseldorf, ist es weniger klar als für Tewes, „es ist mir viel zu einfach, das so zu sagen“. Eichener wirbt für eine ausgewogenere Betrachtung, er sagt zur 20-Prozent-Quote: „Der Vorteil könnte sein, dass auf dem Wohnungsmarkt im mittleren Preissegment ein größeres Angebot geschaffen wird. Dagegen spricht, dass möglicherweise weniger gebaut wird, weil es sich nicht lohnt.“ Eichener fordert Mut. „Das ist immer ein bisschen das Prinzip Versuch und Irrtum.“

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Bestes Beispiel ist das Baulandmodell, das der Rat 2014 beschlossen hatte. Es bot Schlupflöcher, um sich von der 30-Prozent-Quote zu befreien. Eichener sagt: „Investoren haben nichts zu verschenken.“ Der Rat schärfte nach, doch bis April 2021 war keine Wohnung nach der Quote gebaut. Auch in Düsseldorf kämpfte der preisgedämpfte Wohnbau mit Startproblemen. Eichener sagte: „Eine Stadt tut gut daran, die Quoten-Regeln flexibel zu halten.“