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„Meilenstein“ des MiquaPraetorium und Archäologische Zone verschmelzen zu Einheit

Lesezeit 4 Minuten
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Fünf Meter breit ist der unterirdische Durchgang  unter dem Rathausplatz. 

Köln – Der Sprung zwischen den Epochen ist unter dem Rathaus ohne große Kraftanstrengung möglich. Im Grunde genügt ein großer Schritt, um den unterirdischen Durchbruch zwischen dem Praetorium und den Mauern des jüdischen Viertels zu überwinden. Oberbürgermeisterin Henriette Reker schwärmt von einer „neuen Dimension“, Ulrike Lubek, Direktorin des Landschaftsverbands Rheinland (LVR), bescheinigt dem, was da kommen wird, „Architektur von Weltrang“. Der künftige Parcours der Miqua (Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln) nimmt Gestalt an.

Statthalterpalais in voller Größe erlebbar

Auslöser für die Schwärmereien der Entscheidungsträger bei Stadt und LVR ist das Verschmelzen von Archäologischer Zone und römischem Praetorium. Denn erstmals seit der Zerstörung im frühen Mittelalter ist nun unter dem Rathausplatz die gesamte Front des Statthalterpalasts aus dem vierten Jahrhundert in voller Größe erlebbar. Weil in der Stadtgeschichte immer wieder neue Gebäude auf alte Fundamente gesetzt wurden, zeugen nun die Steine in einigen ausgegrabenen Mauern von fünf Zeitepochen.

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Unter der Erde: Vom Statthalterpalast ist der Blick frei auf die frühe jüdische Siedlung.

Die Verantwortlichen des Jüdischen Museums im archäologischen Stadtquartier hatten zuletzt eher wenig Grund zur Freunde, denn die Stadt musste nach Streitigkeiten dem beauftragten Stahlbauunternehmen kündigen. Die Eröffnung des Museums hätte schon längst erfolgen sollen. „Wann dies sein wird, kann derzeit niemand sagen. Ich rechne mit Jahren“, dämpft die Oberbürgermeisterin die Euphorie. Es mag trösten, dass sie die schlechte Nachricht an einem Ort verkündet, an dem nur in Jahrhunderten gerechnet wird. Die Großbaustelle auf dem Rathausplatz ist nicht nur für Historiker ein Wohlfühlort, auch auf Ingenieure verströmt das Projekt einen besonderes Reiz.

Miqua – das jüdische Museum

20 Museen und Kultureinrichtungen betreibt der Landschaftsverband Rheinland (LVR). Auch das Jüdische Museum (Miqua) gehört dazu. Die Kosten trägt die Stadt, zuletzt war mit 127 Millionen Euro kalkuliert worden, doch dieses Ziel gilt inzwischen als unrealistisch. Ein Beteiligter hatte die Finanzentwicklung des Projekts kürzlich als „unkalkulierbar“ bezeichnet.

2018 wurde der Grundstein für das Museum vom damaligen NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet gelegt. Der unterirdische Rundgang durch die Gemäuer aus 2000 Jahren Stadtgeschichte soll eine Länge von 600 Metern haben. Der Ausstellungsrundgang im Praetorium war bislang 180 Meter lang.

Schon im Jahr 2013 hatte die Stadt mit dem LVR einen Kooperationsvertrag geschlossen. Demnach ist die Stadt für die Unterhaltung verantwortlich, der LVR übernimmt die Trägerschaft. In diesem Sommer soll im Spanischen Bau des Rathauses das museumspädagogische Zentrum des späteren Museums fertiggestellt werden.

1424 erfolgte die Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus Köln. Im Obergeschoss des Museums soll die jüdische Geschichte und Kultur Kölns vom Ende des Mittelalters bis in die Moderne fortgeführt werden. Zuletzt war der Eingangsbereich des Museums neu geplant worden. (tho)

„Die Umsetzung der Baustelle hat europaweite Beachtung gefunden. Wir sprechen hier über Ingenieurstechnik in Vollendung“, ordnet Petra Rinnenburger, Betriebsleiterin der Gebäudewirtschaft, die bautechnische Dimension ein. Allein für den Durchbruch der Doppelwand zur Archäologischen Zone waren unterirdisch je 18 Tonnen Erdreich auf jeder Seite beseitigt worden. Die neue Wand ist nun erdbebensicher. Zur Stabilisierung der unterirdischen Bereiche seien Betonpfähle von insgesamt 5000 Metern Länge in den Boden gegossen worden. Statt Wänden wird der Bau von Bohrpfählen gestützt.

Fünf Meter misst der Durchbruch in der Breite, zweieinhalb Meter hoch ist der Durchgang. Nun ist erkennbar, dass sich der einstige Statthalterpalast nochmal rund 40 Meter Richtung Süden erstreckt, also unter den Rathausplatz. Überbaut wurden die Mauern später durch die Gebäude des jüdischen Viertels mit jüdischem Bad und mittelalterlicher Synagoge. „Es ist sensationell, das jüdische Viertel mit rund 140 Haushalten fast komplett freigelegt zu haben“, sagt Dr. Thomas Otten, Direktor des Miqua-Museums. Auf rund 6000 Quadratmetern unterhalb des Rathausplatzes sollen die Museumsbesucher künftig die Stadtgeschichte entdecken.

Noch immer wird im Untergeschoss des künftigen Museums mit kleinen Baggern gearbeitet, Rohre ragen aus den nackten Wänden. In der knapp einen Meter starken Decke verstecken sich Technik und Versorgungsleitungen. Der LVR soll das Museum betreiben, so ist es vereinbart. Bei der Präsentation des geschichtsträchtigen Ortes wollen die Verantwortlichen alle Register ziehen.

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„Für uns handelt es sich um ein spektakuläres Museumsprojekt. Ich verstehe das Museum als aufklärenden Beitrag gegen antifaschistische Tendenzen“, erklärt Anne Henk-Hollstein, Vorsitzende der Landschaftsversammlung Rheinland. Interaktiv sollen alle Generationen Stadtgeschichte erleben können. Der Durchbruch ist für sie ein „Meilenstein auf dem Weg zum fertigen Museum“.