Kölns bekanntester FriedhofFührer zu Melatens Gräbern wird neu aufgelegt
Köln – Als ihn die Sehnsucht nach Köln übermannte, da schmiss Detlef Rick seinen sicheren Job in der Fremde hin und stillte sie auf Melaten. Also auf dem Friedhof, wo die Liebe der Kölner zu ihrer Stadt nicht endet, sondern ihre Erfüllung findet. Rick wurde Trauerredner, organisierte Führungen und veröffentlichte ein Buch über den kölschesten aller Gottesäcker. Der Führer im Nachschlageformat wurde zum lokalen Bestseller. Mehrere Auflagen waren schnell vergriffen. Die Nachfrage riss nicht ab und lebte während der Pandemie sogar noch kräftig auf, wie Britta Schmitz vom Emons Verlag berichtet. Nun kann sie befriedigt werden: Nach über einem Jahr Arbeit können Rick und Schmitz eine komplett überarbeitete Neuauflage präsentieren.
Der Friedhof lebt: Viel habe sich seit der Erstauflage auf Melaten getan, sind sich der Autor Detlef Rick und die Fotografin Britta Schmitz einig. Nicht nur einen Gräberzuwachs können sie verzeichnen. „Die Menschen legen wieder mehr Wert auf eine Grabkultur“, ist sich Rick sicher. Weniger Einheitsgranit, mehr Individualität. Die Stadt lasse bei der Grabgestaltung einiges zu. So seien an vielen Stellen beschauliche Oasen entstanden.
Seine Lieblingsorte auf Melaten? Rick winkt ab. Wo soll er anfangen, wo enden. Über 55 000 Gräber gibt es. Der Autor beschränkte sich auf etwas mehr als 500 in seinem Buch. Auswahlkriterien? „Natürlich subjektiv, aber an der Stadtgeschichte orientiert.“ Also nur die großen Namen? Mitnichten. Rick lebt sein Credo: „Schauen lernen.“ So gibt es im Melatenführer beispielsweise auch einen Hinweis zu einem Grab eines Paul Duve. Weder über den Toten noch zu seiner Grabskulptur konnte Rick etwas herausfinden. Doch an diesem Art-déco-Engel einfach vorbei zu gehen, das war für Rick und Schmitz unmöglich.
Lange Recherchen brauchte es beim Grab der kölschen Sängerin Nikuta natürlich nicht. Mit ihren ihren unzähligen Mottoliedern ist sie Stadtgeschichte. Und sie schreibt auch Geschichte auf Melaten. Auf ihrem Grab befindet sich der erste QR-Code des Friedhofes. Wer ihn mit dem Handy scannt hört Nikuta singen: „Loss mer leeve un leeve losse.“ Und wenn dabei noch der Herrgott die Sonnenstrahlen wie Engelshaar über das Grab streichen lässt, dann ist die kölsche Seele auf Wolke sieben.
Rick liebt es aber auch, Melaten im Zusammenhang zu sehen, wie bei den beiden Gräbern der beiden Vollblut-Karnevalisten Hans-Gert Kierdorf und Hans-Horst Engels, die sich als „Funk“ und „Lappenclown“vis-a-vis gegenüber stehen. Oder wenn sich hunderte Jahre währende Tradition auf wenigen Metern konzentrieren. Wie bei den Gräbern von Wilhelm Scheben und Hubert Heller. Der Brauer Scheben war im 19. Jahrhundert ein vehementer Verfechter des Bier-Reinheitsgebotes. Die Tochter des Gastronoms Heller führt die gleichnamige väterliche Brauerei weiter und verwendet als erste in der Kölner Zunft ausschließlich ökologisch angebaute Zutaten.
Art-déco-Engel hier, Nikuta dort. Da drüben noch das Grab des namhaften Journalisten Gert von Paczensky, den Franz-Josef Strauß mit seiner erbitterten Feindschaft adelte. Dass all diese Gräber auf die Schnelle zu finden sind, ist eine Stärke des Buches. Planquadrate, Nummern und Farben geben schnell Orientierung. Und wer Bewegung scheut, kann mit dem handlichen Führer vom Sofa aus schmökernd über Melaten und durch die Geschichte ziehen.
Melaten. Gräber erzählen Stadtgeschichte. Detlef Rick, Fotografien von Britta Schmitz. Emons Verlag. 320 Seiten. 16,95 Euro.