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Nach perfider TikTok-ChallengeNur noch knapp 200 KVB-Räder auf der Straße

Lesezeit 4 Minuten
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Kaum noch 200 KVB-Räder sind in Köln in Betrieb. 

Köln – Eigentlich sind die Bedingungen optimal, um sich auf ein KVB-Rad zu schwingen. Die Sonne scheint, die Temperaturen steigen, die Außengastronomie steht offen. Das Problem dabei: Es sind kaum noch Leihräder der Kölner Verkehrs-Betriebe zu finden. Die Aufrufe auf dem Videoportal TikTok, das KVB-Rad gewaltsam aufzubrechen und damit zu beschädigen, haben für den Betreiber Nextbike mittlerweile dramatische Folgen.

Offiziell will sich die KVB nicht mehr zu dem Kahlschlag äußern. Inoffiziell ist aus dem Hauptsitz des Betriebs zu hören, von der 3000 Räder umfassenden Flotte seien gerade noch rund 200 auf der Straße. Ein Blick auf die KVB-Rad-App lässt allerdings noch Schlimmeres vermuten. Im Laufe des Dienstags wurden über den Tag hinweg nicht mehr als 100 freie Räder angeboten.

KVB wendet Vogel-Strauß-Taktik an

Es ist ein wenig eine Vogel-Strauß-Taktik, die von der KVB und dem von ihr beauftragten Betreiber Nextbike zurzeit angewandt wird: Kopf in den Sand und darauf hoffen, dass die Zerstörungswelle endlich über den Leihradbetrieb hinwegzieht. Reparieren macht kaum noch Sinn. Geht ein wieder fit gemachtes Leihrad zurück in den Kreislauf, kommt es wenig später zerstört zurück. Jedes reparierte Schloss scheint für die Täter Ansporn zu sein, es wieder zu zerschlagen. Darum werden die Räder teils auch bewusst zurückgehalten, um den Tätern das Futter zu nehmen. In der Hoffnung, über den Mangel an Rädern kommt der Zerstörungsaufruf endlich aus der Mode.

Video zeigt Trick zum Zerstören der Räder

In Mode gebracht hat es ein erstes Video auf TikTok, in dem gezeigt wird, wie das Schloss der Räder mit einem Stein zerschlagen werden kann, gepaart mit dem Aufruf, es nachzumachen. Nextbike forderte die Betreiber der Videoplattform auf, das Video zu entfernen. Doch die Büchse der Pandora war geöffnet. Es folgten weitere Videos, in denen der Aufruf aufgenommen wurde. Schließlich wurde Anzeige wegen Aufrufs zu einer Straftat erstattet. Doch um der Ersteller der Videos habhaft zu werden, müsste TikTok die Daten derer, die die Filme hochgeladen haben, herausgeben. Ein heikles Thema im Bereich der sozialen Netzwerke.

Die „KVB-Challenge“ ist noch nicht gebannt

Dennoch wurde die Flut der Videos eingedämmt. Zeitweise war nicht eines mehr auf TikTok zu finden. Aber es gibt Ausbrecher. Erst kürzlich tauchte auf der Plattform ein Film auf, in dem ein Kunde ganz normal das KVB-Rad zu nutzen schien. Doch kurz vor Ende des Streifens hielt er ein Schild ins Bild mit der Aufschrift „KVB-Challenge“. Bei der „Popularität“, die die Zerstörungsaktion mittlerweile erreicht hat, reichen solche Chiffren, damit der erneute Aufruf in der empfangsbereiten Gruppe verstanden wird.

Das KVB-Rad

910 Räder: Mit dieser Flotte ging das KVB-Rad im Mai 2015 an den Start. Eigentlich sollte das Angebot schon ein Jahr über Köln ausgebreitet werden. Doch die KVB suchte lange nach einem geeigneten Partner und fand ihn schließlich in Nextbike. Mit 170 000 Ausliehen bis zum Jahresende wurden die Erwartungen des Verkehrs-Betriebs weit übertroffen.

2020 folgte der Sprung auf 3000 Räder. Parallel wurden die Ausleihgebiete immer mehr ausgeweitet – bis schließlich im gesamten Stadtgebiet die KVB-Räder genutzt werden konnten. Was die Beleibtheit des KVB-Rades ausmacht ist nicht zuletzt die nahezu kostenfreie Nutzung durch Abo-Kunden der KVB. Wer ein Job-, Monatsticket oder Vergleichbares hat, darf das Leihrad 30 Minuten kostenlos nutzen. Viel länger wird es am Stück selten gebraucht.

1,5 Millionen Ausleihen: Damit war das Jahr 2021 das Rekordjahr für das KVB-Rad. Das ließ zuversichtlich auf 2022 schauen. Doch dann kam die TikTok-Challenge. Sie trifft das Unternehmen zur Unzeit. Gerade das „Frühlingserwachen“ sorgte in allen Jahren zuvor für Rekordzahlen. Wermutstropfen in der Erfolgsgeschichte der KVB-Räder sind eher auch die zehn E-Räder im Angebot. Sie werden nur selten genutzt. (ngo)

Diese Gruppe scheint sich vorwiegend aus Jugendlichen im schulpflichtigen Alter zusammenzusetzen. Im Umfeld von Schulen liegt laut KVB der Schwerpunkt der Zerstörungen. Nach letzten Zahlen hat die Polizei rund 30 tatverdächtige Jugendliche ausfindig machen können. Doch diese Angabe ist schon Wochen alt. Erneute Anfragen der Rundschau bei der Polizei ergaben lediglich: „Es ist kein neuer Stand bekannt“, so ein Sprecher.

So bleiben KVB und Nextbike nur noch zwei Hoffnungen: Dass die Welle endlich abebbt und eine neue Bauart von Schloss. Doch das angeblich zerstörungssichere Schloss wird schon seit Wochen angekündigt. Eingebaut wurde bisher noch keins. Wohl auch aus der Befürchtung heraus, das Attribut „zerstörungssicher“ könnte lediglich als erneute Herausforderung verstanden werden, gepaart mit dem Wissen, dass es Unzerstörbares auch nicht gibt. Wann kommt aber endlich das neue Schloss? Offiziell will sich die KVB auch dazu nicht äußern. Doch hinter vorgehaltener Hand wird ein Termin in der kommenden Woche in Aussicht gestellt. Allerdings müssen die Fallzahlen bis dahin den eindeutigen Trend erkennen lassen, dass die „Challenge“ an Attraktivität verliert.

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Es heißt, auch die sogenannten DB-Räder seien mittlerweile betroffen von der Zerstörungswut, doch das konnte die Bahn am Dienstag nicht bestätigen.